Interview Jan Oetjen, CEO von GMX und Web.de
- Neuer Service: Info über Briefzustellung per E-Mail
- Interview Jan Oetjen, CEO von GMX und Web.de
Sie haben letztes Jahr 35-jähriges Jubiläum der E-Mail gefeiert. Wie zufrieden sind Sie mit den Nutzungszahlen?Die E-Mail ist gefragter denn je. Das hat sich gerade wieder in der Corona-Krise gezeigt. In der Spitze konnten wir einen Anstieg der täglichen Logins von rund 40 Prozent registrieren....

Sie haben letztes Jahr 35-jähriges Jubiläum der E-Mail gefeiert. Wie zufrieden sind Sie mit den Nutzungszahlen?
Die E-Mail ist gefragter denn je. Das hat sich gerade wieder in der Corona-Krise gezeigt. In der Spitze konnten wir einen Anstieg der täglichen Logins von rund 40 Prozent registrieren. E-Mail ist nach wie vor ein Teil des Rückgrats des Internet. Zum einen kommt kaum ein Dienst noch ohne Login aus und greift hierbei in der Regel auf die E-Mail-Adresse als Nutzernamen zurück. Die anschließende Kommunikation mit dem Dienst läuft dann gleich über dieselbe E-Mail-Adresse. Ein weiterer Grund für die steigende E-Mail-Nutzung sind der E-Commerce und sonstige Transaktionsgeschäfte im Internet. So gut wie jede Transaktion generiert eine oder mehrere E-Mails. Hinzu kommen die wachsenden Benachrichtigungen von sozialen Netzwerken. Die E-Mail ist damit zu einer der wesentlichen Schnittstellen zwischen digitalen Services und dem Nutzer geworden. Großes Zukunftspotenzial liegt auch in der Digitalisierung der Briefpost, die wir gerade mit der Deutschen Post gestartet haben.
Das Smartphone ist überall auf dem Vormarsch. Nutzen Ihre Kunden die E-Mail-Konten verstärkt mobil?
Die meisten Kunden nutzen sowohl das Smartphone wie auch den PC zum Lesen und Schreiben von E-Mail, wobei der mobile Anteil natürlich sehr stark zugenommen hat. Durch die schnelle Verfügbarkeit auf dem Handy sehen wir hierdurch einen deutlichen Anstieg der Nutzeraktivität bei E-Mail. Unser Ziel ist es, den Wechsel zwischen den Geräten so nahtlos wie möglich zu gestalten. Dazu entwickeln wir unsere kostenlosen Mail-Apps für Android und iOS ständig weiter, damit der komplette Funktionsumfang des E-Mail-Kontos mit Features wie Verschlüsselung, Zwei-Faktor-Authentifizierung, Cloud-Speicher oder Intelligentem Postfach dem Nutzer überall zur Verfügung steht.
Beim Versenden von privaten Daten via E-Mail spielt die Sicherheit eine wesentliche Rolle. Nehmen die Nutzer das Thema „Sicheres Passwort“ ernst genug?
Die Zahl der unvorsichtigen Nutzer ist seit Jahren alarmierend hoch: 60 Prozent der Internetnutzer verwenden das gleiche Passwort für mehrere Dienste. Das ist auch kein Wunder. Denn wer kann sich schon jedes Passwort merken, wenn er 20 und mehr Dienste im Einsatz hat? Viele weichen auf ein Standardpasswort aus, das nicht selten auch gleichzeitig noch das E-Mail-Passwort ist, und machen es Hackern damit leicht. Es muss nur ein Dienst gehackt sein, und schon sind automatisch alle anderen Accounts mit dem gleichen Passwort in Gefahr. Die wichtigste Schutzmaßnahme bleibt also: Für jeden Dienst ein starkes, einzigartiges Passwort verwenden oder nach Möglichkeit einen vertrauenswürdigen Single-Sign-on-Anbieter nutzen und dort ein sicheres Passwort vergeben.
