So beeinflussen Smartphones Gedächtnis und Hirnleistung
Welchen Einfluss haben Smartphones auf das Gedächtnis und die Hirnleistung? Wir klären auf und geben Tipps, mit welchen Übungen Sie fit im Kopf bleiben.

- So beeinflussen Smartphones Gedächtnis und Hirnleistung
- Mit diesen Übungen trainieren Sie Ihr Gehirn
Wissen Sie die Telefonnummer Ihres Partners oder Ihrer Partnerin auswendig? Viele würden jetzt das Adressbuch ihres Smartphones konsultieren. Wie hieß noch gleich der Schauspieler in dem Kinofilm von letzter Woche? Ein Job für Google. Wir könnten das jetzt mit der Einkaufsliste, den Daten eines ...
Wissen Sie die Telefonnummer Ihres Partners oder Ihrer Partnerin auswendig? Viele würden jetzt das Adressbuch ihres Smartphones konsultieren. Wie hieß noch gleich der Schauspieler in dem Kinofilm von letzter Woche? Ein Job für Google. Wir könnten das jetzt mit der Einkaufsliste, den Daten eines Geschäftstermins oder den Geburtstagen im Bekanntenkreis fortführen.
Schnell wird klar: Vielen von uns fehlt was – nämlich ein gutes Gedächtnis. Durchschnittlich 85 Mal am Tag greifen wir zum Smartphone – in der connect-Redaktion wohl etwas häufiger. Gar 90 Prozent würden ohne ihr Mobiltelefon gar nicht erst das Haus verlassen. Wir versprechen uns von ihm ein Übermaß an Produktivität und Zeitersparnis. Eventuell auf Kosten unerwarteter Defizite. Was macht das Smartphone mit unserem Gehirn?
Externe Festplatte in der Tasche – der Google Effekt
Fast 55 Prozent der deutschen Eltern wissen die Telefonnummer ihres Kindes nicht auswendig. Das ergab eine Untersuchung des für Antivirenprogramme bekannten Software-Herstellers Kaspersky. Stattdessen vertrauen wir darauf, dass wir die Nummer in unserem digitalen Helferlein abgespeichert haben und jederzeit aufrufen können. Gedächtnis-Outsourcing also, oder wie es die Wissenschaftler nennen: Cognitive offloading. Wir lagern unser Denken aus und benutzen das Internet und unser Smartphone als externes Gedächtnis. Der Vorgang an sich ist nicht neu, nur das Medium ist es.
Denn jeder von uns besitzt eine Art Gruppengedächtnis. Verbringen wir mit einer Person viel Zeit, wie es bei Partnern oder Freunden der Fall ist, bildet sich ein geteiltes Gedächtnis. Man verlässt sich auf das Wissen, dass der andere eine bestimmte Information speichert. Zum Beispiel den Namen eines entfernten Familienmitglieds. Bei Bedarf rufen wir durch Nachfragen dieses Wissen ab. Der andere wiederum verlässt sich auf unser Wissen in anderen Bereichen. Smartphones erfüllen diese Rolle für jeden jederzeit – zumindest einseitig. Wir vertrauen auf seinen Speicher wie auf das Gedächtnis nahestehender Personen. Es bestehen also sogar Ähnlichkeiten zu einer menschlichen Beziehung.
Die Tendenz, sich auf unser externes Gedächtnis zu verlassen, wächst dabei mit jeder Nutzung. Wissenschaftler sprechen treffenderweise vom „Google Effekt“. Wir machen uns nicht die Mühe, Informationen im Gedächtnis abzulegen, wenn sie später auch nachgeschlagen werden können. Zudem verbringen wir weniger Zeit damit, in unserem Gedächtnis zu wühlen. Selbst wenn wir die Antwort auf eine Frage wissen, bereiten wir uns schon innerlich darauf vor, das Internet in Sachen Lösung zu konsultieren. Warum ist das so?
Deshalb nutzen wir lieber Smartphones als das Hirn
Machen wir einen Test. Lösen Sie folgende Aufgabe: Sie kaufen einen Stift und einen Radiergummi. Zusammen kosten die beiden 1,10 Euro. Der Stift kostet genau 1 Euro mehr als der Radiergummi. Wie viel kostet nun der Radiergummi?
Und, was haben Sie errechnet? Wenn Ihre Antwort 10 Cent lautet, muss ich Sie enttäuschen (Lösung am Ende der Seite). Sie haben sich auf das erste Ergebnis verlassen, das Ihnen in den Sinn gekommen ist. Keine Sorge, 77 Prozent der Teilnehmer einer Studie, die diese Frage vorgelegt bekamen, haben ebenso geantwortet. Wir Menschen besitzen zwei Denkstrategien: eine schnelle und eine langsame. Die schnellere ist zwar weniger akkurat, kostet aber weniger Aufwand und Gehirnkapazität. Meist ist es im Alltag wichtiger, schnelle Entscheidungen zu treffen und Hirnleistung für andere Dinge frei zu halten.
