Stereo-Komplettanlage

Linn Klimax Exakt System im Test

11.12.2013 von Bernhard Rietschel

Netzwerk- und immer raffiniertere Aktivtechnik haben der High Fidelity in den letzten Jahren die entscheidenden Impulse gegeben. Linn lässt im EXAKT-System diese beiden Kräfte erstmals zusammenwirken. Mit einem Ergebnis, das viel größer ist als die Summe der Einzelteile: Es könnte der Beginn einer neuen HiFi-Ära sein.

ca. 6:15 Min
Testbericht
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Linn Klimax Exakt System
Linn Klimax Exakt System
© Linn

Pro

  • einzigartige Kombination aus lockerem Klang und extremer Genauigkeit

Contra

  • keine Kopfhörer oder KH-Verstärker anschließbar

Als der Autor dieser Zeilen zuletzt in Glasgow zu Besuch bei Linn war, verbrachte er viel Zeit in Diskussionen mit den Entwicklern, mit Firmenchef Gilad Tiefenbrun und dessen technical director Keith Robertson. Wir hatten in AUDIO gerade das Komplettsystem Kiko DSM getestet, das einen guten Eindruck, vor allem aber einige hochinteressante Fragen hinterließ. Kiko war schließlich das erste Linn-System, das die leistungsfähige DS-Netzwerkplayer- Plattform der Schotten mit einer digitalen Frequenzweiche verband - sowas könnte man doch auch für die anderen, größeren Linn-Boxen?

Irgendwie schien die Unterhaltung an diesem Punkt dann immer die Richtung zu ändern, die Linn-Leute plötzlich seltsam von Wetter, Whisky, der Wichtigkeit offener Standards und auch sonst von allem Möglichen fasziniert. Und jetzt wissen wir auch, warum.

Bumm! Natürlich gab es damals bereits eine Antwort auf diese Frage. Man wollte sie nur noch nicht verraten. Jetzt steht sie im AUDIO-Hörraum, die Antwort. Sie heißt EXAKT und ist wesentlich komplexer, konsequenter und fundamentaler ausgefallen als die naheliegende Ursprungs-Idee, es mal mit digitalen Aktivweichen für Linn-Lautsprecher zu versuchen. "The source is in the speaker" heißt das neue Mantra. Wir haben hier keine neue Aktivbox, sondern ein komplett neues Wiedergabeprinzip und in dieser ersten Inkarnation zugleich das aufwendigste System, das Linn je gebaut hat. Baldiges Heruntertröpfeln in niedrigere Preisklassen natürlich nicht ausgeschlossen - weshalb auch Leute, die aktuell nicht den Gegenwert eines Oberklasse-Autos auf der hohen Kante haben, hoffnungsfroh weiterlesen dürfen. Bei jener "Quelle im Lautsprecher", die das Motto andeutet, denkt man unwillkürlich an Netzwerk- Lautsprecher wie den genialen Sonos Play 1 von Seite 48. In Wirklichkeit hat der Linn-Ansatz mehr mit dem einer Grimm LS-1 gemeinsam, beherrscht aber anders als diese wirklich den gesamten Signalweg vom digitalen Musikfile (da Linn auch ein Musiklabel ist, sogar von dessen Entstehung) bis zur Lautsprechermembran.

Klimax Exakt DSM

Um bei EXAKT die source im speaker zu erkennen, muss man etwas abstrahieren. Denn der eigentliche Player - der HiFi-umgangssprachlich als Quelle gilt - ist nach wie vor ein separates Gerät im teuren, aus dem Vollen gefrästen Alugehäuse und heißt Klimax Exakt DSM. Dieser Player enthält das ausgereifte, von Linn komplett selbst entwickelte DS-Engine, das Musikfiles aus dem Netzwerk streamen, via Airplay empfangen oder als virtuelle Soundkarte am PC abzweigen kann, und er enthält diverse zusätzliche Digital- und Analogeingänge. Nur analoge Ausgänge hat er nicht. Braucht er auch nicht, denn seine einzige Funktion ist es, das Exakt Engine in den Boxen über eine - genau! - Exakt Link genannte Schnittstelle mit den zuvor eingesammelten und decodierten Musikdaten zu versorgen.

Die schicken Namen verbergen hier kein stinknormales Digitalkabel, das teuer verkauft werden soll, sondern eine neue Schnittstelle, deren Genauigkeit bisherigen Lösungen um Zehnerpotenzen überlegen ist - und die dabei mit x-beliebigen CAT5-Kabeln zurechtkommt. So gelingt die Synchronisierung zwischen linkem und rechtem Kanal laut Keith Robertson derart präzise, dass der verbleibende Timingfehler einem Verschieben der Box um einen Mikrometer (!) entspräche. Auch der Jitter am DAC, also da, wo er wirklich relevant ist, soll nochmal eine Zehnerpotenz unter dem Wert liegen, den bisherige DS-Player an dieser Stelle aufwiesen. Der DAC ist dann auch jener neuralgische Punkt, den Keith Robertson als source interpretiert. Die Quelle ist für ihn jener Punkt im Signalweg, an dem die ersten Verluste auftreten können. Im Exakt-System hat Linn diesen Punkt so weit zum Ende der Kette geschoben wie möglich - in die Boxen. Danach kommen nur noch die Endstufen und Lautsprecher-Chassis.

