High End 2009 - Messereport
Auf der High End 2009 (21. - 24. Mai) im Münchener M.O.C. war von Krise nichts zu spüren: Die Stimmung war so gut und gelöst wie selten. Und es gab wieder richtig viel leckeres High End zu bestaunen und zu hören - mehr noch als letztes Jahr.

Was wurde im Vorfeld nicht alles gemunkelt: Die großen Aussteller kommen alle gar nicht, es gibt leere Räume en masse, und Besucher-mäßig wird das doch eine Katastrophe. Und ganz ehrlich: Optimistisch war ich am Vorabend der Messe auch nicht... Aber nichts davon: Mit knapp 13 000 Besuchern blieb die High End quasi auf Vorjahres-Niveau, und bei der Anzahl der Aussteller (248) gab es sogar einen Zulassungsrekord - auch wenn tatsächlich einige große Namen (hier seien vor allem die Vertriebe Active Audio, Audio Components, B&W, Sintron sowie - obligatorisch - Accuphase genannt) durch Abwesenheit glänzten.
Schon an den Aufbautagen (19./20. Mai) fehlte diese Hektik der letzten Jahre; womöglich haben sich die Aussteller langsam an die Abläufe im M.O.C. gewöhnt. Das galt sogar für den stereoplay-Auftritt. Mit Schützenhilfe aus Frankreich hatten wir nach etwa vier Stunden das Setup der Focal Grande Utopia EM beendet, die bei uns ja deutschlandweit exklusiv spielte. Und der Klang war selbst für kritische Ohren gar nicht so übel in Anbetracht der Akustik des sehr großen Vorführraums (108 Quadratmeter). Die klanglichen Unterschiede der von Hannes Maier präsentierten Top-Verstärker, konnten die Besucher jedenfalls mühelos nachvollziehen. Das Votum der Besucher bei dieser Demo: 1. Platz Kronzilla SXi P, 2. Platz Brinkmann "Vollverstärker", 3. Platz GamuT A/S DI 150 und McIntosh MA 7000 AC.
Doch auch der Vergleich der drei Referenz-Plattenspieler, demonstriert von Dalibor Beric, erntete viel Applaus. Allerdings war hier die Sache etwas klarer: Der Linn LP 12 in der neuesten und weitesten (Radikal-)Ausbaustufe machte hier das Rennen vor Brinkmann Oasis und Transrotor Orion.
Im Umfeld der Verstärker-Demo stellten wir natürlich auch stereoplays neue Messungen zu den Reaktiv-Verzerrungen (klangliche Beeinträchtigung des Verstärkers durch die Gegen-EMK des Lautsprechers) zur Diskussion. Testfactory-Laborleiter Peter Schüller (Bild) erläuterte auf der Technologie-Bühne ausführlich den neuen Ansatz, die Hintergründe und die entsprechenden Messungen, die tatsächlich einen Rückschluss auf die klangliche Güte einer Kombination aus Verstärker plus Box erlauben.
Aber zu den Messe-Neuheiten. Der Rundgang startet bei einer anderen Groß-Demo: bei ADAM Audio. Die Berliner Studio-Profis zeigten unter anderem ihre neue Classic-Mk-III-Line, die das Beste aus Studio und HiFi vereinen soll. Speziell die neue Column gefiel mir ausgezeichnet, weil sie herrlich dynamisch und transparent klang - was aber auch an der exzellenten Elektronik von PS Audio lag, die hier die ADAM-Speaker ansteuerte. In der Kette spielte unter anderem der PerfectWave Transport plus DAC. Diese Laufwerk/Wandler-Kombi soll annährend jitterfrei sein - und so sauber klang es auch. Der Test ist natürlich schon in Planung.
Quasi in ADAM-Nachbarschaft lag der Demo-Raum von KEF, wo sich ebenfalls Besonderes tat. Die Engländer hatten wieder einmal einen Technologieträger dabei: das Blade-Projekt. Die (noch) nicht käuflichen Schallwandler mit Kohlefaser-Gehäuse und seitlichen Bässen erinnerten ein wenig an die ehemaligen Mission-Flaggschiffe. Doch die Blade hat ja den unverwechselbaren Uni-Q-Koax - hier in seiner neuesten Version - eingebaut. Und das klang schon sehr vielversprechend...
Angetrieben wurden die Blades von den neuen Mark-Levinson-Monos No 53 plus Vorstufe No 326 S. Die speisten in der Nachbarschaft bei Sun Audio auch die großen Revel-Flaggschiffe. Für meine Ohren klang diese Kette ein bisschen "gedeckt". Aber während meiner Besuche waren auch immer sehr viele Leute im Raum. Kein Wunder. Der Levinson-Vertrieb Sun Audio war ja länger abstinent von der High End, und die Fans genossen es sichtlich, mal wieder die ganze Palette des Sun-Audio-Portfolios (darunter die mächtige JBL Everest 6600) auf einem Fleck live zu erleben.
