Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone

So wird Mobilfunk nachhaltiger: Die drei Netzbetreiber im Interview

30.8.2023 von Hannes Rügheimer

Wie werden Mobilfunknetze nachhaltiger, welche Probleme gibt es dabei, und was bedeutet dies für unsere Netztests? Hochrangige Technikmanager der Mobilfunkbetreiber sprechen mit connect über das Thema.

ca. 7:35 Min
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Die Technikmanager der drei Netzbetreiber sprechen mit connect und umlaut darüber, wie sie Mobilfunknetze noch nachhaltiger und energiesparender gestalten können. Von links: Driton Emini, Deutsche Telekom; Mallik Rao, Telefónica; Tanja Richter, Vodafone; Hakan Ekmen, Accenture; Dirk Waasen, Verlagsleiter WEKA und Herausgeber connect.
© connect

Wie werden Mobilfunknetze nachhaltiger, welche Probleme gibt es dabei, und was bedeutet dies beispielsweise für unsere Netztests? Um das zu diskutieren, hat connect hochrangige Technikmanager aus der Mobilfunkindustrie eingeladen: Tanja Richter, Geschäftsführerin und Netzdirektorin bei Vodafone Deutschland, Mallik Rao, Chief Technology & Information Officer bei Telefónica Deutschland, Driton Emini, Vizepräsident für Netzevaluierung und Strategie bei der Deutschen Telekom, sowie Hakan Ekmen, Global Networks Lead, Comms Industry und gleichzeitig CEO umlaut, Teil von Accenture.

Der Anlass für das hochrangige Treffen: Mobilfunknetze müssen und wollen energieeffizienter werden. Im Rahmen einer Roundtable-Diskussion, moderiert von Verlagsleiter und connect-Herausgeber Dirk Waasen, beleuchtete das Gremium die damit verbundenen Herausforderungen. Hier die wichtigsten Ergebnisse.

How to make mobile networks sustainable Telekom, Vodafone and Telefónica?

Quelle: connect
We invited Tanja Richter, Managing Director and Network Director at Vodafone Deutschland, Mallik Rao, Chief Technology Officer at Telefónica Deutschland, Driton Emini, Vice President of Network Evaluation and Strategy at Deutsche Telekom, and Hakan Ekmen, Global Networks Lead, Comms Industry and also CEO umlaut, part of Accenture. The reason for the high-level meeting: Mobile networks must and want to become more energy efficient. In a roundtable discussion, moderated by publishing director and connect editor Dirk Waasen, the panel looked at the challenges involved. Here are the most important results - the complete discussion is available as a video recording.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Die Energiekosten sind mittlerweile einer der größten Kostenblöcke bei Mobilfunkbetreibern. Wie haben sie sich in jüngster Zeit entwickelt?

Tanja Richter, Vodafone:

Diese Kosten sind dramatisch gestiegen. Hinzu kommt, dass der Datenverkehr auch um 40 bis 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat. Trotz dieses Anstiegs ist der Energieverbrauch in unserem Netz weitgehend konstant geblieben – ich denke, das ist eine große Leistung. Möglich wurde das, weil schon 5G allein einen effizienteren Transport erlaubt. Und zusätzlich durch Energiesparfunktionen – wie Herunterfahren von Kapazität, wenn sie nicht benötigt wird. Dennoch ist unsere Energierechnung ganz erheblich gewachsen.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Sie alle haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2040 „Net Zero“ zu erreichen. Das sind 17 Jahre von jetzt an. Was können Sie tun, um grünere Netze aufzubauen?

