Der SOUND der Siebziger
Legendäre Rock-Hits in spannenden Versionen, große Klassik-Aufnahmen mit Dirigenten-Titanen und Star-Solisten: Folge 2 der KEF-CD-Reihe bringt fast 80 Minuten Musik-Highlights aus den 70er Jahren.

Jeff Healey: Like A Hurricane
Sein Leben ist Legende, sein Gitarrenspiel fesselte Musikfans all around the world: Bis zu seinem viel zu frühen Tod im Jahr 2008 war Jeff Healey der wohl charismatischste unter all den Blues-Men der jüngeren Generation. Als Einjähriger an einem Netzhauttumor erblindet, bahnte sich der in Toronto geborene Kanadier seinen ganz eigenen Weg ins Musikbusiness.
Healey brachte sich das Gitarrespielen selbst bei - und erfand dabei jene Spieltechnik, die ihn weltberühmt machte: Ähnlich wie eine Zither legte er das Instrument flach auf Oberschenkel und Knie und spielte im Sitzen. Ergebnis: ein unverwechselbarer, zugleich kraftvoller und finessenreicher Sound. Schon bald galt Healey als neues Wunderkind der Blues-Szene und stand mit Stars wie Albert Collins, B. B. King, oder Stevie Ray Vaughan auf der Bühne.
Mit Bassist Joe Rockman und Drummer Tom Stephens gründete er Mitte der 80er Jahre seine Jeff Healey Band - und spielte sich gleich mit dem 1988er-Debüt "See The Light" in die Herzen der internationalen Blues-Gemeinde. Fast 20 Jahre zählte Healey fortan zu den besten Performern der Szene - doch der heimtückische Tumor breitete sich in seinem Körper schleichend aus. Am 2. März 2008 schließlich verlor Healey den Kampf gegen den Krebs.
Zu seinem CD-Vermächtnis wurde das kurz zuvor für das deutsche Label Ruf produzierte Album "Mess Of Blues", das feine Studioaufnahmen und vitale Livetracks vereinte. AUDIO wählte daraus den Neil-Young-Hit "Like A Hurricane". Healey & Co. mischen hier eine dezente Prise melancholisches Blues-Feeling in die rockige Grundstruktur und verleihen dieser 70er-Jahre-Hymne so eine intensive, unter die Haut gehende Stimmung. Und die satte, schnörkellose Tontechnik versetzt den Hörer mitten hinein in die Londoner Islington Academy, in der diese Aufnahme mitgeschnitten wurde.
(Ruf Records; aus dem Album "Mess Of Blues"; Ruf 1126 / inakustik)

Girls With Guitars: Jet Airliner
Mädels können keinen Blues-(Rock)? Wer das behauptet, hat die Girls With Guitars noch nicht kennengelernt. Unter diesem Projektnamen nämlich haben sich drei selbstbewusste Ladies zusammengetan, um der männlichen Konkurrenz zu zeigen, was eine Harke ist: Samantha Fish (Gitarre, Gesang), Cassie Taylor (Gesang, Bass) und Dani Wilde (Gesang/Gitarre) spielen sich auf ihrem gemeinsamen Debüt mit ordentlich Biss und Power durch den Blues und Rock der 70er Jahre - addieren allerdings noch das gewisse Etwas an weiblichem Charme hinzu.
Diese Mischung steht ihren starken Eigenkompositionen ebenso wie zum Beispiel der Jagger-Richards-Nummer "Bitch", die ebenfalls auf dem Programm ihres Album steht. Heimliches Highlight aber: die Coverversion des Paul-Pena-Titels "Jet Airliner", den die Steve Miller Band auf ihrem 77er-Coup "Book Of Dreams" zu einem der größten Hits der Seventies machte.
Die Girls With Guitars nehmen in ihrer Bearbeitung den Fuß ein wenig vom Gas und hübschen den Refrain mit harmony vocals auf. Und als Hahn im Korb sorgt der englische Sessiondrummer Jamie Little für einen satten, rundlaufenden Groove.
(Ruf Records; aus dem Album "Girls With Guitars", Ruf 1166 / inakustik)