Internetdienste setzen verstärkt auf künstliche Intelligenz. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Eine große Stärke von künstlicher Intelligenz ist das Erkennen und Bewerten von Mustern in großen Datenmengen. Solche Datenmengen findet jeder von uns vor, wenn er in sein E-Mail-Konto schaut: Im Posteingang liegen Newsletter, Rechnungen, private oder geschäftliche Mails oft einfach chronologisch geordnet vor. Bei der wachsenden Menge an E-Mails fällt der Überblick zunehmend schwer. Daher bieten wir mit dem „Intelligenten Postfach“ die Möglichkeit, eingehende E-Mails per KI automatisiert analysieren und in Kategorien einordnen zu lassen. Das System erkennt etwa Versandbestätigungen oder Newsletter und ordnet sie der jeweiligen Kategorie zu.
Das macht weitere Funktionen möglich: Mit der Paketverfolgung kann dann im nächsten Schritt auf Wunsch auch eine Trackingnummer erfasst und der Versandstatus direkt in der E-Mail-App angezeigt werden, ohne dass man erst alle Mails durchschauen muss. Auch in der Spam-Bekämpfung hilft künstliche Intelligenz. Hier passen sich zum Beispiel die Filtersysteme dynamisch an die immer neuen und perfiden Tricks der Spam-Versender an. Mit KI haben wir die Chance, auf Augenhöhe mit den Internetkriminellen zu kämpfen und einen Schritt schneller zu sein.
Sie haben in Deutschland die meisten E-Mail-Nutzer. Doch der Anteil der Google-Konten wächst. Was tun Sie, um vorn zu bleiben?
Die US-Konzerne haben in den letzten Jahren viel Vertrauen verspielt. Die jüngsten Datenskandale, insbesondere bei Facebook, zeigen, wie nachlässig hier mit der digitalen Privatsphäre umgegangen wurde. Möglich war das vor allem aus zwei Gründen: wenig Gegenwind seitens der europäischen Politik und fehlende alternative Lösungen aus Europa. Mit dem offenen Standard NetID haben wir jetzt genau diese Alternative geschaffen. Alle registrierten GMX- und Web.de-Nutzer können sich mit ihrem NetID-Login aktuell bereits bei rund 170 Websites bequem einloggen, ohne vorher einen neuen Account erstellen zu müssen.
Und das Wichtigste: Sie können jederzeit in den Einstellungen festlegen, welche Webseite welche Daten bekommt – und welche nicht. Damit geben wir dem Nutzer die Kontrolle über die Verwendung seiner privaten Daten.
Die Chancen für NetID stehen sehr gut, da der Markt für Login-Dienste und damit verbundener Nutzer-IDs noch relativ am Anfang steht. Wenn Politik und Internetwirtschaft an einem Strang ziehen, können wir einen europäischen Standard als Alternative zu Google, Facebook und Apple etablieren.
Sie haben kürzlich eine Kooperation mit der Post gestartet. Wie läuft der neue Service?
Gemeinsam wollen wir Brief- und E-Mail-Kommunikation zusammenführen. Unser Ziel ist es, möglichst viel Schriftverkehr mit Unternehmen und Behörden digital abzubilden und mit neuen Services zu ergänzen. Mit der Briefankündigung werden Nutzer per E-Mail kostenlos informiert, bevor ein Brief, eine Postkarte oder eine Zeitschrift im Briefkasten landet. Bereits das Feedback im Pilotversuch war extrem gut: Mehr als 90 Prozent der Ankündigungen sind von den Teilnehmern geöffnet worden. 82 Prozent der Tester bewerteten das Produkt positiv. Diese Ergebnisse bestärken uns in der Überzeugung, dass die digitale Briefankündigung ein spannendes Produkt für den breiten Markt ist.
Wir planen jetzt schon den nächsten Schritt: Ab 2021 wird es möglich sein, auf Wunsch auch die Briefinhalte digital per E-Mail zu empfangen.