Messlabor
So testet AUDIO Verstärker
Ein Verstärker muss eigentlich nur die Eingangsspannung vergrößert ausgeben. Welche Fehler dabei passieren können, zeigen die Verstärker-Messungen im AUDIO-Messlabor. Wir geben einen Einblick ins Testlab.
- So testet AUDIO Verstärker
- Verstärkermessung: Ausgangsleistung

Die Forderung hört sich simpel an: Nimm das Signal am Eingang, mach es zwanzigmal größer und gib es am Ausgang wieder aus. Ein Verstärker hat es leicht. Denn andere Komponenten müssen je nach Typ mechanische oder optische in elektrische Informationen wandeln, sich auf Netzwerkprotokolle verstehen oder elektrische in akustische Energie wandeln. All das ist komplexer als das reine Verstärken eines Analogsignals.
Dennoch üben Verstärker eine magische Faszination aus. Vielleicht auch deshalb, weil es zum Teil widersprüchliche Wege gibt, gute Verstärker zu bauen. In den technischen Daten spiegeln sich unterschiedliche Ansätze wieder, was die Verstärkermesstechnik des für AUDIO arbeitenden Testlabs besonders interessant macht.
Frequenzgang
Wobei es beim Amplitudenfrequenzgang, wie es korrekt heißen müsste, einen Minimalkonsens gibt. Im Hörbereich (etwa 16 Hz bis maximal 20 kHz) sollte er linealgerade sein, wobei Abweichungen von 1dB zu klein sind, um wahrgenommen zu werden. Viele Hersteller nutzen das aus, indem sie den Frequenzgang unter 20 Hz und über 20 kHz begrenzen. Das kann als englische Schule gelten, da es Firmen wie Quad und Naim zur klangfördernden Praxis erhoben haben. Der Abfall zu tiefen Frequenzen hält die Kosten für hochwertige Koppelkondensatoren im Signalweg klein und verhindert, dass sehr tiefe Musikanteile oder Rumpelstörungen des Plattenspielers Tieftönern extreme Auslenkungen abverlangen – denn die führen auch zu Verzerrungen im Hörbereich. Ein früh begrenzter Tieftonbereich kann aber das Potenzial sehr tief in den Basskeller gehender Lautsprecher begrenzen und Aufnahmen in großen Sälen die Weiträumigkeit rauben.
Die Begrenzung zu hohen Frequenzen vermeidet erstens eine Beeinflussung des Verstärkers durch allgegenwärtige Hochfrequenz-Funkfelder und zweitens die Anregung des Verstärkers zu direkt unhörbaren, aber extrem kräftezehrenden Schwingneigungen. Drittens vermindert eine Begrenzung zu hohen Frequenzen die annähernde Kurzschlusswirkung kapazitiver Lasten, wie sie etwa einige Elektrostaten darstellen. Die Verfechter weit über den Hörbereich herausgehender Frequenzgänge, zu deren Wegbereitern einst der amerikanische Spezialist Spectral mit Bandbreiten von unter 1 bis über 1 Million Hertz (MHz) gehörte, reklamieren ein erhöhtes Auflösungsvermögen, gesteigerte Strahlkraft in den Höhen und mehr natürlichen Atem in den Tiefen für sich. Versteht der Amp-Entwickler sein Handwerk, sind Verstärker mit sehr hoher Bandbreite frei von Problemen mit Hochfrequenz-Einstreuung, Schwingneigung und kapazitiven Lasten einsetzbar. Versteht er es nicht, hat das Testlab auch schon mal einen diskreten Hinweis auf Probleme gegeben.

Interessant ist der Frequenzgang des Phono-Eingangs: Er muss der sogenanten RIAA-Kennlinie folgend die Bässe verstärken und die Höhen absenken, da Signale mit genau umgekehrtem Verlauf in die Schallplatte geschnitten werden. Durch diese Vorverzerrung gelingt es, extreme Rillenauslenkungen bei tiefen Frequenzen zu vermeiden. Die Entzerrung gelingt Verstärkern meist sehr gut, was MC-Eingangsmessungen beweisen.
Bei MM-Systemen bildet die Eingangskapazität des MM-Eingangs mit der Induktivität des Tonabnehmers eine Eigenresonanz, die bei hohen Frequenzen eine Überhöhung verursacht – mit nachfolgendem steilem Abfall. Das zeigt unsere Messung mit nachgebildetem Normsystem. Bei der Kombination von MM-System und Phonostufe sollten also entweder die Induktivität des Systems oder die Kapazität des MM-Eingangs möglichst niedrig liegen, um die Resonanz zu sehr hohen Frequenzen zu schieben. AUDIO veröffentlicht beide vom Testlab gemessenen Werte.
Klirrfaktor
Als hauptsächlich klangbestimmend gelten bei Verstärkern die nichtlinearen Verzerrungen: Sie sind ein Maß für den Oberwellenanteil bei Wiedergabe eines reinen Sinustons. Da Oberwellen mit doppelter, dreifacher oder generell ganzzahliger vielfacher Grundfrequenz auftreten, bezeichnet man sie als Harmonische. Auch Instrumente erzeugen Harmonische, die teilweise sogar stärker als der Grundton sind, die pegelmäßige Verteilung ist für die Klangfarbe verantwortlich. Verändert ein Verstärker diese Verteilung, geht ein Teil dieser Differenzierungsfähigeit verloren. Das Testlab misst Verzerrungen in Abhängigkeit von der Ausgangsleistung, wobei die zweite Harmonische rot dargestellt ist, die folgenden grün, blau und grau.
Dabei steigert eine moderat vorhandene zweite Harmonische (auch als k2 bezeichnet) subjektiv die Dynamik. Sie kann bei dominantem Anteil zudem die Wirkung höherer und klanglich oft negativ empfundener Harmonischer überdecken und unhörbar machen. Das macht Röhrenverstärker und mehr noch Single-Ended-Röhren mit ihrem hohen Anteil einer kontinuierlich mit dem Pegel ansteigenden zweiten Harmonischen klanglich so reizvoll.