Testbericht

Plattenspieler SME Model 20/12

12.8.2010 von Redaktion connect und Bernhard Rietschel

Mit diesem Plattenspieler brauchen Sie keine audiophilen Platten mehr - da wird jede Scheibe zum Genuss.

ca. 3:05 Min
Testbericht
  1. Plattenspieler SME Model 20/12
  2. Datenblatt
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© Archiv

Im Gesamtpreis etwas teurer als der Linn in Vollausstattung, ist der SME 20/12 nicht portionsweise erhältlich - und auch nicht durch Upgrades existierender Laufwerke, etwa des klassischen Model 20. Er ist ein eigenständiges, neues Modell, geplant und realisiert als Vehikel für den neuen Zwölfzoll-Arm 312 S. Dieser teuerste unter den langen SME-Armen (es gibt noch den preiswerten M2-12 und einen Standard-312er) basiert auf den Lagern und dem gegossenen Magnesium-Rohr des legendären Model V, das die Präzisions-Modellbauer kurzerhand um drei Zoll verlängern. Eine neue Gussform hätte sich bei heutigen Stückzahlen vermutlich erst in 80 Jahren gerechnet. Das angesetzte, zylindrische Stück führt zwar die Exponential-Krümmung des Originals nicht fort. Das soll aber nichts daran ändern, dass der 312 S der feinste, steifste Zwölfzöller ist, der je aus Steyning kam - oder sonst irgendwoher.

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SMEkann Tonarme bis zur letzten Schraube im eigenen Haus produzieren
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Und das, wohlgemerkt, ohne mit seiner effektiven Masse die goldene Mitte um 12 Gramm herum zu verlassen. Die Vorteile der günstigeren Abtastgeometrie (gegenüber einem Neunzöller gut 20 Prozent weniger Spurfehlwinkel-bedingte Verzerrungen) bezahlt man bei diesem Arm also nicht mit Einschränkungen betreffs der Systemauswahl. Wie der Arm ist auch das Laufwerk bis ins Detail traumhaft verarbeitet - Fertigungstiefe, Finish-Qualität, Praxiseigenschaften suchen in der Vinyl-Welt ihresgleichen. Der 20er verbindet Masse- und Subchassis-Prinzip auf irritierende Weise: Obwohl die wuchtige, auf der Unterseite zusätzlich versteifte Top-Platte an 40 Gummiringen zu schweben scheint, fühlt sie sich steif an wie ein auf Grund gelaufenes Schiff. Ursache für das widersprüchliche Verhalten ist ein zentraler, harter Silikonöl-Dämpfer unterm Tellerlager, der auch noch die letzte vagabundierende Vibration mit perfekt angepasstem mechanischem Widerstand ableiten soll. Der schwere, übergroße Teller (er überragt den LP-Rand um etwa zwei Zentimeter) kommt durch einen von SME umgebauten Schrittmotor in Schwung. Der kann mit seinen Neodym-Magneten und einem dicken, straff gespannten Riemen mächtig Drehmoment auffahren.

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Zehn O-Ringe verleihen jedem Aufhängungs-Turm Federkraft.
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Die Kraft der Ruhe

Ich fühlte mich in den ersten Sekunden nach dem Aufsetzen des Arms dann auch frappierend an den Klang alter, großer Studio-Bandmaschinen erinnert. Selbst wenn die Platte lose, also ohne die mitgelieferte Schraubklemme, auf dem Teller liegt, macht der Aufsetz-Knack, aber auch das Vinylrauschen ein ungewöhnlich hohes Maß an Dämpfung hörbar. Als würde der ganze Spieler in einem windstillen Ozean aus Rohöl dümpeln. Die Schwärze der Kulisse hinter der Musik, die Tiefe der sie umgebenden Stille findet sich vergleichbar nur in den ganz großen Masselaufwerken etwa von Jochen Räke, in dessen Händen passenderweise auch der deutsche SME-Vertrieb liegt.

Den Armen und Laufwerken von SME wird häufig unterstellt, dass sie vor lauter Ruhe das Musizieren vergessen. Aus meinen Erfahrungen mit dem SME 20 (und dessen kleinem Bruder SME 10, den ich seit vielen Jahren abwechselnd mit dem Linn verwende) kann ich das nicht bestätigen - mir aber vorstellen, wie dieses Vorurteil entstanden ist. In der Tat fehlte den SMEs im direkten Vergleich häufig etwas von der dynamischen Konturenschärfe der Linns. Andererseits wurde dieses oft als Vorteil interpretierte Mittelhochton-"Zing!" auch bei Linn-Armen sukzessive, vom Ittok über das Ekos bis zum Ekos SE, gezähmt und besser in den Gesamtklang eingebunden. Der Kontrast zwischen den beiden Marken war also schon größer.

Ein- oder Überblick?

Auf der anderen Seite erlaubt der SME eine Raumdarstellung, wie ich sie noch mit keinem LP 12 gehört habe: Augenblicklich, bei entsprechend eingefangener Akustik schon vor dem ersten Ton, breitet der 20/12 eine mentale Landkarte aus, pinnt sie unverrückbar fest und markiert darauf die Positionen der Musiker. Ist die Raumdarstellung schlicht und einfach Geschmackssache, erübrigt sich beim Tiefbass jede Diskussion: Da hat der SME einfach ein paar Pfund mehr Autorität. Auch hier sollte man nicht vorschnell urteilen: Die nächste Platte hat vielleicht eine kleinere Besetzung, ist ein bisschen anders aufgenommen, und schon galoppiert wieder der Linn nach vorn.

Irgendwann müssen Sie sich entscheiden. Und vorher zu allem Überfluss auch noch den etwas teureren, aber unglaublich tonstabilen Garrard 501 in Betracht ziehen, ohne den das Kapitel "Britische Plattenspieler, die ihren Besitzer überleben" nicht vollständig wäre. Welcher es auch immer wird - eines müssen Sie versprechen: Schenken Sie ihm mindestens seinen Neupreis in LPs, je mehr, je besser. Die audiophilen Pling-Platten können Sie in Zahlung geben. Die brauchen Sie dann nicht mehr.

SME 20/12

SME 20/12
Hersteller SME
Preis 14000.00 €
Wertung 120.0 Punkte
Testverfahren 1.0

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