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"Das Smartphone wird ein zusätzlicher Treiber für die Entwicklung von KI"

Dr. Wolfgang Hildesheim im Interview zu KI und Smartphones

Künstliche Intelligenz ist mehr als nur ein Modewort. Aber was genau steckt dahinter? Und wie wirkt sich diese neue Technologie auf die Smartphone-Entwicklung aus? Connect hat jemanden gefragt, der es wissen muss. Dr. Wolfgang Hildesheim verantwortet IBM Watson in Deutschland, eine Cloud-Plattform, die als ein Vorreiter bei der kommerziellen Nutzung von Künstlicher Intelligenz gilt.

Autor: Andreas Seeger • 3.7.2018 • ca. 4:20 Min

Dr. Wolfgang Hildesheim, IBM Watson und AI Innovation Leader in der DACH-Region
Dr. Wolfgang Hildesheim, IBM Watson und AI Innovation Leader in der DACH-Region
© IBM Deutschland

Dr. Wolfgang Hildesheim, IBM Watson und AI Innovation Leader in der DACH-Region, hat sich den Fragen von connect zum Thema Künstliche Intelligenz gestellt.Viele Menschen denken an menschenähnliche Roboter, wenn sie den Begriff Künstliche Intelligenz hören. Wie würden Sie KI in drei Sätzen besc...

Dr. Wolfgang Hildesheim, IBM Watson und AI Innovation Leader in der DACH-Region, hat sich den Fragen von connect zum Thema Künstliche Intelligenz gestellt.

Viele Menschen denken an menschenähnliche Roboter, wenn sie den Begriff Künstliche Intelligenz hören. Wie würden Sie KI in drei Sätzen beschreiben?

Künstliche Intelligenz hat zunächst einmal nichts mit menschenähnlichen Robotern zu tun. Hollywood führt uns da auf eine vollkommen falsche Fährte. KI beschreibt vielmehr die Fähigkeit einer neuen Generation von Computersystemen, die in der Lage sind, mit Hilfe von Maschinen- und Deep-Learning Wissen zu erwerben und in eigenständige Handlungen und Empfehlungen zu übertragen. Diese Systeme können nicht denken - was Intelligenz automatisch impliziert – und sind auch nicht in der Lage, neues Wissen zu erzeugen. KI ist daher im Wesentlichen ein weiterer Schritt im Hinblick auf die Automatisierung von Prozessen. Und darüber hinaus eine smarte Hilfe im beruflichen wie privaten Alltag –  mit sehr umfassendem und schnell verfügbarem Inselwissen allerdings. Es wird auch noch sehr lange dauern – wenn überhaupt –  bis wir in die Nähe eigenständig denkender, intelligenter Maschinen kommen werden.    

IBM Watson IoT Center
Im Watson IoT Center forscht IBM an Künstlicher Intelligenz.
© IBM Deutschland

Google-Chef Sundar Pichai sagt, dass KI bedeutender für die Entwicklung der Menschheit ist als die Entdeckung des Feuers oder der Elektrizität. Sehen Sie das ähnlich?

Wir stehen immer noch am Anfang der Entwicklung. Das Feuer hat uns Menschen über Millionen Jahre das Überleben auch unter widrigsten Umständen ermöglicht, uns gewärmt und unsere Ernährung gesichert. Die Elektrizität steht ebenfalls in dieser Tradition. Der Beweis, dass Künstliche Intelligenz eine ähnliche Rolle einnehmen kann, muss erst noch erbracht werden. Allerdings sieht auch IBM großes Potential in KI-Anwendungen.

In vielen Branchen werden KI-Systeme menschliche Arbeitsplätze ersetzen. Werden durch KI genauso viele Arbeitsplätze geschaffen, wie vernichtet werden? 

Hier eine Prognose abzugeben, wäre unseriös. KI ist auch nicht dafür prädestiniert, menschliche Arbeitsplätze zu ersetzen. Natürlich werden neue Berufsbilder entstehen, andere wegfallen. Aber das ist im Prinzip nichts Neues. Fluktuationen gibt es schon immer seit Beginn der Industrialisierung. Sicherlich geht es heute alles etwas schneller, aber zumindest gegenwärtig sehen wir eher Engpässe am Arbeitsmarkt im Hinblick auf qualifizierte Fachkräfte aller Art.

Welche Rolle spielt das Smartphone bei der weiteren Entwicklung von KI?

Es wird immer mehr intelligente, KI-basierte Smartphone-Apps geben, die Sprache noch besser verstehen, mit denen ein echte Konversation geführt werden kann oder die wirklich personalisierte Services bieten. Damit wird das Smartphone zu einem zusätzlichen Treiber bei der Entwicklung von KI. Und je stärker wir uns bewusst werden, wie sehr uns der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Alltag helfen kann, werden auch die Ängste im Umgang mit KI schwinden.  