Mallik Rao, Telefónica:

Einen Schritt haben wir in Deutschland vor einiger Zeit erfolgreich durchgeführt: die Abschaltung der – vergleichsweise ineffizienten – 3G-Netze. Ein weiterer Aspekt ist passives Infrastruktur-Sharing. Wir drei Netzbetreiber teilen also Standorte und dort Elemente wie Stromversorgungen und Antennenmasten. Das ist sinnvoller als alles drei Mal aufzubauen – mittlerweile nutzen wir das schon in bis zu 40 Prozent unserer Netze. Eine dritte Triebfeder ist dann noch die Migration von Technik, die bislang in Rechenzentren oder in den Mobilfunkbasisstationen stand, in die Cloud. Auch das reduziert den Energieverbrauch deutlich. Auf dem Weg zu „Net Zero“ gibt es aber weitere Meilensteine. Der nächste sind Scope 1 und Scope 2, bei denen wir 2025 CO2-neutral sein wollen.

Dabei ist Scope 1 im Grunde die Energie, die wir in unseren Büros und Netzelementen verbrauchen. Und bei Scope 2 geht es im Wesentlichen darum, woher wir diese Energie beziehen. Wenn wir dann noch weiter in die Zukunft schauen – und netto null CO2-Emissionen in 2040 anstreben –, dann müssen wir als Branche zusammenarbeiten. Da geht es dann um unsere Liefer- und Wertschöpfungsketten, und damit auch um die eingesetzten Technologien. Das müssen die Schwerpunkte sein, wenn wir gemeinsam vorankommen wollen.

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Tanja Richter, Geschäftsführerin und Netzdirektorin bei Vodafone Deutschland: "Man schaltet das Licht aus, wenn man ein Zimmer verlässt – weil wir wissen, dass wir es auch schnell wieder einschalten können. In Mobilfunknetzen geht das heute ganz ähnlich.“
© Vodafone

Driton Emini, Deutsche Telekom:

Genau dieselben Themen haben wir auch bei der Deutschen Telekom. In Ergänzung: Wir arbeiten sehr eng mit unseren Lieferanten zusammen, um die besten Einstellungen und Konfigurationen für die Energiesparfunktionen im Netz zu finden. Dabei ist das Ziel, dass dies keine Auswirkung auf die Leistung haben soll, die beim Kunden ankommt. Das machen wir als Netzbetreiber schon lange, aber der nächste Schritt sollte in der Tat sein, hier auch als Branche entsprechende Entwicklungen voranzutreiben.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

umlaut misst die Leistungen der Netze ja rund um die Uhr. Hakan, was ist da zu sehen? Sind durch die Energiesparmaßnahmen wirklich keine Einschränkungen des Kundenerlebnisses zu beobachten?

Hakan Ekmen, Accenture:

Diesen Trend haben wir schon vor Jahren erkannt und in unseren Metriken berücksichtigt. Wir haben deshalb einen großen Teil unserer Bewertungen auf alltagsrelevante Leistungen und Zuverlässigkeit ausgerichtet. Dabei haben wir in den letzten 12 Monaten tatsächlich keine nennenswerten Beeinträchtigungen oder negative Auswirkungen von Energiesparmaßnahmen gesehen. Wir werden unsere Methodiken künftig auch noch weiter in diese Richtung ausbauen. Wichtig werden etwa die spektrale Effizienz und die Leistung pro abgestrahltem Watt. Wichtig ist aber auch, dass wir die zukünftigen Nachhaltigkeits-KPIs zunächst nicht regelmäßig anheben – ich denke an eine Pause in den nächsten beiden Jahren. Wenn es der Industrie gelingt, die heutige Performance in Bezug auf Nachhaltigkeit zu halten und dabei den Energieverbrauch zu senken, wollen wir das unterstützen und in unseren Netztests berücksichtigen.

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Mallik Rao, Chief Technology & Information Officer bei Telefónica Deutschland: „Nach den Regulierungsvorgaben müssen wir jederzeit und überall 100 Mbit/s zur Verfügung stellen – ob sie genutzt werden oder nicht.“
© Telefónica

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Wie wichtig ist denn den Kunden, dass die Netze umweltfreundlich sind? Würden Sie zustimmen, dass Kunden darauf heute mehr Wert legen?

