Ratgeber
Dauertest: Windows Mobile 6.5
Wer sich heute ein Smartphone mit Windows Mobile kauft, bekommt etwas, das es eigentlich nicht geben sollte. Denn Microsoft wollte schon längst Windows Mobile 7 im Programm haben und damit ein Betriebssystem, das optimal auf große Touchscreens und Fingerbedienung zugeschnitten und einfach bedienbar sein soll.

Was Steve Ballmer davon hält, dass mit dem derzeit aktuellen Windows Mobile 6.5 noch eine Zwischenlösung eingeschoben werden musste, gelangte letzten September an die Öffentlichkeit. Zur Analysten-Konferenz war zwar keine Presse zugelassen, ein Teilnehmer konnte sich allerdings nicht zurückhalten und zwitscherte via Twitter: "Ballmer sagt, sie haben es mit Windows Mobile vermasselt. Wünschte Windows Mobile 7 wäre schon auf dem Markt. Das Team wurde komplett umgebaut."
Kurz wurde das ungeliebte Kind 6.5 auf ersten Geräten in die Welt entlassen und hat sein Ende bereits vor Augen: Diesen Herbst sollen die ersten Windows-Mobile-7-Geräte kommen. Doch was taugt Windows Phone, wie Microsoft sein Smartphone-Betriebssystem mittlerweile nennt?
Connect hat Sie, liebe Leser, nach Ihren Erfahrungen mit Windows Mobile 6.5 befragt und die Plattform im Dauerbetrieb getestet. Im Einsatz waren das Samsung Omnia II sowie das HTC Touch2.
Eine Plattform, viele Oberflächen

Dabei zeigte sich schnell: Windows Phone ist nicht gleich Windows Phone. Denn praktisch jeder Hersteller verpasst seinen Geräten eine eigene Benutzeroberfläche, die etwa bei Samsungs TouchWiz bis in tiefste Menüs reicht oder bei HTCs Sense spätestens in den Einstellungsmenüs endet. So können die Hersteller einerseits den Windows Phones einen eigenen Charakter verleihen. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass die Gerätebauer noch Optimierungsbedarf sehen.
Mit der Version 7 will Microsoft übrigens verhindern, dass hier jeder sein Süppchen kocht. Bei allen getesteten Modellen kann man die Ansicht aber auch auf die Microsoft-eigene Oberfläche umstellen, wenn auch auf verschlungenen Pfaden. Bei Samsungs Omnia deaktiviert man die TouchWiz-Oberfläche über "Menü/Einstellungen/Allgemeine Einstellungen". Der Startbildschirm muss allerdings gesondert über "Einstellungen/Anzeige", dann "Licht/Elemente" und dort unter "Heute" umgestellt werden.
Was denn nun die beste Lösung sei, da gehen die Meinungen auseinander: "Hamburger", Moderator im connect-Forum, zieht die Microsoft- der Sense-Oberfläche von HTC vor, Forenmitglied "Wolff57" setzt bei seinem Omnia II auf die TouchWiz-Oberfläche von Samsung. Das Schöne daran: Jeder hat die Möglichkeit, selbst auszutesten, was ihm besser gefällt.
Weniger schön: Etwas Lust am Rumprobieren sollte man bei Windows Mobile auf jeden Fall mitbringen. Gerade die ersten Tage des Dauertests waren für all jene mühsam, die sich längere Zeit nicht mehr mit Windows Mobile auseinandergesetzt haben. Das beginnt bei der Einrichtung des Gerätes und setzt sich bei der Bedienung fort. So liegen beispielsweise bei der schrittweisen Einrichtung des E-Mail-Clients die auszufüllenden Felder und der Button, um zum nächsten Schritt zu gelangen, zu weit auseinander. Denn dazwischen wird die virtuelle Qwertz-Tastatur eingeblendet, bei der sich der Einsteiger zudem nie ganz sicher ist, ob sie nicht doch ein weiteres Eingabefeld verdeckt. Wer sich länger mit Windows Mobile beschäftigt, hat diese Einstiegshürden schnell vergessen, beim ersten Kontakt können diese Eigenheiten allerdings sehr verunsichern.
Komplexe Menüs, kleine Buttons

