Handy-Akkus mit Schnelllade-Funktion
Ist Schnellladen schädlich für den Smartphone-Akku?
Neue Ladetechniken versprechen, bis zu fünf Stunden Smartphone-Laufzeit aus fünf Minuten Laden zu holen. Schadet das schnelle Laden dem Akku?
- Ist Schnellladen schädlich für den Smartphone-Akku?
- Interview mit George Paparrizos von Qualcomm

Dass Akkus empfindliche Bauteile sind, wissen Smartphone Besitzer nicht erst seit Samsungs Note-7-Desaster, bei dem die Energiespeicher öfter buchstäblich verbrannten. Doch auch unter normalen Bedingungen büßen Lithium-Ionen-Akkus je nach Smartphone-Modell und Nutzungsverhalten nach durchschnittlich zwei Jahren deutlich an Speicherfähigkeit ein.
Der schonende Umgang mit ihnen kann diese Schwelle hinauszögern. Dazu empfiehlt es sich, den Akku möglichst nie ganz vollzuladen und das vollgeladene Smartphone nie lange Zeit an der Steckdose hängen zu lassen. Womit das bequeme Laden über Nacht schon mal ein No-Go ist. Und auch den Einsatz bis zur vollständigen Entleerung nimmt der Akku seinem Besitzer auf Dauer übel.
Und nun setzen die Entwickler von Ladeelektronik diese empfindlichen Bauteile beim Laden quasi einer Druckbetankung aus. Statt dem Energiespeicher wie bisher innerhalb von drei bis vier Stunden ganz gemächlich neue Reserven zuzuführen, versprechen Systeme wie USB PD (Power Delivery), Huawei SuperCharge, Qualcomm Quick Charge und andere, die Ladezeit deutlich zu verkürzen.
Besonders Quick Charge scheint immer neue Rekorde aufzustellen. Gaben die Amerikaner für Version 3 noch an, den Akku innerhalb von 36 Minuten auf 80 Prozent zu laden, so soll Version 4+ unter optimalen Bedingungen fünf Stunden Laufzeit aus fünf Minuten Ladezeit holen. Dass das beeindruckende Geschwindigkeiten sind, die das Leben erleichtern, steht außer Frage. Doch was sagt der Akku dazu?
Eine gute Quelle zu allen Aspekten von Akkus ist die Seite batteryuniversity.com, die von der auf Batterie-Management spezialisierten Firma Cadex betrieben wird.

Bestimmte Vorgaben
Vier wichtige Bedingungen müssen erfüllt sein, um einen Li-Ion-Akku mit Höchstgeschwindigkeit laden zu können. Zunächst braucht die Speicherzelle ein spezielles Design und muss auch gut in Form sein. Zudem darf die Schnellladung nur bis zu einem bestimmten Füllgrad des Akkus angewendet werden, auf 100 Prozent Auftanken ist damit ausgeschlossen.
Weiterhin müssen alle Einzelzellen in einem Akku-Verbund innerhalb enger Toleranzen gleiche Eigenschaften haben. Das spielt bei Smartphone Akkus keine Rolle, da diese nur aus einer Zelle bestehen. Bei Tablets kann es jedoch ein wichtiger Aspekt sein. Als vierter und letzter Punkt muss der Ladevorgang bei moderaten Temperaturen erfolgen.

Damit kommen für Quick Charge und Co. überhaupt nur Smartphones mit speziell dafür entwickelten Akkus infrage. Eines der Hauptprobleme beim schnellen Laden ist die Energie, die von der langsam reagierenden Zelle nicht sofort aufgenommen werden kann. Diese kann zur Erhitzung, zur Gasentwicklung oder zum Absetzen von Lithium an der Anode führen. Durch Konstruktion und Materialwahl lassen sich diese Effekte auf ein Minimum reduzieren. Doch auch dann muss die Elektronik den Ladevorgang genau überwachen.
Hierzu steckt in jedem Akku ein Temperatursensor. Zudem wird der Akku mit einer Serie von Stromimpulsen geladen. Aus der Spannung bei ein- und ausgeschaltetem Strom kann mit Kenntnis des Zellaufbaus auf den chemischen Zustand der Zelle geschlossen werden. So lässt sich die Ladegeschwindigkeit sehr genau dem anpassen, was dem Akku gerade noch guttut. Sie wird mit zunehmendem Alter des Akkus aber etwas an Effektivität einbüßen.
Samsung Galaxy S8+ Kurztipp: Helligkeitsregler
Exakte Dosierung ist wichtig
Auch an anderer Stelle bemüht sich die Ladetechnik – bestehend aus Steckernetzteil, USB-Kabel und Lade-Regler im Smartphone – um schonenden Umgang mit dem Material. Steckernetzteile waren zu Anfang der Handygeschichte auf etwa 5 Watt Ausgangsleistung (5 Volt/1 Ampere) ausgelegt, doch das würde bei Weitem nicht mehr reichen, um die heutigen großen Akkus in Rekordzeit zu laden.
Deshalb wurde zunächst der Strom auf 2 Ampere erhöht, was doppelte Ausgangsleistung und grob die halbe Ladezeit bringt. Für eine weitere Geschwindigkeitssteigerung hätte der Strom weiter erhöht werden müssen, doch dafür sind die USB-Kabel zu dünn und die Stecker zu filigran. Die Ingenieure griffen also auf einen Trick zurück, der bei Energieversorgern sehr beliebt ist.

Sie erhöhten die Spannung, mit der der Strom übertragen wird. Bei Quick Charge 3.0 waren so schon bis zu 20 Volt möglich, unter bestimmten Bedingungen sogar bis zu 4,6 Ampere. Damit lassen sich knapp 100 Watt übertragen.
Ein 4-Ah-Akku wäre damit in zehn Minuten zu laden, doch so einfach ist es auch nicht. Denn selbst wenn das erste Laden mit hohem Strom bei der beschriebenen genauen Überwachung für den Akku gut zu verkraften ist, fangen bei einem Ladezustand von 70 bis 80 Prozent die Probleme an. Ab hier muss deutlich langsamer geladen werden, dann steht einem langen Akkuleben nichts im Wege.
Wer das weiß, versteht auch, warum die Schnellladeerfinder gern damit werben, wie fix ein bestimmter Ladezustand erreicht ist (80 Prozent, fünf Stunden Laufzeit), aber nie damit, wie lange es dauert, bis der Akku voll ist. Doch das sollte er ja sowieso nie sein, denn ein nicht ganz voller Ladestand erhöht die Lebensdauer des Stromspeichers – und sie ist nicht weiter tragisch, wenn kurze Ladezeiten die stundenlange Weiternutzung ermöglichen.