Musikverein Wien
Es ist vor allem der große Saal im Haus des Wiener Musikvereins, der die Herzen aller (Klassik-) Musikfreunde höher schlagen lässt - der "Goldene Klang im Goldenen Saal".

Der Musikverein: Erbaut: 1867-1870 Architekt: Theophil von Hansen Säle: Großer Musikvereinssaal, Brahmssaal, Gottfried-von-Einem-Saal sowie vier weitere Säle Besucher: Mehr als 500 000 pro Jahr Nachhallzeit: nicht bekannt Highlight: Das jährliche Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ...
Der Musikverein:
Erbaut: 1867-1870 Architekt: Theophil von Hansen Säle: Großer Musikvereinssaal, Brahmssaal, Gottfried-von-Einem-Saal sowie vier weitere Säle Besucher: Mehr als 500 000 pro Jahr Nachhallzeit: nicht bekannt
Highlight: Das jährliche Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker

Zum Erfolg gehört stets auch etwas Glück. Jene Weisheit offenbart sich einmal mehr im Konzertgebäude des Musikvereins Wien. So hatte Architekt Theophil von Hansen eine - aus heutiger Sicht - kaum lösbare Aufgabe zu bewältigen, als er die Planung des Baus im 19. Jahrhundert anging.
Von Hansen wollte einen außergewöhnlich gut klingenden Konzertsaal erschaffen, konnte damals jedoch weder auf die moderne Raumakustik-Forschung noch auf elektronische Messinstrumente zurückgreifen. Jene etablierten sich nämlich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. Folglich war er bei dem Vorhaben auf Vermutungen und Bauchgefühl angewiesen.
Umso verblüffender ist es, dass der dänischstämmige Architekt eine Saalakustik entstehen ließ, die selbst heutzutage noch hoch geschätzt wird.

Ohne es sicher zu wissen, hatte er in seinem Entwurf des großen Musikvereinssaals fast alle klangoptimierenden Grundsätze beachtet. So gilt beispielsweise das Schuhschachtelprinzip, nach welchem der Raum doppelt so lang wie breit sein sollte, nach wie vor als Garant für ein natürliches Klangbild.
Es kam - unter anderem - bei der Konstruktion des Kultur- und Kongresszentrums Luzern zur Anwendung. Doch wie bei Lautsprechern auch macht die Form allein noch keinen guten Klang. Deswegen spendierte von Hansen seinem Meisterstück zusätzlich einen Hohlraum, der unter dem Holzfußboden verborgen liegt und als voluminöser Resonanzkörper fungiert.
Auch die Saaldecke ist nicht konventionell konstruiert, sondern am Dachstuhl aufgehängt, was in positiven Schwingungen resultiert.
Der große Musikvereinssaal bietet somit optimale Voraussetzungen für ein Konzerterlebnis von überwältigender Schönheit. Doch im Gegensatz zu modernen Sälen, die häufig über sichtbare Klangverbesserer - wie Reflektoren oder Hallkammern - verfügen, entziehen sich hier alle akustischen Baufinessen dem Blick des Besuchers.

Ins Auge springen dagegen sehr großzügige und gleichermaßen detailverliebte Goldverzierungen, die rings um die Zuhörerreihen laufen. An der Decke kontrastiert die edelmetallene Fülle mit einem mehrteiligen Gemälde, das den Gott Apoll mit seinen neun Musen darstellt.
Beim Betreten des prunkvollen Saals fällt es schwer, den Blick zu zügeln. Daher kann man die Reaktion eines Wiener Musikkritikers nachvollziehen, der kurz nach der Fertigstellung fragte, ob der Raum "nicht zu glänzend und prachtvoll sei für einen Konzertsaal".
Heute wird der sachkundige Besucher eher davon irritiert, dass trotz der grandiosen Optik solch eine Spitzenakustik entstanden ist. Muss der anspruchsvolle Musikfreund anderswo vielleicht Abstriche in Kauf nehmen, kommt er in diesem Klangtempel voll auf seine Kosten.

Einen Anteil am Nimbus des Hauses hatte auch die vielfache Präsenz sinfonischer Titanen wie Herbert von Karajan oder Bruno Walter. Auf die Frage, welche berühmten Klassikkünstler bereits den Saal bespielt hätten, hieß es von offizieller Seite nur, dass man nicht wisse, welcher prominente Musiker dies noch nicht getan habe.
Rund 500 Konzerte werden jährlich im großen Musikvereinssaal sowie in weiteren, teils unterirdisch gelegenen Räumen gespielt. Angesichts dieses Angebots fällt die Wahl nicht leicht, zumal Wien kulturell auch sonst mancherlei zu bieten hat. Wer aber den Vollrausch für Hör- und Sehsinn anstrebt, der sollte einem Sinfoniekonzert den Vorzug geben und im großen Musikvereinssaal Platz nehmen.
Wenn die Interpreten dann - wider Erwarten - nicht adäquat musizieren, kann man immer noch die griechischen Reminiszenzen und die Goldschmiedekunst an Wänden und Decke einer genauen Betrachtung unterziehen.
Mehr als die karatschwangeren Ornamente dürften sich den meisten Besuchern jedoch feine Klassiklänge einprägen.