Auch das Hauptmenü erschlägt einen mit seinen knapp 60 Einträgen anfangs, während das Einstellungsmenü auch Langzeitnutzern an vielen Stellen ein Rätsel bleibt. Hier endet dann auch oft die Optimierung für die Fingerbedienung - kleine Buttons und Drop-Down-Menüs machen den Griff zum Eingabestift nötig.
Wobei es auch hier Ausnahmen gibt: Samsungs sorgt mit seiner TouchWiz-Oberfläche bis in hinterste Menüecken für gute Fingerbedienung. Auch wenn sich zu älteren Versionen vieles verbessert hat, sollten sich Neueinsteiger weiterhin auf eine längere Lern- und Gewöhnungsphase einstellen. Wobei sich auch das nicht so leicht verallgemeinern lässt, Forenmitglied "c4raoul" findet beispielsweise die "Bedienung einfach und verständlich."
Eine der größten Verbesserungen, da scheinen sich alle Nutzer einig, ist die Robustheit des Systems. Während Forenmitglied "Fatali3ty" ihren Windows-Ausstieg bei der Version 6.0 Pro mit mangelnder Stabilität begründet, berichtet "Wolff57": "Ich hatte das Omnia i900 und nutze jetzt das Omnia II. Meines Erachtens ist es stabiler geworden, ich musste noch nie resetten". Was "Hamburger" bestätigt: "Windows Mobile 6.5 läuft (bei mir) absolut stabil. Einen Systemabsturz hatte ich bislang in knapp sechs Monaten noch nicht." Und User "Bocadillo" zieht einen interessanten Vergleich: "Das HTC HD2 meiner Frau läuft stabiler als mein Motorola Milestone."
Nicht nur stabil, auch flott
Hinzu kommt, dass die getesteten Modelle nicht nur stabil, sondern auch flott arbeiten. "Hamburger", der einen MDA Compact V im Einsatz hat: "Die gelegentlichen Gedenksekunden, die sich die älteren Versionen gerne genommen haben, sind endlich passe." Im Dauertest reagierte insbesondere das Omnia II fast verzögerungsfrei. Auch das Scrollen durch sehr lange Listen, etwa ein gut gefülltes Adressbuch, klappt gut.
Das Touch2 läuft dagegen spürbar langsamer, wobei man auch hier nicht den Eindruck hat, vom System ausgebremst zu werden. Die Suche arbeitet beispielsweise auch hier blitzschnell. Wer ein flinkes Smartphone sucht, sollte das Gerät vor dem Kauf nach Möglichkeit antesten und schauen, ob er mit der Reaktionszeit zufrieden ist. Ein Indiz für ordentliche Rechenpower liefert sicher der Prozessor.
Während aktuelle Smartphones bei der nominellen Ausstattung sehr eng beieinander liegen und GPS wie WLAN, HSPA oder hochauflösende Kameras selbstverständlich sind, hat jede Plattform doch ihre eigenen Stärken, die sich teils erst nach längerem Gebrauch offenbaren. Trotz der Versuche, Windows Mobile auf Multimedia zu trimmen, bleiben die Business-Funktionen sowie die Verwaltung persönlicher Daten wie Kontakte oder Termine die eigentlichen Vorzüge des Systems.

Wer mit Microsoft-Produkten arbeitet, bekommt seine Daten kaum vollständiger aufs Smartphone als mit Windows Mobile. Um den Datenabgleich kümmert sich Active Sync - und das praktischerweise sowohl mit dem lokalen Rechner als auch mit einem Exchange-Server übers mobile Internet.
Gute Exchange-Anbindung
Zwar ist bei anderen Plattformen immer häufiger die Anbindung an Exchange vorgesehen und damit ohne Installation eines Clients auf dem Gerät möglich. Allerdings werden nicht immer alle Funktionen unterstützt und teils lässt sich nur eingeschränkt auf die Daten auf dem Exchange-Server zugreifen. Die Windows-Mobile-6.5-Geräte kümmern sich bei der E-Mail-Synchronisation hingegen auch um Unterordner. Selbst die Aufgabenliste ist einsehbar. Zudem kann man vom Gerät aus nach E-Mails suchen, die schon auf dem Server liegen, aber noch nicht aufs Smartphone übertragen wurden. Allerdings zeigt sich, dass sich die Windows-Oberfläche unterschiedlich verhalten kann. So neigte das Omnia II im Test nach der Exchange-Anbindung zu Abstürzen.
Übrigens können auch Privatanwender ohne eigenen Mailserver Exchange nutzen. Im Test haben wir das HTC Touch2 mit einem Google-Account synchronisiert, denn auch Google nutzt für seinen Synchronisations-Dienst das ActiveSync-Protokoll. Kontakte, Termine und Mails ließen sich damit abgleichen. Die Einrichtung ist dank einer guten Beschreibung auch von Laien zu meistern.
Datensicherung mit MyPhone
Eine clevere Sache ist der neue Dienst MyPhone, mit dem man die auf dem Smartphone lagernden Daten online sichern kann. Für die Nutzung ist eine Windows-Live-ID nötig, die wir im Test direkt auf dem Omnia II erstellt haben. Dazu war zunächst ein Update der Software mit anschließendem Neustart des Gerätes nötig. Danach übertrug das Omnia II knapp 900 Kontakte, 150 Kalendereinträge und ein paar Fotos in rund zwei Minuten an den Online-Dienst.
Der ist übersichtlich gestaltet, nervt allerdings etwas mit Bannerwerbung. In der Gratisversion stehen 200 MB Speicher zur Verfügung; wer nur Kontakte, Termine und Nachrichten absichert, kommt damit gut aus. Der Service kommt gut an: "Die MyPhone-Sicherung und der Online-Zugriff funktionieren genial," freut sich etwa "c4raoul".
Software vom Marketplace

Beim Marketplace, der ebenfalls eine Live-ID verlangt, hält sich die Begeisterung dagegen in Grenzen. "Wolff57": "Beim Marketplace sind mir zu viele kostenpflichtige Programme." "Bocadillo" stößt ins gleiche Horn: "Der Appstore ist derzeit kein Maßstab: Sehr wenige Apps - und diese auch noch viel zu teuer." Und tatsächlich ist das Angebot im Vergleich zu den Pendants für iPhone oder Android mager.
Und ob sich das noch ändert, ist nicht gewiss. Denn Microsoft hat angekündigt, dass ein Bruch erfolgen wird. Charlie Kindel, Chef des Entwicklerteams von Windows Phone 7: "Die User-Experience ist eine ganz andere und bisherige Anwendungen passen da nicht hinein. Entwickler müssen also ihre Anwendungen neu entwickeln." Wie viele Entwickler sich dann noch für die Vorgängerversion begeistern werden, ist ungewiss. Schon jetzt hält sich diese in Grenzen.
Skype hat Ende Februar seinen Client für Windows-Smartphones vom Markt genommen, da man mit der Usability der Anwendung nicht zufrieden war. Eine ungewisse Zukunft also für eine Plattform, die von Seiten der Nutzer mehr Zuspruch bekommt, als wir erwartet hätten.