Blues Company & Johnny Heartsman: Ain't No Sunshine
Nicht ohne Grund gilt die Kunst des Arrangierens als heimliche Königsdisziplin beim Musikmachen - diese Coverversion von Bill Withers' Soul-Klassiker aus dem Jahr 1971 zeigt, warum. Denn für gewöhnlich denkt man: Ohne die Stimme des amerikanischen Ausnahmesängers oder eines Vokalisten von ähnlichem Kaliber kann "Ain't No Sunshine" eigentlich gar nicht funktionieren. Und dann hört man diese Version aus dem Jahr 1994 - und ist fasziniert von der Idee, diesen Black-Music-Evergreen in eine Instrumentalfassung umzuarrangieren.
Deutschlands wohl beste Blues-Rock-Band legte am 30. Juni 1993 bei ihrem Konzert in der Vitischanze von Osnabrück dafür einen geschmeidigen Zwölftakt-Groove aus - hatte mit Johnny Heartsman einen der interessantesten amerikanischen Soul-/Blues-Musiker als sideman. Der Sänger, Organist und Saitenzauberer, geboren 1937 in San Fernando, gestorben drei Jahre nach dieser Aufnahme in Sacramento, zeigt hier seine Klasse als Flötist - und brilliert mit virtuos-ausdrucksstarkem, Ian-Anderson-artigem Spiel.
Auch die Klangqualität trägt zum besonderen Flair dieses Mitschnitts bei: Die eher leise Flöte behauptet sich prächtig gegen die sensibel aufspielende Rhythmusgruppe und die erdigen Gitarrensounds, und die Raumakustik der Vitischanze wurde mit Intimität und Authentizität eingefangen. Dass auch beim Mastering alles in highfidelen Bahnen verlief - dafür sorgte schließlich feinste Audiotechnik von Harmonia Mundi Acustica im Verbund mit Magnat-Monitorlautsprechern und Kabeln aus dem Hause Monitor.
(inak; aus dem Album "Made In Germany"; inak 9025 / inakustik)

Werner Lämmerhirt: Ten Thousand Miles
Ein besonderer Musiker, eine besondere Zeit, eine besondere Aufnahme - dieser Titel aus dem Jahr 1974 bündelt eine Fülle verschiedener Ereignisse und musikalischer Entwicklungen.
Werner Lämmerhirt, einer der Wegbereiter der deutschen Gitarrenmusik-Szene im Allgemeinen - und einer der herausragenden Saiten-"Fingerpicker" im Besonderen. Bei dieser Spieltechnik fliegen Zeige-, Mittel- und Ringfinger sowie Daumen in bestechender Virtuosität über die Saiten. Den stilistischen Rahmen bilden dabei Country, Blues und Ragtime - und das Lebensgefühl der späten 60er Jahre.
In den USA geboren, wurde dieser Trend Anfang der 70er dann auch in der heimischen Saitenszene von Musikern wie Hannes Wader, Fiedelmichel oder Klaus Weiland zu beachtlicher Blüte geführt. Mittendrin schließlich, dritte Kraft in dieser Konstellation: der damalige HiFi-Händler und Musikenthusiast Günter Pauler - heute Inhaber eines renommierten Tonstudios sowie Chef, Produzent und Masterer des in audiophilen Kreisen bestens bekannten Labels Stockfisch .
Im Mai 1974 produzierte dieses Team dann "total ambulant" (O-Ton Pauler) im Günter Paulers Wohnzimmer via Teac-Tascam-Tonband und zwei angestöpselten Mikrofonen die Platte "The Thousand Miles": Werner Lämmerhirts Debütalbum - und die erste Produktion des Stockfisch-Labels überhaupt.
Der Titelsong, 1991 für das Lämmerhirt-Album "Die frühen Jahre" digital restauriert, zeigt alles, was das Duo Lämmerhirt/Pauler ausmacht: die famosen Saitenzaubereien von Lämmerhirt (der manchmal eine dritte Spielhand zu besitzen scheint), seine rauchig-intensive Erzählstimme, die diesem amerikanischen Traditional viel Atmosphäre gibt - und Paulers schon damals saubere und (wenn auch aus der Not geborene) luftige Tontechnik.
(Stockfisch; aus dem Album "Die Frühen Jahre", SFR 357.1001.2 / in-akustik)

