Huawei Mate X6 getestet: Technisch top, aber ohne 5G
Mehr zum Thema: HuaweiDas Mate X6 zeigt, dass Huawei bei Smartphones weiter ganz vorne mitspielt: Das XXL-Foldable hat eines der besten Kamerasysteme und beeindruckt mit einem ultraflachen Design. Auch wenn es für Google-Dienste Lösungen gibt, bleiben die US-Sanktionen ein Handicap. Im Test zeigen wir, was geht und was weiter fehlt.

Preise und Marktüberblick Huawei verkauft das Mate X6 für atemberaubende 1.999 Euro. Ein stolzer Preis, aber kein Einzelfall. Der Markt für XXL-Foldables ist auch deshalb so überschaubar, weil die Preise so hoch sind. In Deutschland gibt es momentan nur drei Konkurrenten für das X6, an erster S...
Preise und Marktüberblick
Huawei verkauft das Mate X6 für atemberaubende 1.999 Euro. Ein stolzer Preis, aber kein Einzelfall. Der Markt für XXL-Foldables ist auch deshalb so überschaubar, weil die Preise so hoch sind. In Deutschland gibt es momentan nur drei Konkurrenten für das X6, an erster Stelle steht Marktführer Samsung mit dem Galaxy Z Fold 6 für 1.639 Euro (439 von 500 Punkten im connect-Test). Google setzt mit dem Pixel 9 Pro Fold (432 von 500 Punkten im connect-Test) auf einen kompakteren Formfaktor, bleibt aber mit 1.699 Euro genauso hochpreisig. Das technisch anspruchsvollste Foldable ist aber das Honor Magic V3, das mit 448 Punkten im connect-Test die Foldable-Bestenliste anführt und 1.625 Euro kostet.

Design und Formfaktor: Ultraflach mit großer Beule
Huawei verkauft das Mate X6 mit schwarzer oder roter Kunstlederrückseite, andere Varianten werden in Deutschland nicht angeboten. Das weiche Material mit der vernarbten Oberfläche sieht nicht nur sehr gut aus, es fühlt sich auch angenehm an und ist dabei rutschfest und unempfindlich gegen Fingerabdrücke. Eingefasst wird es von einem glänzenden Aluminiumrahmen, der konvex gerundet ist. Hier stimmt die Haptik, zudem gibt sich der Rahmen sehr verwindungssteif und vermittelt eine hohe Stabilität.
Das gilt auch für die Scharnierkonstruktion, die keinerlei Spiel in der Fassung hat und sich in einer beliebigen Position anwinkeln lässt. Huawei hat hier drei Nockenwellen statt der sonst üblichen zwei Nockenwellen eingebaut und damit die Stabilität verbessert. Trotz der ultraflachen Maße wirkt das Smartphone sehr stabil und robust, man hat den Eindruck, dass es auch nach einem Jahr mit dem gleichen Widerstand auf- und zuklappt. Dazu passt auch die IPX8-Zertifizierung, die das Phone wasserfest macht.

Die Kameraeinheit steht mit 6 Millimeter außerordentlich weit heraus, was der ultraflachen Bauform geschuldet ist - aufgeklappt ist das Foldable nur 5 Millimeter dünn. Die ausgeprägte Beule auf der Rückseite ist gewöhnungsbedürftig und sicher nicht jedermanns Geschmack. Wir konnten uns aber gut damit arrangieren, weil sie nicht in einer harten Stufe absteht, sondern in einer sanften Kurve aufsteigt, und zwar genau an der Stelle, wo der Zeigefinger die Rückseite berührt. Wir haben sie als Auflage für den Zeigefinger benutzt.
Stark: Das Mate X6 ist mit 239 Gramm nur geringfügig schwerer als ein normales Smartphone, Huawei bewegt sich hier auf einer Stufe mit Honors Rekordhalter Magic V3 (235 Gramm).