Eine der interessantesten Pressekonferenzen bot Naim (Bild). Die Engländer haben seit Ewigkeiten mal wieder einen neuen Lautsprecher entwickelt, und der ist meilenweit von dem entfernt, was Naim Audio früher diesbezüglich anbot. Die Ovator S 600 (Paarpreis: 6000 Euro) ist neben den beiden 20er-Tieftönern nicht mit üblichen Hoch- und Mitteltönern bestückt. Bei ihr arbeiten ab 380 Hertz sogenannte BMR-Mittelhochtöner, die höchst ausgereifte Variante eines NXT-Biegewellenschwingers. Im Vergleich zu früheren Naim-Modellen ist die Ovator S 600 also NICHT für die Aufstellung an der Rückwand gedacht. Und auch sonst unterscheidet sie sich erheblich von den Vorgängern. Sie ist extrem solide aufgebaut und klingt weniger direkt, sondern runder, feiner, letztendlich audiophiler. Naim-Fans, die schon immer von einer SPL träumten, werden hier wohl nicht glücklich. Mir allerdings hat diese unaufdringlich-feine Spielweise des BMR ausgesprochen gut gefallen, und ich hoffe, dass Naim zügig mit weiteren Ovatoren nachlegt - natürlich mit BMR.
Ein besonderes Jubiläum gab es bei Marantz. Ken Ishiwata, der Marantz-Soundbotschafter, feierte 30 Jahre Firmenzugehörigkeit und zeigte am Fachbesuchertag "seine" Jubi-Geschenke. Den PM KI Pearl (Vollverstärker) und den SA KI Pearl (SACD-Player), beide je 2800 Euro, hatte der schon lange in Europa lebende Japaner nach bestem Wissen und Gewissen auf "KI" getrimmt. Die Klang-Demo, die der Meister persönlich vornahm, war schon ziemlich gut. Doch wer Ken Ishiwata kennt, weiß, dass von ihm getunte Komponenten unter perfekten Bedingungen noch viel mehr können. Meine These: Besonders der SACD-Player dürfte ein Hammer sein.
Das Schöne an Marantz-Pearl ist ja, dass es bezahlbare Träume sind. Und davon gab es auch auf dieser High End einiges. Am tiefsten beeindruckt hat mich dabei der Clearaudio Concept (Bild). Der hübsche Dreher mit Alu-Chassis und hochwertiger Tonarm/Abtaster-Bestückung soll komplett gerade einmal 1000 Euro kosten. Und das "made in Germany" - großartig. Gesetzt den Fall, er klingt auch noch gut (was man bei Clearaudio wohl voraussetzen darf), wird der Concept auch bei der iPod-Generation "Kult" und somit ein echter Erfolg werden.
Ebenfalls ein Schnäppchen aus dem Analogbereich ist die Jukebox von Pro-Ject. Dahinter verbirgt sich der Einsteigerplattenspieler Debüt mit eingebautem Vollverstärker - etliche Eingänge inklusive - für gerade einmal 700 Euro. Man muss nur noch Boxen anschließen, und fertig ist die komprimierte analoge Komplettanlage. Und auch das muss gesagt sein: Die dazu angebotenen Pro-Ject Regalboxen klangen überraschend gut...
Und nicht zu vergessen Thorens: Der neue Tri-Balance TD 309 bietet etliche sehr überzeugende Detaillösungen, die Thorens in Zusammenarbeit mit dem Essener Kompetenz-Zentrum, und hier vor allem mit dem Designer und Mechanik-Fuchs Helmut Thiele, erarbeitet hat. Trotz Subchassis und Super-Tonarm soll der schmucke Plattenspieler die Preisgrenze von 1250 Euro nicht überspringen. Wenn das klappt, ist auch hier der Erfolg vorprogrammiert. Denn von dem, was der Tri-Balance klanglich draufhat, konnte sich der High-End-Besucher bereits in der angeschlossenen Hör-Kabine ausgiebig überzeugen.
Auch der japanische Großhersteller Onkyo, der praktischerweise im nahe gelegenen Gröbenzell residiert und parallel zur High End zu einer Neuheiten-Show einlud, glänzte mit leckeren & günstigen Komponenten. Neben den Receivern der neuesten Generation, mit denen die Japaner gerade äußerst erfolgreich am Markt sind, erstaunten die AV-Profis auch mit höchst adretten Stereo-Kombinationen, die natürlich schleunigst in den stereoplay-Hörraum kommen.
Doch letztendlich ist die High End ja eine Show des Ultimativen: eine Messe für Komponenten, bei denen der Aufwand auf die Spitze getrieben wurde. Bei Blumenhofer gab es so etwas zu bestaunen: Die "Brutale" (Bild), ein Dreiwege-Hornsystem für knapp 100 000 Euro, das leider nur ausgestellt war. Die hätte ich mir leidenschaftlich gern einmal angehört.