Wie wichtig ist KI für Ihr Unternehmen?

Als einer der führenden Entwickler und Anbieter von Künstlicher Intelligenz (Watson) im B2B-Umfeld ist das Thema gleich doppelt wichtig für uns: einerseits als Geschäftsmodell, andererseits als Nutzer von KI. Wir setzen KI in einer ganzen Reihe von Bereichen ein und erweitern diesen Einsatz sukzessive: er reicht von der Personalentwicklung bis hin zur besseren Steuerung und Automatisierung unserer Logistikketten.

IBM Watson
IBM Watson gilt als ein Vorreiter bei der kommerziellen Nutzung von Künstlicher Intelligenz.
© IBM Deutschland

Google hat kürzlich sieben Grundsatzregeln für den Umgang mit KI-Projekten veröffentlicht, die auch ethische Richtlinien enthalten. Welche Gefahren sehen Sie in Verbindung mit KI?

IBM hat sich auf drei ethische Grundsätze für die verantwortungsvolle Entwicklung von künstlicher Intelligenz verpflichtet:

  1. Der Zweck ist die Unterstützung des Menschen: Kognitive Systeme wie IBM Watson werden entwickelt, um Menschen zu helfen, ihre täglichen Aufgaben besser zu bewältigen und nicht, um den Menschen zu ersetzen.
  2. Transparenz: Um Vertrauen in die Empfehlungen der kognitiven Systeme zu haben, muss transparent sein, wie und mit welchen Daten sie arbeiten, wie sie trainiert werden und zu ihren Entscheidungen kommen sowie wann und wo sie eingesetzt werden.
  3. Skills: KI Systeme müssen gemeinsam mit denjenigen Menschen entwickelt werden, die in ihren Branchen und Tätigkeiten jahrzehntelange Erfahrungen gesammelt haben und die in ihren Tätigkeiten von eben diesen KI-Programmen künftig unterstützt und entlastet werden sollen. IBM setzt sich dafür ein, die Menschen auf die notwendigen Fähigkeiten vorzubereiten, damit sie mit kognitiven Systemen arbeiten können.

Das kognitive System Watson wurde nach diesen Regeln konzipiert. Es ist so angelegt, dass es einerseits die Interaktion zwischen Mensch und Maschine grundlegend vereinfacht und andererseits hilft, zusätzliche Erkenntnisse aus Daten zu gewinnen sowie bereits vorhandenes Wissen für Millionen von Menschen nutzbar zu machen. Damit löst sich Watson gleichzeitig von der Idee der klassischen AI (Artificial Intelligence), deren noch sehr visionäres Ziel es ist, menschliches Denken digital abzubilden.

Im Juni 2018 ist die bei IBM global für das Thema Ethik im Hinblick auf KI verantwortliche Managerin, Francesca Rossi, in eine Expertenkommission bei der Europäischen Kommission​ berufen worden. 

Zudem sind wir unter anderem ​gemeinsam mit Google, Microsoft, Apple und Intel Mitglied im AI Consortium​, dessen Ziel es ist, ethische Grundsätze und Regeln für die ganze Branche zu vereinbaren. Denn wir brauchen einen gemeinsamen Verhaltenskodex. Die Gefahren liegen vor allem im Datenmissbrauch und mangelndem Datenschutz. Die DSGVO ist eine der Antworten darauf. Wichtiger aber ist die Sensibilisierung im Umgang mit Daten, auch schon im Kindesalter, die Ausbildung von Lehrern, Fortbildung und das Bewusstsein schaffen für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten.

Wem gehören die Daten, mit denen Watson arbeitet?

Datenschutz hat für IBM oberste Priorität. Für uns gilt: Die Daten und die Erkenntnisse aus den Daten bleiben beim Kunden. Sie sind der wichtigste Wettbewerbsvorteil und gehören als Intellectual Property dem Kunden (Datenhoheit und -kontrolle).  Der Kunde hat vollständige Transpararenz über die Daten und Analyseergebnisse und entscheidet, was mit ihnen passiert.

Es werden keine Daten oder Erkenntnisse daraus verwendet, um etwa die Systeme anderer Unternehmen damit weiter zu trainieren. IBM handelt auch nicht mit Kundendaten. Wir nutzen diese Daten prinzipiell auch nicht, um Watson-Technologie damit anzureichern. Es sei denn, es werden konkret andere Absprachen getroffen. Dies ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für uns. Denn Verbrauer-orientierte KI-Anwendungen hingegen arbeiten in der Regel mit den Daten aller Nutzer.