Huawei Mate X6 technische Daten
- Preis und Speicher: 1.999 Euro mit 12/512 GB
- Farben: Schwarz, Rot
- Größe und Gewicht: 144 x 157 x 5 Millimeter (offen) / 74 x 157 x 10 Millimeter (geschlossen) und 239 Gramm
- SoC: HiSilicon Kirin 9020 (8-Kerner mit 2,5 GHz)
- Außendisplay: OLED mit 120 Hz, 6,45 Zoll im Format 21:9 und 2.440 x 1.080 Pixel
- Innendisplay: OLED mit 120 Hz, 7,93 Zoll im Format 10:9 und 2.440 x 2.240 Pixel
- Hauptkamera: Ultraweitwinkel mit 40 MP und F2.2, Weitwinkel mit 50 MP und F1.4-F4.0, 4x Tele mit 48 MP und F3.0
- 2 Frontkameras (aufgeklappt und zugeklappt) mit jeweils 8 MP und F2.4 beziehungsweise F2.2
- Konnektivität: LTE, WiFi 6, Bluetooth 5.2, NFC, USB-C (3.2 Gen 1)
- SIM: Nano-SIM + Nano-SIM
- Akku mit 5.200 mAh, Wireless (Reverse) Charging unterstützt
- System: EMUI 15
- Besonderheiten: wasserfest nach IPX8, 66-Watt-Netzteil mitgeliefert
Displays mit schmalen Rändern und hoher Leuchtkraft
Das Außendisplay entspricht mit einer Diagonale von 6,45 Zoll, 120 Hertz Bildwiederholrate und einer Auflösung von 1.080 x 2.440 Pixeln dem Standard, man kann das Mate X6 zugeklappt also so nutzen wie ein normales Smartphone. Weil es so dünn ist, liegt es geschlossen spürbar besser in der Hand als etwa ein Samsung Galaxy Fold 6. Die Vorderseite wird nicht von Gorilla Glas geschützt, sondern vom chinesischen Pendant Kunlun Glas 2. Leuchtkraft, Blickwinkelstabilität und Farbwiedergabe sind top.
Das gilt auch für das große Innendisplay, das Inhalte auf 7,93 Zoll fast im Tablet-Format ausbreitet, natürlich ebenfalls mit 120 Hertz. Positiv fallen die schmalen und symmetrischen Ränder auf. Stark: Die Falz, also die Knickstelle des OLED, ist nur sichtbar, wenn man ganz genau hinschaut - hier haben die Huawei-Ingenieure ganze Arbeit geleistet.

Kameraeinheit mit hoher Auflösung und starkem Zoom
Die mächtige Kameraeinheit weckt hohe Erwartungen, die nicht enttäuscht werden. Herzstück des Kamerasystems ist ein Weitwinkel mit 50-MP-Sensor und variabler Blende. Es wird flankiert von einem Superweitwinkel mit der hohen Auflösung von 40 MP und einem optischen Vierfachtele mit Periskopzoom (48 Megapixel), das auch Makroaufnahmen ermöglicht. Dazu gesellt sich eine vierte Optik, deren Sensor ähnlich wie ein Spektrometer die spektralen Eigenschaften der Umgebung vermisst und auf dieser Basis die Farben von Haut, Kleidung und anderen Elementen besonders präzise erfassen und wiedergeben kann.
Die Farbwiedergabe ist in der Tat besonders realistisch. Generell ist die Fotoqualität sehr gut, vom Superweitwinkel über das Standardobjektiv bis hin zu den Makroaufnahmen. Dabei ist die variable Blende ein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings ist der Effekt bei einem Wechsel von F1.4 zu F4.0 begrenzt, beziehungsweise stark vom Motiv abhängig. Unabhängig davon lässt sich aber konstatieren, dass das Mate X6 in puncto Bildqualität und Funktionsumfang zu den besten XXL-Foldables gehört, die man kaufen kann.

