China kommt mit neuer Wucht und neuen Marken
Die IFA 2024 hat Corona endgültig hinter sich gelassen und zu neuer Stärke zurück gefunden. Natürlich hatte Samsung wieder den größten Messestand mit eigener Halle. Aber dahinter konnte man eine ganze Reihe von chinesischen Marken sehen, die sich nicht mehr mit der zweiten oder dritten Reihe zufrieden geben. Sie haben gute Produkte und treten selbstbewusst auf und sie setzen die europäische Wirtschaft unter Druck.

Kennen Sie Laifen? Das chinesische Unternehmen wurde 2019 gegründet und produziert Haartrockner und elektrische Zahnbürsten. Mittlerweile ist man in mehr als 5 Millionen Haushalten vertreten - und zwar nicht mit Billigware, sondern mit hochwertigen Produkten. Auf der IFA hatte man in Halle 9 einen...
Kennen Sie Laifen? Das chinesische Unternehmen wurde 2019 gegründet und produziert Haartrockner und elektrische Zahnbürsten. Mittlerweile ist man in mehr als 5 Millionen Haushalten vertreten - und zwar nicht mit Billigware, sondern mit hochwertigen Produkten. Auf der IFA hatte man in Halle 9 einen ziemlich großen Stand und präsentierte dort sein neuestes Spitzenprodukt, die Laifen Wave Titanium, die weltweit erste elektrische Zahnbürste mit Titanelementen.
Ein paar Meter weiter zeigte Dreo neue Wasserkocher, Heizlüfter und Ventilatoren, die meisten davon smart und mit App-Anbindung. Dreo bezeichnet sich selbst als "Home Tech Pioneer", in den USA ist man Marktführer bei Ventilatoren. Die Produkte sind nicht Hightech, aber gut und wertig mit einem attraktiven Preis-Leistungsverhältnis. Dreo gehört zu Hesung Innovation mit Sitz in Shenzhen, die Firma wurde 2020 gegründet.
Dreo und Laifen haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen mit ihren Produkten in Deutschland und in Europa Fuß fassen.

Szenenwechsel in Halle 17, zu einem Unternehmen, das längshier angekommen ist. DJI ist seit seiner Gründung 2006 zum unangefochtenen Weltmarktführer bei Drohnen aufgestiegen. Auf der IFA hatte man nicht nur neue Modelle im Gepäck, sondern auch das Amflow PL, ein sehr leichtes und smartes e-Mountainbike mit dem "Avinox Drive System", einem Antriebssystem für E-Bikes, in das DJI sein Know-How bei Elektromotoren und Akkutechnologie hat einfließen lassen. Das Resultat ist ziemlich beeindruckend, das sagt nicht nur der Hersteller selbst, das sagen auch Experten, mit denen man auf der IFA spricht. DJI wird Avinox als Plattform für andere Firmen anbieten - ein eBike-Ausrüster wie Bosch bekommt hier starke Konkurrenz.
Die Keynote am letzten Donnerstag gehörte wie im letzten Jahr Honor-Chef George Zhao, der das neue Flaggschiff Magic V3 für den europäischen Markt vorstellte. Es ist vollgepackt mit Hightech und dabei viel dünner als ein Samsung Galaxy Fold 6. Der Unterschied ist ziemlich dick im wahrsten Wortsinne und Samsung, Weltmarktführer bei Smartphones und auch bei Foldables, sieht im Vergleich nicht wie ein Unternehmen aus, das den Ton angibt, sondern wie ein Unternehmen, das dabei ist, den Anschluss zu verpassen.

Auf Messen wie der IFA lässt sich der Erfolg immer auch an der Standgröße ablesen. Das US-chinesische Unternehmen Anker (mit Headquarter in Shenzhen) hat sich diesbezüglich locker verdoppelt, unter anderem die 2024 vorgestellte Solarbank 2 ist ein großer Erfolg. Der Batterie und Solarspezialist Zendure (ebenfalls US-chinesisch) profitiert ebenfalls von dem Balkonkraftwerk-Boom und erklärt, auf den Erfolg von Anker angesprochen, mit dem Zendure Hyper die bessere Lösung zu haben. Bei der Solar- und Batterietechnik bleiben also Chinesen unter sich, zwei Zukunftsbereiche, wo der Zug für Europa zumindest im Moment abgefahren ist.
Besuch bei Xiaomi, die zwar nicht mit einem Stand auf der IFA vertreten waren, aber trotzdem Journalisten zu Gesprächen geladen hatten. Dabei ging es ungezwungen und sehr entspannt zu, was kein Wunder ist, der chinesische IT-Riese eilt gerade von Umsatzrekord zu Umsatzrekord. In Deutschland ist man bei Smartphones stabil auf dem dritten Platz und in China kommt man mit der Produktion des E-Autos SU7 nicht hinterher, um die Nachfrage zu bedienen. Während in Deutschland über Werksschließungen bei VW diskutiert wird, zieht Xiaomi in Peking gerade eine zweite Autofabrik hoch - und wenn die 2025/26 fertig ist, dann könnte der SU7 auch nach Europa kommen.
Das hängt allerdings stark von der politischen Großwetterlage ab. Gerade erst hat die EU Zölle auf E-Autos aus China eingeführt, mit 17 bis 40 Prozent allerdings in einer moderaten Höhe, viel niedriger als die Amerikaner mit ihren 100 Prozent.
In einem Interview mit der FAZ warnt der Ökonom Sander Todoir, vor einem "China-Schock", der Europas Kernindustrie zerstören könnte (zum FAZ-Artikel). Seine These: Chinesische Subventionen schaffen Überkapazitäten im Heimatmarkt, die nur durch Exporte ausgeglichen werden können. Auf der IFA 2024 ließ sich diese These mit praktischen Beispielen unterfüttern, man konnte aber auch einen Aspekt beobachten, der bei Todoir zu kurz kommt: Chinesische Unternehmen sind auch so aggressiv, weil sie innovative Produkte haben, die von jungen, hungrigen Mitarbeitern entwickelt werden. Und die chinesischen Unternehmen wissen mittlerweile, was sie können. Vorbei sind die Zeiten, als man sich nur mit Whitelabel-Lösungen hierher getraut hat. Man will die eigene Marke etablieren, auch weil man kommt, um zu bleiben.
Ob das gelingt, weiß allerdings niemand, weil hier die politischen Entwicklungen eine entscheidende Rolle spielen. Todoir warnt, dass Europa und vor allem Deutschland mit seinem proportional starken verarbeitenden Gewerbe seine industrielle Basis verlieren könnte. Aber was tun? Den amerikanischen Weg mit Zollschranken und Verboten hält er für den falschen. Aber wenn die Entwicklung der letzten Jahre etwas gezeigt hat, dann doch, dass dieser Weg eine effektive Wirkung gezeigt hat. Huawei wurde auf dem Durchmarsch zum Smartphone-Weltmarktführer gestoppt und die Chipindustrie ist einer der wenigen Bereiche, wo chinesische Unternehmen nicht führend sind. Die Europäische Union schreibt sich eine liberale Wirtschaftspolitik auf die Fahne - und scheint dabei vergessen zu haben, dass die großen Leitplanken der Wirtschaft immer von der Politik gezogen werden. Taiwans Status als Herz der weltweiten Chipindustrie ist ist das Ergebnis einer klugen, jahrzehntelangen Förderpolitik und die "Bidenomics" fußen auf massiven Subventionen und Zöllen. Wenn alle anderen ihre Wirtschaft schützen, dann bleibt Europa am Ende keine andere Wahl, als es auch zu tun.