Oder bei Ayon: Die Österreicher haben auch Hörner. Doch in diesem Jahr überstrahlte ein Plattenspieler den Rest des Programms: Der Lumen White "Mystere" ist ein Edel-Laufwerk, das aussieht wie ein großer Bruder des legendären Technics SP 10. Und tatsächlich ist auch der "Mystere" ein Direkttriebler. Allerdings schwebt sein Plattenteller auf einem Luftpolster... Innerhalb einer Kette ist der Klang von einer einzelnen Komponenten ja immer schwer einzuschätzen. Aber in diesem Fall unterschreibe ich die Meinung von Living-Audio-Vertriebschef Hirth: "Das Ding ist heiß."
Auf die Spitze getrieben hat es auch mal wieder Tuner-Papst Michael Swoboda. Der Mann, der unzählige Sony-Player auf echtes High End trimmte, hat jetzt - in Ermangelung brauchbarer Sony-Geräte - einen NAD-Player der Master-Serie hochgerüstet. Das Projekt klang schon von Beginn an fantastisch, hat am Ende aber mehr Zeit gefordert, als Swoboda dachte. Doch jetzt hat er den Deckel drauf - für mich einer der besten CD-Player überhaupt.
Und wieder sehr viel Gehirnschmalz ließ Audio-Physic-Entwickler Manfred Diestertich bei den neuen Cardeas für 18 000 Euro einfließen: Gänzlich neue Treiber, ein verrückter Weichentrick sowie zum Teil etwas esoterisch anmutende, eingebaute Tuning-Elemente von Creaktiv Systems ließen das neue Meisterwerk auf der Messe furios aufspielen: Basskraft, Schnelligkeit und hohe Auflösung war alles im Überfluss vorhanden. Auch auf dieses Prachtstück wartet schon das stereoplay-Prüflabor.
Richtig in die Vollen ging auch Isophon. Ihr neues, höchst aufwendiges Dreiwege-Flaggschiff Tofana kostet in der größten Ausbaustufe (aktiv, digital-entzerrt, Diamant-Hochtöner) knapp 50 000 Euro. Damit überschreiten die eher als sparsam bekannten Schwaben eine neue Schwelle. Dafür erreichen sie aber mit der Tofana auch klanglich neue Sphären. In der Vorführung jedenfalls, die fast durchweg vom HiFi-Urgestein Thomas Hintze gemacht wurde, klang es an den Western-Electric-Verstärkern sensationell offen, fein und natürlich. Und Isophon-Mastermind Dr. Roland Gauder, der mit stereoplays Referenz-Verstärkern Thorens TEM 3200 / TEP 3800 entwickelt, versprach, dass an dieser Elektronik noch einiges mehr geht... Schaun mer mal.
Und dann gab es noch diese Magico-Vorführung. Magico-Chef Alan Wolf brachte die große Schwester von stereoplays Lautsprecher-Referenz V 3 mit, die neue M 5 (Bild). Und das, obwohl der deutsche Magico-Vertrieb Audio Components offiziell gar nicht vertreten war. Gut, dass er es dennoch tat. Denn wer die ganze Schönheit von Klangfarben mal in aller Pracht genießen will, wer erfahren will, wie räumlich genau Lautsprecher heute abbilden, wie fein sie auflösen können, der sollte sich unbedingt mal so eine M 5 anhören. Für mich setzt dieser Lautsprecher zumindest im Mittelhochtonbereich neue Standards. Auch wenn M-5-Schöpfer Alon Wolf meinte, ich solle doch unbedingt seine "Ultimate" anhören, ein vollaktives Fünfwege-Hornsystem für knapp eine Million Dollar (!). Die wäre erst mal gut... Offensichtlich fallen in Zeiten, in denen der Staat Milliarden in "systemrelevante" Unternehmen steckt, auch im High End alle Schmerzgrenzen. Nun, ich bin erst einmal von der "nur" 99 000 Euro teuren M 5 begeistert. Für mich war sie der klangliche Höhepunkt der High End.
In den letzten Jahren veranstaltete stereoplay ja immer den HörParcours, um herauszubekommen, welches die Highlights der Messebesucher sind. Dieses Mal haben wir es bleiben lassen. Warum? Den Ausstellern war es zu mühevoll, die festgelegten HörParcours-Zeiten mit ihren eigenen Demos zu koordinieren. Nun ja. Das gab uns Gelegenheit, die Sache einfacher zu gestalten und - in Kooperation mit der High End Society - die Besucher über die Eintrittskarte abstimmen zu lassen. Das Ergebnis ist allerdings noch nicht ausgezählt und wird in wenigen Tagen nachgereicht. Was aber jetzt schon festzuhalten ist: Allen Unkenrufen und meinem eigenen Bauchgefühl zum Trotz entwickelte sich die High End 2009 zu einer der besten High Ends überhaupt. Paul Messenger, der wohl markanteste Vertreter des "good old british hifi" und ebenfalls High-End-Besucher, sagte Tage später zu mir: "Munich? I love it! Das ist mittlerweile die beste HiFi-Show der Welt." Diesen Worten des sympathischen Urgesteins hab ich nichts hinzuzufügen.