Tanja Richter, Vodafone:

Genau das haben wir unsere Kunden vor einiger Zeit gefragt – und waren tatsächlich etwas überrascht vom Ergebnis. 60 Prozent der Kunden gaben an, dass ihnen ein energieeffizientes und nachhaltiges Netz wichtig ist. Ich glaube aber auch, dass beides zusammenpassen kann – ein effizienter Betrieb des Netzes muss keine Auswirkungen auf das Kundenerlebnis haben. Es gibt klare Anwendungsfälle – etwa über Nacht nicht benötigte Kapazitäten herunterzufahren. Schließlich schaltet man ja auch das Licht aus, wenn man das Zimmer verlässt. In unserem Alltag tun wir das auch deshalb, weil wir wissen, dass wir es schnell wieder einschalten können, wenn wir es wieder brauchen. Mit dem Ein- und Ausschalten von Netzkapazitäten geht das heute ganz ähnlich. In einem Pilotprojekt mit rund 100 Stationen haben wir gesehen, dass wir so die Menge Energie einsparen können, mit der sich 3000 Haushalte versorgen lassen. Das Potenzial ist also riesig.

Driton Emini, Deutsche Telekom:

Ein weiteres Beispiel sind Stadien. Wenn wir etwa berücksichtigen, wann die Allianz-Arena wirklich genutzt wird, dann müssen wir dort nicht rund um die Uhr volle Netzleistung zur Verfügung stellen. Ähnliches gilt für Einkaufszentren. Wir müssen aber auch schauen, was es bedeutet, die Netze weiter auszubauen – sowohl vertikal, also etwa durch parallele Nutzung mehrerer Frequenzen, als auch horizontal, also durch Aufbau weiterer Stationen. Beides verbraucht zusätzliche Energie, die wir an anderer Stelle kompensieren sollten.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Wir als connect sind natürlich ein bisschen mit Schuld daran, dass die Anforderungen an Datenraten immer weiter in die Höhe gingen ...

Mallik Rao, Telefónica:

Das stimmt schon, aber es war gut. Es war ehrlich gesagt sehr sinnvoll, dass wir als Anbieter alle dazu getrieben wurden, ein gewisses Niveau zu erreichen. Aber jetzt haben wir sehr gute Netze, und diese Differenzierung über Höchstgeschwindigkeiten wird auf Dauer ein bisschen langweilig. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir den Fokus in Zukunft verschieben – von maximaler Performance auf optimale Performance. Was brauche ich als Kunde wirklich, um bestimmte Funktionen zu nutzen oder bestimmte Inhalte zu konsumieren? Muss es unterwegs wirklich immer Ultra-HD sein?

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Aber es war ja nicht nur connect, auch die Vorgaben durch die Regulierungsbehörde BNetzA spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle.

Mallik Rao, Telefónica:

Absolut, und das ist ein Problem. Nach den Vorgaben müssen wir zum Beispiel jederzeit und überall 100 Mbit/s zur Verfügung stellen – ob sie genutzt werden oder nicht. Viel sinnvoller wäre doch, in der Nacht in Regionen mit geringer Nutzung nur eine Trägerfrequenz mit weniger Kapazität zu betreiben. Und wenn dann ein Kunde oder mehrere Kunden mehr Leistung abfordern, schalten wir weitere Trägerfrequenzen dazu. Wie Tanja schon gesagt hat, ist das heute problemlos möglich. Aber um dies mit maximaler Konsequenz tun zu können, müssen wir erst den Regulierer davon überzeugen.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Bildlich gesprochen müssen Sie 24 Stunden den Motor laufen lassen, egal, ob Sie mit dem Auto fahren oder nicht.

Hakan Ekmen, Accenture:

Wir haben zum Beispiel Messungen in Einkaufszentren durchgeführt. Dort gibt es eine Verkehrsspitze in vielleicht fünf oder sechs Stunden am Tag. Den Rest der Zeit wird die Mobilfunkversorgung kaum genutzt. Ich denke, dass man an solchen Orten sehr leicht die Effizienz steigern kann.