Smartphones bieten uns die Möglichkeit, Anstrengungen zu vermeiden und das Denken zu verkürzen. Das Hirn ist einfach faul. Aus evolutionärer Sicht ist es natürlich von Vorteil, unsere Gehirnkapazität für wichtige Dinge frei zu halten. Auch Vergessen ist elementar für uns. Dabei werden alte Erinnerungen von neuen überschrieben, was uns sehr anpassungsfähig macht. Wir behalten nur die Dinge im Kopf, die uns relevant erscheinen. Genügt es also, zu wissen, wo bestimmte Daten zu finden sind?
iOS Kurztipp: Im Safari Browser eine Webseite durchsuchen
Tatsächlich können wir uns den Ort, wo eine Information steht, besser merken als deren Inhalt. Das wiederkehrende Aufrufen von Informationen im Kopf ist allerdings wichtig, um ein Langzeitgedächtnis zu bilden. Bemühen wir uns nicht um unser Gedächtnis, weil wir ständig das Netz befragen, verhindern wir seinen Aufbau. Und damit auch den Aufbau von neuen neuronalen Verknüpfungen. Zumal gegoogelte Informationen mit geringerer Wahrscheinlichkeit im Gedächtnis bleiben als Daten, die über ein anderes Medium aufgenommen wurden. Papier hat also doch noch seine Vorteile.
Ein fehlendes Wissensnetzwerk im Hirn verhindert kontextbezogenes und tiefgreifendes Denken. „Ein großer Irrglaube ist, dass wir uns wegen der Smartphones nichts mehr merken müssen. Wenn wir kein breites Basiswissen mehr im Kopf haben, können wir kein Transferwissen herstellen. Dann fehlt uns das interdisziplinäre Denken“, weiß Gedächtnistrainer Markus Hofmann. Genau dieses interdisziplinäre Denken macht uns kreativ und lässt uns Lösungen zu Problemen finden, die nicht bei Google stehen.

Nähe zum Smartphone reduziert Hirnleistung
Neben dem Gedächtnis hat das Smartphone auch noch andere Einflüsse auf unser Denkorgan. Eine im Juni von der Texas Universität veröffentlichte Studie hat sich mit der Fragestellung beschäftigt, welchen Effekt Smartphones auf unsere Leistungsfähigkeit haben. Ihr Befund: Die reine Präsenz eines Smartphones führt zu einer Reduzierung unserer kognitiven Fähigkeiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gerät an- oder ausgeschaltet ist. Solange es sich in sicht- oder greifbarer Reichweite befindet, hat es negative Auswirkungen auf unsere Fähigkeit, konzentriert zu arbeiten.
Die Erklärung: Auch wenn der bewusste Verstand nicht an das Handy denkt, verbraucht der Prozess nicht an etwas zu denken einige der limitierten kognitiven Ressourcen. Die Forscher nennen dies „brain drain“, abfließende Hirnleistung. Unsere grauen Zellen wurden in gewisser Weise schon darauf konditioniert, ständig in Bereitschaft zu sein, um Nachrichten entgegenzunehmen. Sollten Sie also Ihre gesamten geistigen Fähigkeiten benötigen, ist es besser, Ihr Smartphone wegzupacken. Je weiter weg, desto weniger Einfluss hat es.
Negative Effekte der Smartphone-Nutzung auf unser Gedächtnis und unsere Leistungsfähigkeit sind also nicht zu verleugnen. Macht uns das Gerät nun blöde, verdummen wir digital? Man muss unterscheiden, wie man mit dem Smartphone umgeht. Für Menschen mit einem schlechten Alltagsgedächtnis ist es sicher eine große Erleichterung. Sie verpassen keine Termine mehr und können sich bevorstehende Aufgaben mit seiner Hilfe besser merken.
Wer jedoch vermehrt für jede noch so triviale Frage- und Problemstellung die Google-Suche bemüht, ohne selbst zu denken, entlastet sein Gehirn und reduziert auf Dauer dessen Leistung. Wie bei vielen Dingen im Leben kommt es auch beim Smartphone- Gebrauch auf die Dosis an. Wer sein Denken und sein Gedächtnis dem Gerät überlässt, kommt an einer schleichenden digitalen Amnesie nicht vorbei.
Auch das Hirn muss man trainieren
Wichtig ist, bereits in jungen Jahren an seinen kognitiven Fähigkeiten zu arbeiten. Das erhöht die Belastbarkeit des Hirns über das gesamte Leben. Die Wahrscheinlichkeit, im Alter an Demenz zu erkranken, nimmt dadurch ebenfalls ab. Wachsen Kinder bereits mit der Einstellung auf, sich nichts mehr merken zu müssen, wäre dies sicherlich alarmierend.
Es kann nur von Vorteil sein, wenn wir versuchen, auch einmal ohne unseren ständigen Begleiter auszukommen. Sei es nun, dass wir unser Erinnerungsvermögen stärken und Telefonnummern lernen oder einfach mal ohne Google Maps in den Urlaub fahren. Das hält die grauen Zellen auf Trab und verhilft zu geistiger Flexibilität. Zudem weiß man nach den Ferien dann immer noch, wie schön die Strecke war. Denn wer mit Navi fährt, behält weniger von seiner Umgebung im Kopf.
Um geistig fit zu bleiben, gibt es auch entsprechende Hirntraining-Apps, wie wir sie auf der nächsten Seite vorstellen. Mit ihnen kann man die Hirnleistung wieder auffüllen – mit dem Gerät, das sie vorher zum Abfließen gebracht hat. Der Radiergummi kostet übrigens 5 Cent. Denn: Würde er 10 Cent kosten und der Stift genau einen Euro mehr, also 1,10 Euro würde sich ein Gesamtpreis von 1,20 Euro ergeben.