Handy-Hersteller-Historie
Die Geschichte von Nokia
Als Weltmarktführer hat der Handy-Hersteller Nokia einst die mobile Kommunikation revolutioniert. Dann häuften sich die Managementfehler, auf dem Smartphone-Markt übernahmen Unternehmen wie Apple und Samsung die Führung. Nun ist die Traditionsmarke Nokia Geschichte.

Wir haben für Sie die Erfolgsgeschichte des Handy-Herstellers Nokia auf einen Blick zusammengefasst.
Historie
- 1967: Der Technologiekonzern Nokia entsteht aus drei Firmen, die Papier herstellen, Gummi verarbeiten und Elektrokabel produzieren
- 1981: Nokia fertigt die ersten Autotelefone für das skandinavische NMT-Netz, ab 1987 auch portable Geräte
- 1998: Das Unternehmen wird zum weltgrößten Handyhersteller und verteidigt den Spitzenplatz bis 2011
- 2011: Nokia rutscht in die Verlustzone, gibt eine Allianz mit Microsoft bekannt und setzt auf Windows Phone
- 2013: Am 3.September verkauft Nokia seine Mobilfunksparte an Microsoft - außer dem Netzwerkgeschäft
Hannover 1996. Auf der CeBIT feiert unter den staunenden Augen der Weltpresse ein Kommunikationsgerät Premiere, wie es noch keines gegeben hat: der Nokia 9000 "Communicator" für 2.999 D-Mark (knapp 1.500 Euro). Das Büro im Westentaschenformat ist ein Mobiltelefon, das sich aufklappen lässt und den Luxus einer kompletten Tastatur und eines breiten Bildschirms bietet. Per Knopfdruck kann man Telefonbuch, Kalender und einen rudimentären Internetbrowser aktivieren.
Eine weitere Besonderheit stellt die gelenkige Antenne dar, die selbst unter schwierigen Bedingungen für Empfang sorgen soll. Das rund 400 Gramm schwere Handybrikett ist das erste richtige Smartphone - vor dem Palm Pilot und den iPAQ-Organizern von Compaq, die später ebenfalls mit Telefonfunktionen aufwarten können.
Auch im knapp 1.300 Kilometer entfernten Helsinki wird der gloriose Messeauftritt mit Begeisterung verfolgt - hat sich das Unternehmen, das 1865 im Örtchen Nokia gegründet wurde, doch zuvor vor allem einen Namen als Lieferant von Gummistiefeln, Elektrokabeln und Videorekordern gemacht.
Aufstieg zur Nummer eins
Dass die Finnenfirma in Rekordzeit zum Shooting Star der IT-Branche aufsteigt, hat zwei Gründe: Nokia zeigt mit der Communicator-Reihe, wie man Mobiltelefone in Kleincomputer verwandelt. Und das Unternehmen erkennt die Chancen des ersten echten Mobilfunkstandards GSM früher als andere, überschwemmt den Markt mit attraktiven, günstigen Taschensprechern wie dem Nokia 3210.
Als der Verkaufsschlager 1999 mit einer bunten Palette an Wechselschalen in den Handel kommt, ist die Firma aus Espoo Weltmarktführer: 2002 steht Nokia mit 35,8 Prozent Marktanteil auf dem Gipfel seines Erfolges, während Motorola (15,3), Samsung (9,8), Siemens (8,2) und Sony Ericsson (6,7) mit den Plätzen zwei bis fünf vorlieb nehmen müssen (Quelle: Gartner Dataquest).

Ihre Ausnahmestellung verteidigen die Ingenieure um den langjährigen, ehrgeizigen CEO Jorma Ollila mit zahlreichen weiteren Innovationen. So bringt Nokia mit dem 7110 das erste WAP-Handy heraus, dessen großzügiger monochromer Bildschirm textbasierte Webseiten darstellen kann.
Dieses Modell wird aber kein Bestseller - das Wireless Application Protocol bleibt ein unausgereifter Versuch, das Internet auf ein Handydisplay zu quetschen.
Auch das erste Kamerahandy für die breite Masse trägt den Schriftzug der Finnen. Dass die Auflösung des Nokia 7650, das mit einem cleveren Schiebemechanismus ausgestattet ist, nur Schnappschüsse mit einer Auflösung von 640 x 480 Pixeln zulässt, stört 2002 keinen. Schließlich kann man mit dem 7650 endlich Bilder vom Strand auf Mallorca oder Sylt an die Daheimgebliebenen versenden - Whatsapp, Snapchat und Co. sind noch nicht erfunden.