Driton-Emini Deutsche Telekom
Driton Emini, Vizepräsident für Netzevaluierung und Strategie bei der Deutschen Telekom: „Bisher sind wir von Geschwindigkeit getrieben worden. Nun gibt es einen Wandel von der Geschwindigkeit zur Wertmaximierung und Optimierung.“
© connect

Driton Emini, Deutsche Telekom:

Dem kann ich nur zustimmen. Bisher sind wir von Geschwindigkeit getrieben worden. Nun gibt es einen Wandel von der Geschwindigkeit zur Wertmaximierung und Optimierung. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um über diese Themen und Initiativen zu diskutieren und sie zu starten.

Tanja Richter, Vodafone:

Ich denke, dass ich für uns alle spreche, wenn ich sage, dass wir uns auch bei diesen Aktivitäten gerne benchmarken lassen. Wenn mal der eine Anbieter bei der Nachhaltigkeit die Nase vorn hat und mal ein anderer, dann spornt das wieder einen Wettbewerb an. Und sicher können wir dann auch voneinander lernen.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten – was müsste passieren, um schneller in Richtung Net Zero voranzukommen?

Mallik Rao, Telefónica:

Es wird sicher wichtig sein, mehr Aufklärung zu betreiben – sowohl gegenüber den Kunden als auch den Regulierungsbehörden. Wir haben ja jede Menge Hebel – in den Basisstationen, bei der Automatisierung, im Transportnetz, im Kernnetz, in den Rechenzentren. Vieles davon braucht aber auch Bewusstsein bei den Kunden: Ist es wirklich nötig, einen großen Download unterwegs zu starten? Und ich wiederhole: Künftig sollte es keine Mindestanforderungen mehr geben, sondern stattdessen Anforderungen, die auf optimale Nutzererfahrung zielen.

Driton Emini, Deutsche Telekom:

Noch ein weiteres Beispiel, wie die Politik unterstützen kann – indem sie die Genehmigungen für Windkraft oder Photovoltaikanlagen erleichtert. Und mehr Raum dafür in den Kommunen schafft – zum Beispiel auf geeigneten öffentlichen Gebäuden. Wir möchten viel mehr von dem Strom, mit dem wir unsere Netze betreiben, selbst erzeugen. Aber oft ist das wegen heute gültiger Vorschriften gar nicht möglich.

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Tanja Richter, Vodafone:

Da stimme ich absolut zu. Es ist ziemlich aufwendig, Solarpanels sogar auf seinem eigenen Grundstück zu installieren. Da ließe sich noch einiges verbessern.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Wie würde es sich auswirken, wenn sich diese rechtlichen Vorgaben ändern ließen – sowohl für die Mindestversorgung als auch bezüglich erneuerbarer Energien?

Mallik Rao, Telefónica:

Bei Telefónica haben wir rund 28.000 Basisstationen. Bei meinen Kollegen ist es ähnlich, gemeinsam kommen wir bestimmt auf 60.000 oder mehr. Wenn wir an jeder davon 20 bis 30 Prozent Energie einsparen können, ist das ein ziemlich großer Hebel.

Driton Emini, Deutsche Telekom:

Und wenn wir uns anschauen, wie jetzt noch KI und Automatisierung dazukommen, dann haben wir künftig noch weitere Werkzeuge, mit denen wir bei diesen Themen an Fahrt aufnehmen können.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

Wie kann die KI beim Stromsparen helfen?

Tanja Richter, Vodafone:

Zum Teil ist das heute schon in den Systemen enthalten. Mit KI-Hilfe lässt sich die Netzkapazität anpassen und vorausplanen. Die erste KI-Schicht bringt bereits rund zehn Prozent Einsparung. Eine zweite Schicht könnte nochmal weitere zehn Prozent beitragen.

Dirk Waasen, Herausgeber connect:

All das muss unbedingt passieren. connect wird seinen Teil dazu beitragen. Vielen Dank an Sie alle!

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