Mobilfunk-Netztest 2014/2015
Netztest Schweiz: Die Handy-Netze im Vergleich
Kein Mobilfunkanbieter konnte den Netztest so oft hintereinander gewinnen, wie die auch in Sachen der Kundenzahl vorn liegende Swisscom. Geht die Erfolgsstory 2014 weiter?

Die renommierte Neue Zürcher Zeitung hat die Swisscom kürzlich in ihrer Online-Ausgabe als "Sonnenkönig" bezeichnet. Das bezog sich nicht nur auf den im ersten Halbjahr 2014 größten Anteil an Laufzeitverträgen von 63,8 Prozent, auch bei den Neuverträgen konnte der Schweizer Primus über die Hälfte für sich gewinnen. Die beiden anderen Anbieter, Sunrise mit 19,1 Prozent Postpaid-Anteil und Orange mit 17,1 Prozent, liegen hingegen annähernd gleichauf.
Interessant: Während etwa die Datentarife in Deutschland ab einer vom Preis abhängigen Transfer-Obergrenze in der Geschwindigkeit stark limitiert werden, wählt die Swisscom einen anderen Weg. Hier ist bei den sogenannten Infinity-Tarifen nicht mehr das maximale Transfer-Volumen vom Preis abhängig, sondern nur noch die maximale Übertragungsrate, und selbst die ist in der höchsten Tarifklasse unbegrenzt.
Damit muss sich die Kundschaft keine Datendisziplin mehr auferlegen, was den Traffic im ohnehin durch die hohe Kundenzahl belasteten Netz weiter erhöht. Die Preissicherheit unbegrenzter Datennutzung scheint viele Schweizer anzusprechen, seit einiger Zeit hat auch Orange ein unlimitiertes Datenpaket im Angebot.
Telefonieren
Doch vor dem mobilen Internet stand die Telefonie auf dem Prüfstand. Hier zeigten die drei Netzbetreiber mit Erfolgsraten um 99 Prozent eine Top-Performance, wobei Sunrise um einen Hauch die Nase vorn hatte. Bei der Sprachqualität liegen Swisscom und Sunrise gleichauf, während Orange bei immer noch sehr hohem Niveau anderthalb Zehntel auf der von 1 bis 5 reichenden MOS-Skala verliert. Bei der Rufaufbauzeit kann Sunrise dann mit 4,4 bis 4,5 Sekunden einen Spitzenwert für sich verbuchen: So schnell sind Anrufe noch nie in einem Netz mit hohem LTE-Anteil durchgestellt worden.

Auf den Transferstraßen geht die Zuverlässigkeit der Telefonie naturgemäß zurück. Bemerkenswert ist das gleichmäßig hohe Niveau. Das erklärt sich auch dadurch, dass Orange sich gegenüber Vorjahr um satte 6,5 Prozent gesteigert hat. Noch bemerkenswerter ist die Qualität der in der Bahn geführten Gespräche. Klar gibt es selbst im Land der Bahnfahrer noch einen deutlichen Abfall gegenüber den Transferstraßen der Schweiz.
Doch nur der beste Nichtschweizer, A1 Telekom Austria, kann in dieser Disziplin mit dem drittplatzierten Schweizer Sunrise mithalten. Orange setzt sich beim Telefonieren in Zügen an die Spitze, Swisscom hält knapp dahinter die Mitbewerber im DACH-Vergleich auf Distanz. Das Kopf-an-Kopf-Rennen in der Telefonie kann Sunrise dank der kürzesten Rufaufbauzeiten unterm Strich für sich entscheiden.
Daten in Städten
In den Schweizer Städten ist die Nutzung des mobilen Internets ein Traum. Die indoor wie outdoor gemessenen Erfolgsraten liegen bei allen Betreibern meist zwischen 99 und 100 Prozent. Dabei dauert das Aufrufen der meistbesuchten Webseiten unabhängig von Netzbetreiber und Groß- oder Kleinstadt nicht mehr als drei Sekunden.