Natürlich stammt auch das bestverkaufte Handy aller Zeiten von Nokia: Das Modell mit der Kennziffer 1100 geht bis 2013 mehr als 250 Millionen Mal über die Ladentheke. Trotz oder wegen der grobkörnigen 96-x-65-Pixel-Anzeige, des mitgelieferten Kultspiels "Snake" und der integrierten Taschenlampe?
Über diese Fragen lässt sich streiten. Fest steht allerdings, dass einige Exemplare, die im Nokia-Werk Bochum gebaut wurden, zeitweise regelrechte Traumpreise erzielen: Kriminelle zahlen für die mit einem Softwarefehler behafteten Geräte mehr als 20.000 Euro, weil sie sich offenbar dazu eignen, TAN-Nummern für mobile Online-Bankingdienste auszuspähen.
Business ist usual
Der Erfolgsgeschichte des Hauses schaden solche Negativschlagzeilen nicht, zumal die Finnen nicht nur ständig ihre Communicator-Serie für das obere Management weiterentwickeln, sondern auch eine üppige Produktpalette für Businessmenschen mit weniger prall gefülltem Portemonnaie vorhalten.
Zum Beispiel das Nokia 6210, das bei 114 Gramm Gewicht eine für damalige Verhältnisse lückenlose Profiausstattung bietet: Speicher für 500 Telefonbucheinträge und 150 SMS, schneller Datenfunk per HSCSD, 260 Stunden Standby-Zeit, eingebaute Antenne.
Oder den Nachfolger 6310i, der nicht nur wegen seiner robusten Bauweise überzeugt, sondern auch mit hervorragenden Funkeigenschaften.
Während viele Handynutzer bei diesen Klassikern heute noch in den Romantik-Modus verfallen, ist ein weiterer Nokia-Meilenstein fast vergessen: Das Internet Tablet 770 mit Touchscreen und Stift kommt fünf Jahre vor dem ersten iPad auf den Markt.
Ein Erfolg wird der Tablet-Vorreiter dennoch nicht: Das Linux-Betriebssystem wirkt unausgegoren, der elegante Flachrechner eignet sich vor allem als Beschäftigungsprogramm für Nerds. Auch am hauseigenen Betriebssystem der Serie 60, das bei vielen höherwertigen Handys eingesetzt wird, kommt zunehmend Kritik auf, weil es als veraltet gilt und den Nutzer allzu sehr fordert.
Zeitenwende mit dem iPhone
Doch Nokia verweist auf seine hohen Verkaufszahlen, frickelt weiter - und reagiert mit der Überheblichkeit des ewigen Champions, als der Handy-Nobody Apple 2007 ein Smartphone mit Multitouch-Display vorstellt. Schließlich schmückt sich die führende Smartphone-Plattform Symbian OS, die Nokia auf zahlreichen Businessgeräten einsetzt, mit einem Marktanteil von fast 63 Prozent.
Dass ein Mobilfunkgerät mit Gestensteuerung die Massen bewegt, kann das Management nicht glauben. CEO Olli-Pekka Kallasvuo hält das iPhone für ein "Nischenprodukt". Mit einer Antwort lassen sich die Finnen reichlich Zeit und enttäuschen ihre Fans: Die Modelle 5800 Xpress Music und X6 bieten zwar endlich einen Touchscreen und geben wie das Apfel-Handy den Vollblut-Entertainer, lassen sich aber bei Weitem nicht so flüssig bedienen und verkaufen sich mäßig.
Googles Generalangriff mit Android leitet dann den Anfang vom Ende der Marke Nokia ein. Gegen die Dominanz von Samsung, LG und Co., die den Markt mit Androiden in allen Preisklassen fluten, geraten die Finnen immer mehr ins Abseits und rutschen 2011 in die roten Zahlen.
Als Microsoft zur Übernahme eilt, ist es fast zu spät: Windows Phone tut sich trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten schwer, der übermächtigen Konkurrenz Kunden abzujagen. Nun will es Microsoft offenbar ohne die einst so ruhmreiche Marke versuchen. Das finnische Handywunder ist zu Ende, aber ans Abdanken denkt man bei Nokia nicht: Neben der Netzwerksparte soll der hervorragende Kartendienst "Here" neue Wachstumsfelder erschließen - mit Geodaten für die selbstfahrenden Autos von morgen.