Prozessor und Connectivity mit Problemen
Beim Prozessor fällt Huawei dagegen stark zurück. Wegen der US-Sanktionen hat das Unternehmen keinen Zugriff auf die hochentwickelten Plattformen von Qualcomm und MediaTek und muss stattdessen auf Eigenentwicklungen setzen. Und wenn man sich anschaut, welche großen Entwicklungsschritte die Chinesen in den letzten Jahren bei der Halbleitertechnologie gemacht haben, dann liegt die Schlussfolgerung nahe, dass es nur eine Frage von wenigen Jahren ist, bis sie zu Qualcomm & Co aufgeschlossen haben.
Momentan ist Huawei aber noch im Rückstand: Der Kirin 9020 der Huawei-Tochter HiSilicon liegt bei der Performance schätzungsweise zwei Generationen zurück, bewegt sich also auf dem Niveau eines Qualcomm Snapdragon 8 Gen 1, der 2022 die erste Wahl für Top-Smartphones war. Die Grafikleistung hängt sogar noch weiter hinterher. Auch wenn das System flüssig reagiert und im Alltag keine Wünsche offen lässt, ist ein SoC, das nicht up-to-date ist, bei einem 2.000-Euro-Smartphone ein Handicap. Es geht ja auch darum, wie lange das Gerät neue Systemversionen per Update bekommt.
Aber noch viel schwerer wiegt der erzwungene Verzicht auf den modernen Mobilfunkstandard 5G. Man kann natürlich argumentieren, dass es sich sich in Deutschland auch mit 4G und ohne 5G gut mit dem Smartphone leben lässt. Das mag momentan stimmen, aber wie schaut es in einem Jahr aus? Die Netzbetreiber schieben immer mehr Kapazitäten von 4G rüber ins 5G-Netz, das weiter stark ausgebaut wird. Und auch wieder kommt der hohe Preis hinzu: Ein Premium-Smartphone ohne den wichtigsten Mobilfunkstandard ist nur schwer vermittelbar.
Auch bei Bluetooth fällt Huawei zurück, nur die ältere Version 5.2 wird unterstützt, die Erweiterungen LE und Auracast fehlen (der LDAC-Codec für HiRes-Audio ist immerhin an Bord). Im WiFi-Netzt sieht es besser aus, hier wird WiFi 6 inklusive 6E unterstützt. Dual-SIM ist möglich, aber nur per Nano-SIM eine eSIM fehlt.

Google-Apps mit microG
Ein weiterer Stolperstein für Huawei-Smartphones in Deutschland und Europa ist der erzwungene Verzicht auf Google-Dienste. Denn Google ist auf Android-Smartphones omnipräsent, viele Dienste im Hintergrund nutzen Google-Technologie, hinzu kommt der Google Play Store mit seiner App-Vielfalt. Es gibt aber mittlerweile einen einfachen Workaround, wie man Google auf Huawei-Smartphones bekommt. In dieser Anleitung haben wir notiert, wie es funktioniert, es dauert nur ein paar Minuten, bis Google vollumfänglich auf dem Mate X6 läuft. Mit einer Ausnahme: Mobiles Bezahlen per Google Pay ist weiterhin nicht möglich.

Von Google einmal abgesehen präsentiert sich das Huawei-Betriebssystem EMUI in Version 15 auf der Höhe der Zeit. Es gibt eine Vielzahl von Multitasking-Optionen, die die Vorteile des großen Displays geschickt ausnutzen, außerdem viele Anpassungsmöglichkeiten und eine moderne Optik. Wer vom Homescreen aus nach rechts wischt, kommt in den Today-Startbildschirm mit Assistant Cards, eine Übersichtsseite, die mit Widgets personalisiert werden kann und einen kompakten Überblick bietet - Apple und Google haben ähnliches im Programm.

Überzeugende Akkulaufzeit
Der Akku ist mit 5.200 mAh deutlich größer als etwa im Galaxy Fold 6 (4.400 mAh). Im Battery Mark haben wir knappe 20 Stunden erreicht, ein sehr guter Wert. Das Galaxy Fold 6 erreicht hier knappe 17 Stunden. Mit dem Mate X6 kommt man also problemlos durch den Tag, selbst bei intensiver Nutzung. Aufgeladen wird in weniger als einer Stunde mit dem mitgelieferten 66-Watt-Netzteil oder kabellos mit maximal 15 Watt. Dabei unterstützt das X6 auch Reverse Charging, lädt also auch Peripheriegeräte wie Kopfhörer wieder kabellos auf.
Nur für Hardcore-Fans eine Option
Das Mate X6 punktet mit einem ultraschlanken und hochwertigen Design und einem herausragenden Kamerasystem. Mit dem XXL-Foldable zeigt Huawei eindrucksvoll, dass sie technisch immer noch ganz weit oben mitspielen. Aber die US-Sanktionen machen eine Empfehlung schwer. Denn im Gegensatz zu Google-Diensten kann man 5G nicht einfach nachrüsten. Auch der Prozessor ist für diese Preisklasse nicht up to date. So bleibt nur die undankbare Nischenrolle. Schade.