Die Swisscom hebt das generell sehr hohe Niveau noch einmal. Mittlere Download-Raten von 35 Mbit/s und Uploads von 27 Mbit/s sind beeindruckend. Gegenüber Vorjahr haben sich bei allen Netzbetreibern die mittleren Downloadraten um mehr als 50 Prozent erhöht - die Schweizer tun was. Bei so hohen Transferraten wundert es nicht, dass auch Youtube fast fehlerfrei läuft, einzig Sunrise machen HD-Videos in Kleinstädten etwas mehr Probleme.
Daten beim Transfer
Auf den Transferstraßen verliert das hohe Zuverlässigkeitsniveau bei Swisscom und Sunrise nur im unteren Prozentbereich, lediglich beim kritischen Youtube-HD-Abruf wird es etwas mehr. Orange fällt auf sehr gutem Niveau leicht zurück. Die Swisscom kann einmal mehr die höchsten Durchschnittsdatenraten für sich proklamieren. In der Bahn bricht die Performance ein wenig mehr ein. Doch erneut gilt, dass die Nummer 3 der Schweiz mit der Nummer 1 aus Österreich fast gleichauf liegt, von Deutschland nicht zu reden.

Platz 1: Swisscom
Fast wäre es ein Durchmarsch in allen Kategorien geworden: Bei der Telefonie liefert die Swisscom Zuverlässigkeit und Sprachqualität auf höchstem Niveau. Nur der Rufaufbau bietet Mitbewerbern Angriffsfläche. Die Datendienste meistert der Testsieger mit über 60 Prozent Marktanteil in einem sogenannten Shared Medium mit Bravour, auf höchstem Niveau liegt auch die Versorgung des ländlichen Raums. Damit ist die Swisscom der beste Netzbetreiber in der Schweiz - und im ganzen DACH-Gebiet. Gratulation!
Platz 2: Sunrise
Bei der Telefonie liefert sich Sunrise in den Kategorien "Zuverlässigkeit" und "Sprachqualität" ein hochklassiges Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Swisscom und Orange, das sie in den Großstädten knapp gewinnt und auf Transferstrecken knapp verliert: Mit den bei Weitem geringsten Rufaufbauzeiten liegt sie hier am Ende auf Platz 1, auch im prestigeträchtigen DACH-Vergleich. Da Sunrise auch bei Daten ein nahezu durchgehend sehr hohes Stabilitäts- und Geschwindigkeitsniveau bietet, heißt das Gesamturteil "sehr gut".
Platz 3: Orange
Der uhrwerkartigen Präzision, mit der die Netztest-Telefonate absolviert wurden, steht Orange Sunrise und Swisscom nicht nach - auch die Sprachqualität reicht an die Mitbewerber heran. Bei den Bahnmessungen erreicht der kleinste Netzbetreiber der Schweiz sogar die Top-Platzierung für Telefonie. Das gilt mit hauchdünnem Vorsprung vor Swisscom auch für Datendienste im Zug. Trotz minimaler Schwächen während der Tansfers beim Upload und bei Youtube in HD unterstützt Orange Datendienste auf sehr hohem Niveau.
Fazit: Alle Netzbetreiber sind sehr gut
Wir halten fest: In der Schweiz stehen der Kundschaft sowohl bei Sprache als auch bei Daten ausschließlich sehr gute Netzbetreiber zur Auswahl - das ist im Hinblick auf die Ergebnisse des Netztests in Deutschland beneidenswert. Doch wer, frei nach Oscar Wilde, nur mit dem Besten zufrieden ist, der landet bei der Swisscom. Denn durch den sehr guten Ausbau des ländlichen Raums erspielt sich der Platzhirsch den Vorteil, der ihm den Testsieg im Schweizer Kräftemessen bringt. Und nicht nur dort: Die Swisscom steigt auch im Dreiländervergleich ganz nach oben aufs Treppchen und übertrumpft A1 Telekom Austria zum ersten Mal in der siebenjährigen Geschichte des connect-DACH-Netztests. Die Schweizer hängen die Deutschen sowieso ab - mit deutlichem Abstand.
Den kompletten Netztest lesen Sie in der connect-Ausgabe 1/2015. Das Heft liegt ab 5. Dezember am Kiosk, ist als Einzelheft oder als digitale Ausgabe für iPad und Android bestellbar.