Kaum ein Dirigent beherrscht den schwebenden Orchesterklang so wie er: Unter den zahllosen Bolero-Versionen aller Zeiten gehört die Einspielung von Pierre Boulez aus dem Jahr 1974 zu den besten.
Kein Wunder, dass sie sich auch in der Serie "Originals" findet, in der Sony Classical zeitlos gültige Aufnahmen aus den Archiven von Columbia und RCA neu veröffentlicht. Von Produzenten-Legende Thomas Z. Shepard in feinstem Stereo-Sound ausgeleuchtet, kann dieser Boulez-Bolero bis heute fesseln - mit glasklarer Transparenz und erotischer Magie.
(New York Philharmonic, Pierre Boulez; aus der CD "Boulez Conducts Ravel";
Sony 88697 68968 2)

Robert Schumann: Fantasie op.
Sie gilt seit den späten 50ern als die feurigste unter den Pianistinnen: die Argentinierin Martha Argerich. Auf einer 1976 für das RCA-Label Red Seal produzierten LP prangte ihr Konterfei gar in grellbunter Warhol-Manier - als Popart-Ikone mit gelber Haarpracht.
Aus diesem Jahr stammt auch die Aufnahme von Schumanns Fantasie op. 17, deren abrupte Stimmungsumschwünge einer emotionalen Achterbahnfahrt gleichen. Die Argerich durchlebt dieses Auf und Ab zwischen stürmischem Pathos und zärtlicher Poesie mit der ihr eigenen Leidenschaft, Wucht und Grandezza - zweifellos ein Juwel mit bleibendem Referenzwert.
Martha Argerich, Klavier; aus der CD "Martha Argerich Plays Schumann";
Sony 88697 85828 2

johannes brahms: SINFONIE NR. 1; 4. SATZ ADAGIO - PIU ANDANTE
In seinen besten Zeiten wurde James Levine als Lichtgestalt am Pult gefeiert: an der New Yorker Met ebenso wie bei den Bayreuther Festspielen. Und sein Markenzeichen ist bis heute ein Handtuch, das er wie eine Römertoga über der Schulter trägt.
Levines Gesamtaufnahme der vier Brahms-Sinfonien mit dem Chicago Symphony, 1975 für RCA eingespielt, gehört zu den ausdrucksstärksten der Geschichte. Das Finale der Ersten gibt eine faszinierendes Beispiel für Levines Wiederentdeckung der Langsamkeit: Wie er das visionäre Hornthema vor exorbitant brodelndem Hintergrund aufleuchten lässt, zählt zu den großen Momenten der Brahms-Interpretation.
(Chicago Symphony, James Levine, aus der 4-CD-Box "Levine Conducts Brahms"; Sony 88697 68604 2)

gustav mahler: Das Lied von der erde; 4. SATZ: "VON DER SCHÖNHEIT"
Als lichtester Teil aus Mahlers "Lied von der Erde" gilt zweifellos der 4. Satz: "Von der Schönheit" gleicht einer zarten chinesischen Tuschezeichnung, und besonders nah an dieses Ideal kommt die bis heute legendäre Aufnahme von 1972 mit Leonard Bernstein heran.
"Lenny", der wohl impulsivste Mahler-Dirigent, und Christa Ludwig, die wohl beste Mezzosopranistin seinerzeit, schildern eine besonnte Idylle mit jungen lotuspflückenden Mädchen - aber dies so empfindsam und graziös, quirlig und farbenprächtig, dass daraus eine der schönsten, Mahler-Raritäten des LP-Zeitalters wurde.
(Christa Ludwig, Mezzosopran; Israel Philharmonic, Leonard Bernstein;
Sony 88697 80622 2)

Peter Iljitsch Tschaikowsky: 1812 - Ouvertüre (Auszug)
Das Zeitalter der digital produzierten LPs begann Ende der 1970er mit einem Schlag - einem Kanonenschlag! Die legendäre Digitalaufnahme echter Geschütze begründete den Ruhm des gerade gegründeten Labels Telarc und brachte Plattenspieler-Besitzer an den Rand der Verzweiflung, weil so mancher Tonabnehmer bei den zu transient geschnittenen Schlägen und der großen Rillenauslenkung aus selbiger sprang.
Über den Sinn lässt sich ebenso streiten wie über den musikalischen Wert von Tschaikowskys Schlachtengemälde, das in Erich Kunzels fulminanter Interpretation nationalistische Töne aus Russland und Frankreich jäh aufeinanderprallen lässt. Doch eines war 1979 klar: Der Siegeszug der Digitaltechnik war nicht mehr aufzuhalten, die CD stand schon ante portas.
(Cincinnati Symphony Orchestra, Erich Kunzel; Telarc CD 80640 / in-akustik)