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Handy-Akkus mit Schnelllade-Funktion

Ist Schnellladen schädlich für den Smartphone-Akku?

Neue Ladetechniken versprechen, bis zu fünf Stunden Smartphone-Laufzeit aus fünf Minuten Laden zu holen. Schadet das schnelle Laden dem Akku?

Autor: Bernd Theiss • 9.11.2017 • ca. 3:50 Min

© Rawpixel.com / shutterstock.com
Die Schnelllade-Funktion vieler Smartphones ist praktisch, aber schadet es dem Akku?
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Inhalt
  1. Ist Schnellladen schädlich für den Smartphone-Akku?
  2. Interview mit George Paparrizos von Qualcomm

Dass Akkus empfind­liche Bauteile sind, wissen Smartphone­ Besitzer nicht erst seit Samsungs Note­-7-Desaster, bei dem die Ener­giespeicher öfter buchstäblich verbrannten. Doch auch unter normalen Bedingungen büßen Lithium-Ionen­-Akkus je nach Smartphone-­Modell und Nutzungsverhalten nach ...

Dass Akkus empfind­liche Bauteile sind, wissen Smartphone­ Besitzer nicht erst seit Samsungs Note­-7-Desaster, bei dem die Ener­giespeicher öfter buchstäblich verbrannten. Doch auch unter normalen Bedingungen büßen Lithium-Ionen­-Akkus je nach Smartphone-­Modell und Nutzungsverhalten nach durchschnittlich zwei Jahren deutlich an Speicherfähigkeit ein. 

Der schonende Umgang mit ihnen kann diese Schwel­le hinauszögern. Dazu emp­fiehlt es sich, den Akku mög­lichst nie ganz vollzuladen und das vollgeladene Smart­phone nie lange Zeit an der Steckdose hängen zu lassen. Womit das bequeme Laden über Nacht schon mal ein No­-Go ist. Und auch den Einsatz bis zur vollständigen Entlee­rung nimmt der Akku seinem Besitzer auf Dauer übel.

Und nun setzen die Ent­wickler von Ladeelektronik diese empfindlichen Bauteile beim Laden quasi einer Druckbetankung aus. Statt dem Energiespeicher wie bis­her innerhalb von drei bis vier Stunden ganz gemächlich neue Reserven zuzuführen, versprechen Systeme wie USB PD (Power Delivery), Huawei SuperCharge, Qual­comm Quick Charge und an­dere, die Ladezeit deutlich zu verkürzen. 

Besonders Quick Charge scheint immer neue Rekorde aufzustellen. Gaben die Amerikaner für Version 3 noch an, den Akku innerhalb von 36 Minuten auf 80 Pro­zent zu laden, so soll Version 4+ unter optimalen Bedingun­gen fünf Stunden Laufzeit aus fünf Minuten Ladezeit holen. Dass das beeindruckende Ge­schwindigkeiten sind, die das Leben erleichtern, steht außer Frage. Doch was sagt der Ak­ku dazu? 

Eine gute Quelle zu allen Aspekten von Akkus ist die Seite batteryuniversity.com, die von der auf Batterie-­Ma­nagement spezialisierten Fir­ma Cadex betrieben wird.

Netzadapter für schnelles Laden
Netzadapter, die Quick Charge von Qualcomm oder Power Delivery vom USB Implementers Forum unterstützen, gibt es viele, das Smartphone muss aber zum Netzteil kompatibel sein. Da trifft es sich gut, dass Quick Charge sich in neueren Versionen mit USB PD versteht.
© Hersteller

Bestimmte Vorgaben 

Vier wichtige Bedingungen müssen erfüllt sein, um einen Li­-Ion-­Akku mit Höchstgeschwindigkeit laden zu kön­nen. Zunächst braucht die Speicherzelle ein spezielles Design und muss auch gut in Form sein. Zudem darf die Schnellladung nur bis zu einem bestimmten Füllgrad des Akkus angewendet werden, auf 100 Prozent Auftanken ist damit ausgeschlossen. 

Wei­terhin müssen alle Einzelzel­len in einem Akku­-Verbund innerhalb enger Toleranzen gleiche Eigenschaften haben. Das spielt bei Smartphone­ Akkus keine Rolle, da diese nur aus einer Zelle bestehen. Bei Tablets kann es jedoch ein wichtiger Aspekt sein. Als vierter und letzter Punkt muss der Ladevorgang bei modera­ten Temperaturen erfolgen.

