Modem für LTE und WLAN
Snapdragon X12 von Qualcomm soll Datenfunk schneller machen
Mit dem neuen Modem Snapdragon X12 will Qualcomm LTE und WLAN verschmelzen. Selbstverständlich setzen Smartphones schon jetzt Wi-Fi neben LTE ein, wann immer es verfügbar ist. Doch die Idee, die hinter dem neuen Qualcomm-Chipsatz Snapdragon 820 steht, geht gleich in zwei Beziehungen darüber hinaus.

Was bisher eher als irritierende Vision daherkam, scheint sich nun zu einem ausgereiften Produkt zu entwickeln. Der Snapdragon-820-Smartphone-Chipsatz von Qualcomm beinhaltet mit dem Snapdragon X12 erstmals ein Modem, das LTE und Wi-Fi gleichzeitig nutzen kann.
Idee 1: LTE im WLAN-Spektrum
Bisher war die mobile Datenübertragung zweigeteilt. Zum einen Ersteigern die Netzbetreiber regelmäßig für viel Geld Spektrum. Das können sie allein verwenden, um ihren Kunden GSM, UMTS oder in neuerer Zeit LTE anzubieten. Zum anderen gibt es sogenannte unlizenzierte Funkbänder, die jedermann nach festgesetzten Regeln nutzen darf. Hier tummeln sich Bluetooth, WLAN, aber auch Garagentorsteuerungen und allerlei andere Funkdienste. Voraussetzung für den Gebrauch ist natürlich, dass sich alle beteiligten Geräte die zur Verfügung stehende Bandbreite einigermaßen gerecht teilen.
Qualcomms Ansatz ist es, LTE auf die unlizenzierten Funkbänder (LTE-U) auszudehnen, besonders interessant sind hier das 5-GHz- und das 60-GHz-Band, da gerade bei hohen Frequenzen häufig ungenutztes Spektrum zur Verfügung steht. Skeptiker könnten vermuten, dass mit der kommerziellen Nutzung von LTE in unlizenzierten Bändern durch die Netzbetreiber dem privaten WLAN-Gebrauch schnell die Luft zum Atmen genommen wird. Qualcomm hat hierzu anlässlich des 3G-LTE-Summit Mitte September in Hongkong Studien präsentiert, die zeigen, dass LTE und Wi-Fi friedlich in einem Band koexistieren können. Dabei soll LTE-U bei gleichen Ressourcen bis zu doppelt so viele Daten übertragen wie Wi-Fi, und dabei andere WLAN-Verbindungen weniger stören als üblich. Qualcomm kommt hier zu dem Schluss, dass "LTE-U ein besserer Wi-Fi-Nachbar ist als Wi-Fi selbst". Messungen, unter anderem auch von der Signals Research Group, bestätigen das.

Das friedliche Nebeneinander beider Übertragungsstandards dürfte umso mehr für deutsche Verhältnisse gelten, als in der EU von Geräten die Einhaltung strenger "Listen before talk"-Regeln gefordert ist. Will heißen: Erst wenn sich ein Freiraum in Bandbreite und Zeit ergibt, darf ein Gerät diesen für die eigene Übertragung nutzen. Gesteuert wird die Übertragung über LTE-U, nebenbei bemerkt über einen LTE-Kanal im lizenzierten Spektrum. Hier werden die notwendigen Übertragungsmodalitäten zwischen Netz und Endgerät ausgehandelt.
Idee 2: Bewusste Wahl bester Übertragung
Doch auch in einer anderen Hinsicht geht die Datenübertragung beim kommenden X12-LTE-Modem über die heutige Parallelexistenz von LTE und WLAN hinaus. Erlebt hat die Situation sicher jeder schon mal: Man hat guten Wi-Fi-Empfang in einem weitgehend ungenutzten WLAN. Trotzdem geht nichts, obwohl auch LTE oder HSPA bestens empfangen werden. Ist das der Fall, hat das WLAN meist seine Internetverbindung verloren. Und das Smartphone ist nicht so smart, bei einer Wi-Fi-Connection mit ausbleibenden Daten auf Mobilfunk umzuschalten. Hier soll der Snapdragon 820 dank der bereits bekannten Zeroth-Plattform seine Verbindung sozusagen bewusst nach den vorliegenden Bedingungen wählen können; Qualcomm nennt das Cognitive Link Selection. Damit dürfte in Zukunft die beste real vorhandene Verbindung genutzt werden, selbst wenn es oberflächlich betrachtet noch eine bessere zu geben scheint.

Mehr Speed durch effektivere Übertragung
Doch auch an LTE selbst hat Qualcomm beim X12-LTE-Modem gearbeitet. So kann das Modem nun im Download bis zu drei Kanäle à 20 Megahertz bündeln und erreicht dank dem effektiveren Modulationsverfahren 256-QAM bis zu 600 Mbit/s. Im Upload wird statt der batteriefreundlichen QPSK nun auch eine effektive 64-QAM-Modulation verwendet. Die war bisher tabu, da sie wesentlich leistungsfähigere Sender im Smartphone benötigte, was stark auf die Ausdauer ging. Da Qualcomm in den neueren Chipsatz-Konfigurationen den Sendern nur jeweils die zur Übertragung gerade nötige Leistung zuführt (Envelope Tracking), ist die Temposteigerung auf bis zu 150 Mbit/s (Dual Carrier) ohne die vormals üblichen Einbußen bei der Laufzeit möglich.
Neben dem deutlich erweiterten Modem wird auch der Snapdragon-820-Chip wieder auf von Qualcomm selbst entwickelten, sogenannten Kryo-Kernen beruhen. Vier davon bringen den High-End-Snapdragon der nächsten Generation auf Trab. Die Kryo-Kerne sind nach Angaben der Entwickler wesentlich flexibler in ihrer Leistung steuerbar, als es die von anderen Prozessorbauern eingesetzte big.LITTLE-Architektur aus dem Hause Arm mit acht Kernen sein kann. Qualcomm-Fachleute betonen dabei, dass sie den Krieg um die meisten Kerne innerhalb eines Prozessors für eine vorübergehende, vom Marketing getriebene Modeerscheinung halten, die mittlerweile überholt ist.
Klar ist, dass Qualcomm neben der auch werbewirksamen Steigerung des Maximal-speeds im Modem in erster Linie eine wesentlich effektivere Nutzung des vorhandenen, begrenzten Spektrums im Sinn hat. Das ist angesichts des rasanten Datenwachstums auch dringend nötig und dürfte Wünsche bei Netzbetreibern wie Konsumenten erfüllen.