Plattenspieler
SME Model 15 im Test
Der SME Model 15 tritt dezent auf - optisch wie klanglich. Doch je mehr man sich mit Vinyl-Wiedergabe beschäftigt, und je genauer man den 15er betrachtet, desto deutlicher wird, dass es sich bei diesem mattschwarzen Laufwerk um einen der perfektesten Plattenspieler des Universums handelt.

Mit rund 10.000 Euro ist der SME Model 15 wahrhaftig nicht billig. Dafür erwirbt man mit dem britischen Laufwerk die Art Plattenspieler, die selbst Analog-Profis wie Transrotor-Chef Jochen Räke zum Schwärmen bringen. Und die sonst auch niemand auf der Welt so gut hinbekommt. Räke kann das schon deshalb ganz entspannt und neidlos anerkennen, weil er SME seit vielen Jahren in Deutschland vertreibt: Auf praktisch jedem gehobenen Spielermodell aus Bergisch Gladbach befindet sich ein Arm aus Steyning.
Komplette SME-Spieler verkauft Räke zwar auch regelmäßig, aber längst nicht so zahlreich wie die eigenen Modelle. Gemessen an ihren gesalzenen Preisen haben die nur in Mattschwarz erhältlichen Laufwerke keinen hohen Glamour-Faktor. Sie brauchen eine Weile, um ihren Reiz zu entfalten. Vielleicht hilft dieser Artikel ja, diesen Prozess beim einen oder anderen Interessenten zu beschleunigen.

Was auch hilft - zumindest wenn man sich schon mal mit edler Mechanik und deren Herstellung beschäftigt hat: Einfach ein beliebiges SME-Produkt ein Stück weit zu zerlegen, um sich die Einzelteile und deren Ineinandergreifen in Ruhe anzuschauen. Und darüber zu staunen, dass jedes noch so unbedeutend wirkende Detail durchdacht und ausgeführt ist, als wolle man damit an einem maschinenbauerischen Concours d'Elegance teilnehmen.
Nehmen wir als Beispiel das Gegengewicht des Tonarms 309, das nicht wie normale Gegengewichte aus einem oder zwei Bauteilen besteht, sondern mit Führungsschlitten, Feststellblock, kugelgelagerter (!) Stellschraube, Aluminium-Außengehäuse und Wolfram-Gewichtseinsatz seine so simpel erscheinende Aufgabe zur Wissenschaft und Kunst erhebt. Und die dem Betrachter oder Betaster exakt die gleiche, luxuriös seidenmatte Oberfläche präsentiert wie alle anderen silbernen Teile des Arms.
Diese vollkommene optisch/haptische Geschlossenheit ist ein Erkennungszeichen aller SME-Produkte, das, obwohl zunächst eher kosmetischer Natur, viel über deren Entstehungsprozess verrät: So stimmig bekommt man die Einzelteile nur dann hin, wenn man alle, wirklich alle selbst macht. Tatsächlich stammen, um beim Tonarm zu bleiben, selbst die Schrauben mehrheitlich aus SME-eigener Fertigung. Das britische Unternehmen, das sein Auskommen primär nicht mit Plattenspielern, sondern mit Präzisionsteilen für Düsentriebwerke erwirtschaftet, leistet sich eine einzigartige Fertigungstiefe.

In seiner reduzierten Form - kaum größer als ein Plattencover - erinnert der neue 15er an seinen kleinen Bruder Model 10. Technisch dagegen hat er mehr Gemeinsamkeiten mit den großen Modellen 20 und 30: Den 4,6 Kilo schweren Teller etwa hat er direkt vom 20er geerbt, ebenso das an 30 O-Ringen aufgehängte Subchassis mit seiner zentral unter dem Tellerlager angebrachten Silikon-Dämpferwanne, die den Begriff "schwimmende Aufhängung" hier besonders passend erscheinen lässt.
Die Dämpfung ist so abgestimmt, dass das Chassis praktisch nicht nachschwingt und jede Art akustischer Energie möglichst davon abhält, sich über Teller und Tonabnehmer ins Audiosignal zu mogeln. Angetrieben wird der Spieler von einem kräftigen (auch hier: in Steyning komplett überarbeiteten) Papst-Dreiphasenmotor samt externem, prozessorgesteuertem Netzteil, das neben 33 und 45 auch 78 Umdrehungen ermöglicht und sich in superfeinen 0,01%-Schritten auf absolut korrekte Drehzahl justieren lässt.
Wer mit dem 15er arbeitet, fragt sich alsbald, ob manch anderer Spieler eigentlich absichtlich so umständlich, instabil und unintuitiv entworfen wurde: Tonabnehmerjustage? Dank der SME-typischen Überhangeinstellung ein Kinderspiel: Man verfährt den ganzen Arm in einem Drehbank-ähnlichen Schlitten, anstatt am Headshell herumzufummeln. Start und Stop? Schnell, gespenstisch ruckfrei und dauerhaft geräuschlos dank des intelligent geregelten High-End-Motors.
Hörtest
Und der Klang? Majestätisch ruhig, dabei unglaublich dynamisch - so haben wir auch den größeren Model 20 in Erinnerung. Der 15er ist als reines Laufwerk keinen Deut schlechter und kommt nach Punkten nur wegen seines Arms etwas kürzer: Der 12-Zöller des von uns getesteten Model 20-12 konnte kraft seines geometrischen Vorteils bei vergleichbarer Neutralität noch etwas geschmeidigeren, sanfteren Klang aus den montierten Tonabnehmern herausholen.

Aber auch auf dem 15er und seinem hoch universellen, in allen Parametern fein und reproduzierbar einstellbaren 309 zeigen allerfeinste Nadeln vor einem fast unendlich weiten, ungetrübten Klanghorizont, was sie wirklich können: Sie fördern die individuelle Schönheit jeder einzelnen Vinylplatte ungefiltert zu Tage und versetzen selbst erfahrene Hörer mit ihrer Detail- und Farbenvielfalt immer wieder in Erstaunen. Klarer Fall: Wenn wir nächstes Heft noch einmal teure MC-Systeme testen, wird dieser Spieler - samt einem zweiten 309 zum schnellen Tausch - den Kandidaten als würdiges Vehikel dienen.
Fazit
Wer sich absolut sicher sein will, nie wieder einen Plattenspieler kaufen zu müssen, muss entweder seine Vinylsammlung abgeben oder einen SME-Spieler anschaffen. Begleitet den kleinen 10er noch ein Hauch von Kompromiss, bedeutet der neue 15er den Einstieg in die Welt ewiggültiger Dreher. Deutlich kompakter und preiswerter als seine großen Brüder 20 und 30, klingt er vielleicht nicht ganz so gravitätisch wie diese, unterm Strich aber kaum schlechter.