Netzadapter für schnelles Laden
Von der Smartwatch über Fitnesstracker, Smartphone und Tablet versuchen immer mehr Geräte, unseren Alltag zu bereichern. Das erfordert Netzadapter, die mehrere Geräte gleichzeitig und schnell laden können.
© Hersteller

Damit kommen für Quick Charge und Co. überhaupt nur Smartphones mit speziell da­für entwickelten Akkus infrage. Eines der Hauptproble­me beim schnellen Laden ist die Energie, die von der lang­sam reagierenden Zelle nicht sofort aufgenommen werden kann. Diese kann zur Erhit­zung, zur Gasentwicklung oder zum Absetzen von Lithi­um an der Anode führen. Durch Konstruktion und Ma­terialwahl lassen sich diese Effekte auf ein Minimum re­duzieren. Doch auch dann muss die Elektronik den Ladevorgang genau überwachen. 

Hierzu steckt in jedem Akku ein Tem­peratursensor. Zudem wird der Akku mit einer Serie von Stromimpulsen geladen. Aus der Spannung bei ein­- und ausgeschaltetem Strom kann mit Kenntnis des Zellaufbaus auf den chemischen Zustand der Zelle geschlossen wer­den. So lässt sich die Lade­geschwindigkeit sehr genau dem anpassen, was dem Akku gerade noch guttut. Sie wird mit zunehmendem Alter des Akkus aber etwas an Effekti­vität einbüßen. 

Exakte Dosierung ist wichtig 

Auch an anderer Stelle be­müht sich die Ladetechnik – bestehend aus Steckernetz­teil, USB-­Kabel und Lade­-Regler im Smartphone – um schonenden Umgang mit dem Material. Steckernetzteile waren zu Anfang der Handy­geschichte auf etwa 5 Watt Ausgangsleistung (5 Volt/1 Ampere) ausgelegt, doch das würde bei Weitem nicht mehr reichen, um die heutigen gro­ßen Akkus in Rekordzeit zu laden. 

Deshalb wurde zu­nächst der Strom auf 2 Am­pere erhöht, was doppelte Ausgangsleistung und grob die halbe Ladezeit bringt. Für eine weitere Geschwindig­keitssteigerung hätte der Strom weiter erhöht werden müssen, doch dafür sind die USB­-Kabel zu dünn und die Stecker zu filigran. Die Inge­nieure griffen also auf einen Trick zurück, der bei Energie­versorgern sehr beliebt ist.

Smartphone Akku
Im Prinzip kann jeder Smartphone-Akku schneller als früher üblich geladen werden. Durch Konstruktion, verwendete Grundstoffe und Additive kann seine Neigung zu Metallablagerungen und Gasbildung beim Laden aber verhindert werden.
© Hersteller

Sie erhöhten die Spannung, mit der der Strom übertragen wird. Bei Quick Charge 3.0 waren so schon bis zu 20 Volt möglich, unter bestimmten Bedingungen sogar bis zu 4,6 Ampere. Damit lassen sich knapp 100 Watt übertragen. 

Ein 4-­Ah­-Akku wäre damit in zehn Minuten zu laden, doch so einfach ist es auch nicht. Denn selbst wenn das erste Laden mit hohem Strom bei der beschriebenen genauen Überwachung für den Akku gut zu verkraften ist, fangen bei einem Ladezustand von 70 bis 80 Prozent die Proble­me an. Ab hier muss deutlich langsamer geladen werden, dann steht einem langen Ak­kuleben nichts im Wege. 

Wer das weiß, versteht auch, warum die Schnelllade­erfinder gern damit werben, wie fix ein bestimmter Lade­zustand erreicht ist (80 Pro­zent, fünf Stunden Laufzeit), aber nie damit, wie lange es dauert, bis der Akku voll ist. Doch das sollte er ja sowieso nie sein, denn ein nicht ganz voller Ladestand erhöht die Lebensdauer des Stromspei­chers – und sie ist nicht weiter tragisch, wenn kurze Ladezei­ten die stundenlange Weiternutzung ermöglichen.