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Motorklang

Sound-Design bei Porsche

Sound-Design hat bei Porsche eine besonders lange Tradition, denn der luftgekühlte Elfer brauchte etwas Nachhilfe, um den richtigen Ton zu treffen. Heute profitiert Porsche von diesen Erfahrungen und kann seinen Produkten den letzten akustischen Feinschliff verpassen.

Autor: Stefan Schickedanz • 18.1.2011 • ca. 4:20 Min

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© Archiv

Von Nahrungsmitteln, die etwas auf sich halten, kennt man den Aufdruck: "Frei von künstlichen Geschmacksverstärkern". Dieser freiwilligen Richtlinie hat sich auch Porsche unterworfen, wenn es ums Sound-Design des Motorklangs geht. "Unser Sound ist ehrlich, wir betonen nur, was wirklich da ist", er...

Von Nahrungsmitteln, die etwas auf sich halten, kennt man den Aufdruck: "Frei von künstlichen Geschmacksverstärkern". Dieser freiwilligen Richtlinie hat sich auch Porsche unterworfen, wenn es ums Sound-Design des Motorklangs geht. "Unser Sound ist ehrlich, wir betonen nur, was wirklich da ist", erläutert Dr. Bernhard Pfäfflin, der Leiter der Abteilung Akustik und Schwingungstechnik im Porsche-Entwicklungszentrum Weissach. Die Nobelmarke aus Stuttgart-Zuffenhausen ist bekannt für emotional ansprechende Automobile und begann deshalb schon sehr früh, den Klang aktiv zu beeinflussen.

Bereits zu einer Zeit, als die Stimme der Autos noch den Regeln des Maschinenbaus folgte und nicht - wie heute allgemein üblich - von Sound-Designern gestaltet wurde, manipulierte Porsche den Klang seines Dauerbrenners 911. Dr. Pfäfflin erinnert sich: "Die Lichtmaschine und das Lüfterrad des luftgekühlten Triebwerks erzeugten ein kreischendes Geräusch." Die Ingenieure mussten einen Weg finden, diese ungewollten Lebensäußerungen des Aggregats zu dämpfen und gleichzeitig das angenehm sportliche Verbrennungsgeräusch des Sechzylinder-Boxermotors zu betonen. Die Operation gelang und bescherte Porsche wichtige Erfahrungen in einem Bereich, der mittlerweile aus der Forschung nicht mehr wegzudenken wäre.

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Computertechnik hilft, die Schallabstrahlung in verschiedenen Tonlagen rund um den Motorblock zu visualisieren.
© Archiv

Vorgänger als Klangreferenz

Heute verwendet Porsche, soweit vorhanden, das Vorgängermodell einer neuen Baureihe als Klangreferenz. Von dieser Basis ausgehend, werden Veränderungen in eine bestimmte Richtung vorangetrieben. Der typische Markenklang lässt sich zum Teil sogar messen, obwohl hier verschiedene Antriebskonzepte unter einem Dach existieren. Vom V6 über den V8 bis zum inzwischen wassergekühlten und auf vier Ventile aufgerüsteten Boxermotor des Klassikers 911 bleibt eine gemeinsame Verbindung. In den dreidimensionalen Farbdiagrammen fällt gegenüber Messungen anderer Marken eine äußerst breite Verteilung der Motorgeräusche über das gesamte Frequenzspektrum auf.

Fahrbericht: Porsche Cayman S

Gewöhnlich dominieren die aus dem Rhythmus der Verbrennung resultierenden Grundordnungen, die Rückschlüsse zulassen, ob es sich um einen Vier-, Sechs- oder Achtzylinder-Motor handelt. In den Diagrammen des Porsche Panamera und des 911ers füllten die Sound-Designer das Spektrum noch mit Zwischenordnungen auf. So bekommt etwa der Sechszylinder des 911ers, der mit drei Zündvorgängen pro Kurbelwellenumdrehung naturgemäß eine starke dritte Ordnung bei den Oberwellen aufweist, unter anderem noch eine zweite Ordnung untergemischt. Durch das Hervorheben von höheren Ordnungen und Zwischenordnungen entsteht der Eindruck besonderer Drehfreude.

Panamera auf dem Prüfstand
Im Schalltoten Raum erhalten Porsche-Motoren auf dem Rollenprüfstand ihren akustischen Feinschliff.
© Porsche

Langweiler unerwünscht

Ein Motor, der alle Ordnungen bedient, wirkt dagegen langweilig. HiFi-Fans kennen so etwas von der Abstimmung des Klirrspektrums bei Verstärkern. In diesen Kreisen werden etwa geradzahlige Oberwellenanteile, wie sie meist bei Röhrenverstärkern vorkommen, als angenehm empfunden. In der Autowelt gelten im Wesentlichen zwei Regeln: Luxus-Limousinen wie der Panamera wirken durch Betonung tieffrequenter Anteile besonders souverän und durchzugsstark. Sportwagen wie der 911 erscheinen durch dominante Hochfrequenzanteile im Klangspektrum besonders sportlich und drehfreudig.