Davor geschieht alles in der digitalen Domäne, mit riesiger Auflösung und damit verlustfrei. Und "alles" bedeutet diesmal sehr viel: Zunächst mal natürlich die Aufteilung des Signals in die einzelnen Frequenzbereiche der Fünfwege-Box, einer weiterentwickelten Version des bisherigen Spitzenmodells Klimax 350A. In die Berechnung dieser Filter fließen nun aber keine Standardwerte ein, von denen die Eigenschaften der tatsächlich verbauten Chassis stets mehr oder weniger abweichen, sondern individuelle Messungen jedes einzelnen der insgesamt sechs Chassis. Die Koeffizienten in der Exakt-Weiche sind also eine Maßanfertigung für genau die eine zugehörige Box. Im unwahrscheinlichen Fall eines Chassis-Tauschs werden die Parameter des Ersatzteils per Software-Upgrade der Box mitgeteilt.

Neben behutsamen Frequenzgangkorrekturen (die Box spielt von sich aus schon sehr linear) findet in der Weiche auch eine Phasenoptimierung statt, die bewirkt (was das Messlabor auch bestätigte), dass Impulse trotz der großen Chassis-Ansammlung mit perfektem Zeitverhalten wiedergegeben werden.

Raumanpassung

Fehlt als letzter Schritt noch eine raffinierte, in der Ausführung sehr unkonventionelle Raumanpassung der Boxen. Deren Aufstellung soll zunächst nach der bewährten TuneDem-Methode und ohne Berücksichtigung etwaiger Einrichtungs- Bedenken optimiert werden. Im nächsten Schritt gibt man dann im Konfig-Menü die genauen Raumdimensionen und den zuvor gefundenen Aufstellort ein - Konfig berechnet daraus dann eine Korrektur etwaiger Bassresonanzen.

Das Setup bietet noch weitere Optionen, und nimmt man die stürmische Entwicklung des DS-Plattform zum Maßstab, dürfte sich ihre Zahl, Raffinesse und Treffsicherheit mit jeder Software-Generation vergrößern. Wir haben hier also einen flexibel anpassbaren, Update-fähigen Lautsprecher, in dem die D/-A-Wandlung an der idealen Stelle, nämlich nach der gesamten Signalbearbeitung und Lautstärkeregelung erfolgt und dessen maßgeschneiderter Zuspieler (siehe links) mit bislang nicht dagewesenem Aufwand sicherstellt, dass die Musikdaten intakt und in perfektem Takt eintreffen. Womit vergleicht man so etwas? Am ehesten mit der schon erwähnten, unglaublich guten und dafür gar nicht so teuren - eher Golf- als S-Klasse - Grimm LS-1, die im Nahfeld deutlich monitorhafter und direkter spielte, mit zunnehmender Hördistanz aber im gleichen Maß an Überzeugungskraft einbüßte, wie die Exakt an Selbstverständlichkeit und Eleganz gewann.

Hörtest

Die schwere Linn ist ein Lautsprecher für große Räume, in denen sich dieser Abstand auch herstellen lässt und die der enormen Bass-Bandbreite gewachsen sind. Einen Lautsprecher, der bis 22 Hertz linear (und laut!) spielen kann, sollte - Einmessen hin oder her - ein gewisses Luftvolumen um sich haben. Einmal an den AUDIO-Hörraum angepasst, spielte die Klimax Exakt mit ihren geschlossenen Aktiv-Bässen enorm wuchtig, dabei zugleich absolut präzise. Es schloss sich ein herrlich voller, facettenreicher Grundton an, der aus isolierten Stimmen wahrhaftige Sänger oder Sängerinnen formte und Musik jeglicher Herkunft tiefe emotionale Wurzeln gab. "Jeglicher Art" ist dabei ein weiteres Schlüsselwort: Während hochauflösende Boxen mitunter die Auswahl an wirklich genießbaren Platten einengen, arbeitet die Linn trotz höchster Präzision in die Gegenrichtung - selten habe ich so viele Platten, von gefeierten audiophilen Aufnahmen bis hin zu obskureren Indie- Gewächsen, spontan und ohne verkrampfte Vorauswahl in die Playlist des Spielers laden können. Die Linn liebt nicht nur die oberflächlichen Schönlinge, sondern hat geradezu ein Faible für die Authentischen, Schrulligen mit all ihren Ecken und Kanten.

Die Klimax Exakt bleibt stets eine Fußbreit auf der warmen Seite, weil sie es sich leisten kann: Ihre direkt mit den Endstufen gekoppelten Chassis, die verlustfreien Signalwege und die präzise Abstimmung jedes Einzelexemplars erzeugen lassen sie unglaublich locker und selbstverständlich spielen, dabei aber zugleich auch noch die feinste Dynamik- Regung und das winzigste Detail respektieren - in der Tat eine neue Entspanntheit, eine sanfte Revolution.

Fazit

Man neigt dazu, das Exakt-System einfach als besonders gute Aktivbox zu betrachten. Dabei übersieht man, dass die hier gebotene Qualität nur durch die enge Zusammenarbeit zwischen Lautsprecherexperten, Streamingspezialisten und Digital-Koryphäen möglich ist. Digital entzerrte Lautsprecher gibt es viele, und viele davon klingen enttäuschend. Was Linn den Durchbruch bringt, ist das durchdachte Gesamtkonzept und die Kompetenz in allen drei Feldern.

 

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