Marshall Kilburn II im Test
Die Traditionsmarke Marshall bringt mit dem Kilburn II einen Bluetooth-Lautsprecher der Extraklasse in den Handel. Wie gut ist der Klang? Connect hat nachgemessen.

Dass man bei den Bluetooth-Lautsprechern von Marshall per Drehregler Bass und Treble individuell einstellen kann, ist ein Luxus, den kaum ein anderer Hersteller bietet. Dafür muss man aber im Gegenzug einiges auf den Tisch legen: Der Kilburn II kostet satte 300 Euro und sofort stellt sich die Frage...
Dass man bei den Bluetooth-Lautsprechern von Marshall per Drehregler Bass und Treble individuell einstellen kann, ist ein Luxus, den kaum ein anderer Hersteller bietet. Dafür muss man aber im Gegenzug einiges auf den Tisch legen: Der Kilburn II kostet satte 300 Euro und sofort stellt sich die Frage, ob man das Geld nicht besser in ein Multiroom-System investieren sollte. Dafür muss man nicht einmal die Marke wechseln, Marshall hat mit dem Stanmore (250 Euro) das passende Produkt im Angebot. Gegenüber diesem hat der Kilburn II allerdings zwei unschlagbare Vorteile: Dank integriertem 2500-mAh-Akku ist eine Party ohne Steckdose kein Problem und die IPX2-Zertifizierung sorgt dafür, dass die Box einen Regenschauer problemlos übersteht.
Doch Vorsicht: IPX2 ist eine schwache Schutzklasse, definiert als “Schutz gegen schräg fallendes Tropfwasser”. Leichter Regen ist sicher kein Problem, aber einen Gewitterschauer dürfte diese Box nicht überstehen. Wir haben es nicht ausprobiert, im Gegensatz zur Akkulaufzeit: In unserem Test mit mittlerer Lautstärke waren einmal gute 16 und einmal knappe 17 Stunden drin. Das Ergebnis ist also nahe an den vom Hersteller angegeben 20 Stunden. Eine vollständige Aufladung dauert etwa zweieinhalb Stunden, ein Netzkabel gehört selbstverständlich zum Lieferumfang.
Unverwechselbar Marshall
Das Retro-Design mit den vernarbten Kunststoff-Oberflächen, den metallenen Drehreglern und Knöpfen und dem metallenen Lautsprechergitter überzeugt auf Anhieb. Marshall spielt hier sehr geschickt mit den Zeiten, als auf jeder Konzertbühne mindestens ein Gitarrenverstärker mit dem kultigen Schriftzug stand. Auch heute ist Marshall der weltweit führende Hersteller von Gitarrenverstärkern, gleichzeitig versucht man aber, mit neuen Produkten wie Kopfhörern und Lautsprechern neue Käuferschichten zu erschließen. Und indem man diese Produkte optisch an das hauseigene Profi-Musikequipment anlehnt, grenzt man sich zum einen von der Konkurrenz ab, zum anderen überträgt man den ikonischen Markenkern auf neue Produkte.
Die Verarbeitung ist top und wird dem Premium-Anspruch voll gerecht. Im Vergleich mit dem Kilburn I hat Marshall die Bedienelemente auf der Oberseite entschlackt, es gibt keinen Kippschalter mehr und weniger Knöpfe. Die Akkuanzeige wurde dagegen verbessert, statt einer Leuchtdiode, die nur zwei Ladeszustände kennt (voll oder fast leer) informiert nun ein zehnfach abgestuftes LED-Band detailliert darüber, wie viel Power der Akku noch hat.
Der Kilburn II ist aber nicht so portabel, wie wir uns einen Bluetooth-Lautsprecher wünschen, denn mit kantigen Abmessungen von 24 x 16 x 14 Zentimetern passt das Teil in die wenigsten Rucksäcke und das Gewicht von 2,5 Kilogramm macht sich schon nach kurzer Tragezeit am Arm bemerkbar.

Moderne Bluetooth-Schnittstelle
Die Verbindung mit dem Smartphone ist kinderleicht und klappte im Test tadellos: Einfach die metallene Kopplungstaste am Lautsprecher länger drücken, dann in den Bluetooth-Einstellungen des Smartphones die Verbindung starten – fertig. Natürlich verbindet sich die Box nach dem Einschalten automatisch mit dem zuletzt gekoppelten Phone in der Nähe. Zudem wird Multi-Host unterstützt, das heißt, dass man sehr leicht zwischen zwei Bluetooth-Quellen wechseln kann. Alternativ lässt sich die Box auch über eine Klinkenbuchse mit Musik füttern. Die Vollaussteuerung der Box erreicht man per Miniklinken-Kabel aber erst mit etwa 0,8V – das ist mehr als die meisten Handys liefern können, was erklärt warum via Bluetooth ein lauterer Klang entsteht.
Im Gegensatz zum Kilburn I (Bluetooth 4.0) unterstützt der Nachfolger Bluetooth 5.0 samt aptX. Vor allem aptX macht hier den Unterschied, führt der Codec doch zu einer hörbaren Klangverbesserung über Bluetooth. Voraussetzung ist allerdings, dass das Smartphones aptX ebenfalls unterstützt, was bei modernen Geräten von der Mittelklasse aufwärts überwiegend der Fall ist.

Klang
Was die Box gut kann: Laut und dabei verzerrungsarm spielen. Das Gehäuse ist top konstruiert, da wackelt und scheppert auch mit lauten Sinustönen, wo jedes Nebengeräusch sofort auffällt, nichts. Nachweislich liefert der Kilburn II bis zu 100 dB in einem Meter Abstand (Messfrequenz 125 Hz, max. 10% THD), was für eine Box dieser Größe top ist. HiFi-Lautsprecher können oft auch nicht lauter spielen, aber gehen dabei tiefer oder sauberer zu Werke.
Was die Box weniger gut kann: Klangneutral sein. Der Kilburn II macht definitiv einen eigenen Sound. Wenn man den mag, dürfte man zufrieden sein. Das Frequenzgangdiagramm unten zeigt, ob bestimmte Frequenzen bevorzugt oder abgeschwächt wiedergegeben werden. Der rote Graph zeigt den Klang direkt vor der Box mit mittig eingestelltem Bass und Höhenregler. Der Frequenzgang verläuft recht wellig, der Bereich um 1,5 bis 3 kHz wird betont, der Sound wirkt dadurch etwas vordergründig. Der lila und hellgraue Graph illustrieren den Frequenzgang mit zu- oder aufgedrehten Höhen. Die Bässe reichen bis knapp unter die 60 Hz-Marke, so dass die Box bis auf tiefe Orgelbässe alle wesentlichen musikalischen Inhalte reproduzieren kann.

Im Hörtest fällt zudem auf, dass die Box bereits unter der Aussteuerungsgrenze deutlich komprimiert, die sonst schnalzenden Snares auf dem Steely Dan-Album „Two Against Nature“, hören sich an, also ob sie einen Rundfunk-Limiter durchlaufen. Der Kilburn II beherrscht auch wie von Marshall beworben Stereo, allerdings ist die Stereobasis nicht nur aufgrund der Lautsprecherbreite eingeschränkt: Vielmehr ist es so, dass alles was unter 2 kHz ist, von einem Treiber reproduziert wird.
Fazit
Der Kilburn II ist ein exzellenter Bluetooth-Lautsprecher, der laut spielt und Spaß macht. Er empfiehlt sich aber nicht unbedingt als klassische HiFi-Box mit Fokus auf eine natürliche Wiedergabe.