Um diese Ziele ohne künstliche Zusätze zu erreichen, folgen bei Porsche wichtige Bauteile des Antriebs wie Kurbelgehäuse, Zylinderkopf oder Getriebegehäuse akustischen Gesichtspunkten. Die sehr ins Detail gehende Arbeit der Sound-Designer im schwäbischen Weissach lässt sich prinzipiell in drei Bereiche gliedern: Motormechanik, Ansaugtrakt und Abgasmündung. Materialstärken oder Versteifungen wirken sich ebenso aus wie Membranen in den Luftfiltergehäusen, die allerdings zu den Fahrern hin ausgerichtet sein müssen, um ihre belebende Wirkung zu entfalten.

Fahrbericht: Porsche Boxster S

Die Lastdynamik ist besonders wichtig für das prickelnde Gefühl, einen Porsche zu fahren. Sprich: Beim Lastwechsel erwartet der Pilot ein Feedback. Wenn der Porsche schnell beschleunigt, soll man es auch hören. Verzahnungsgeräusche aus dem Getriebe allerdings gelten als unerwünscht. An der Rückmeldung haben auch die elastischen Motor- und Getriebelager ihren Anteil. Dabei gilt es, Zielkonflikte zu lösen. Dr. Pfäfflin nennt ein Beispiel: "Wenn wir mit den Lagerungen fertig sind, kommen die Kollegen von der Fahrdynamik und sagen, der Wagen soll auch schnell um die Ecken fahren. Die hätten am liebsten Alu-Lager."

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Beim Sechszylinder des Porsche 911 dominieren Oberwellen der dritten Ordnung.
© Porsche

Sound-Design bei Elektromotoren

Neue Bedeutung bekommt das Gebiet von Dr. Pfäfflin durch die bevorstehende Elektrifizierung des Antriebs. Ein heikles Thema, wie der oberste Akustiker von Porsche sagt. Darstellbar wäre alles, sowohl innen wie außen. Doch wo der Trend hingeht, vermag auch er im Moment noch nicht zu sagen: "Wir könnten ein Auto klingen lassen wie das Raumschiff Enterprise. Die Frage ist aber: Was möchte man als Fahrer? Was möchte man als Passant?"

Nur eines ist sicher: "Zukünftige Porsches werden emotionale Autos bleiben." Die Richtung müsse sich allerdings noch herauskristallisieren, die Wahrnehmung in der Bevölkerung werde sich weiterentwickeln. Auch die unterschiedlichen Märkte üben ihren Einfluss aus. Bernhard Pfäfflin zu diesem äußerst prekären Themenkomplex: "In Japan geht der Trend momentan dahin, dass die Elektroautos piepsen wie Busse beim Rückwärtsfahren. In Europa wäre das unverkäuflich."

Hersteller: Sportwagenlegende Porsche

Sicher ist sich der Akustik-Chef in einem Punkt: "Es wird beim Elektroauto kein Geräusch wie bei einem Verbrennungsmotor geben. Mal sehen." Zumindest für Porsche käme so etwas nicht infrage, denn die sportlichen Autos aus Zuffenhausen sollen auch in Zukunft authentisch bleiben. Pfäfflin gibt allerdings zu bedenken: "Die Raumschiffe in Science-Fiction-Filmen fliegen nur kurz durchs Bild. Aber bei einer Stunde hinterm Steuer oder mit 50 dieser Autos an einer Kreuzung hört sich das schon anders an."

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Beim Achtzylinder des Porsche Panamera behalten Oberwellen der 4. Ordnung die Oberhand. Außerdem ist das Geräusch an der Auspuffmündung deutlich leiser als beim sportlichen Carrera GT3.
© Porsche

Auch die Blindenverbände haben sich bereits zu Wort gemeldet: "Ein Rauschen wie beim Raumschiff ist nicht zu orten. Kommt das Auto auf mich zu oder fährt es von mir weg? Beschleunigt es womöglich noch?" Weil aber gleichzeitig das Abrollgeräusch der Reifen zwischen 30 und 50 km/h heute schon die einzige Dominante darstellt, geht der Akustiker davon aus, dass synthetische Sounds eher im unteren Tempobereich bis 20 oder 30 km/h eingesetzt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sind die Sound-Designer keinesfalls auf die Auto-HiFi-Anlage angewiesen - nicht einmal, was die Rückmeldung an den Fahrer betrifft. Lautsprecherantriebe, die ohne Membran mit Magnet und Schwingspule direkt Karosserieteile anregen, gelten als wahrscheinlichste Lösung. Doch bevor diese Zukunftsmusik Realität wird, verspricht Pfäfflin allen Porsche-Fans noch einen Remix klassischer Klänge: "Wir haben da etwas Neues in der Pipeline, das bald in Serie geht, um den Verbrennungsmotor noch besser in Szene zu setzen."