5G-Ausbau: "10 Millionen Menschen bis Ende 2020"
Mehr zum Thema: VodafoneDer Technikchef von Vodafone Deutschland, Gerhard Mack, erklärt im Interview, welche Chancen für einen Netzbetreiber mit 5G verbunden sind und warum es für ihn so wichtig ist, bei der neuen Mobilfunkgeneration ganz früh dabei zu sein.

Herr Mack, Vodafone ist der erste Netzbetreiber in Deutschland, der seinen Kunden in Deutschland punktuell 5G anbietet. Sie geben bei dem Thema richtig Gas. Wie kommt das bei den Kunden an? Ich denke, wir haben mit unserem 5G-Start viele Menschen positiv überrascht. Industrie, Kunden und auch Kriti...
Herr Mack, Vodafone ist der erste Netzbetreiber in Deutschland, der seinen Kunden in Deutschland punktuell 5G anbietet. Sie geben bei dem Thema richtig Gas. Wie kommt das bei den Kunden an?
Ich denke, wir haben mit unserem 5G-Start viele Menschen positiv überrascht. Industrie, Kunden und auch Kritiker. Es gab viele Rückfragen wie wir es geschafft haben, als erster Anbieter jetzt schon mit 5G zu beginnen. Nach ersten Ankündigungen der Wettbewerber haben viele gedacht, 5G wird erst im Herbst Realität. Wir haben den Vorteil, dass wir bestehende Frequenzen, die wir 2018 gekauft hatten, für den 5G-Start nutzen können (Anm. der Redaktion: Vodafone hat 2018 in Rahmen einer größeren Vereinbarung 2x21 MHz im 3,5-GHz-Band von der Telefónica gekauft und nutzt das Spektrum nun für 5G).
Haben Sie schon Reaktionen von ersten 5G-Nutzern?
Viele Technik-Fans haben 5G direkt live getestet. Die Reaktionen sind positiv: Das Netz ist deutlich schneller. Und das beste: Wir werden noch schneller, sobald uns auch die neu ersteigerten Frequenzen zur Verfügung stehen. Auch bei den Latenzzeiten werden wir uns weiter verbessern. Unser 5G-Start ist ein kleiner aber guter und vor allem wichtiger Anfang. Denn alles was einmal groß werden will, muss klein beginnen. Mit den ‚Early Adoptern‘, die jetzt im Netz unterwegs sind, begeben wir uns zusammen auf diese aufregende Reise.
Und wohin geht die Reise 2019? Wie weit werden Sie in diesem Jahr mit 5G in Deutschland kommen?
Zum Start haben wir 25 Sendemasten aktiviert, im August verdoppeln wir die Anzahl. Ich schätze, dass Ende 2019 rund 100 5G-Station in unserem Netz funken werden. Wir wollen 5G jetzt starten, um daraus zu lernen. Dieser Prozess ist nicht trivial. 5G ist eine extrem komplexe Technologie, die wir noch lange weiter optimieren werden. Die Erfahrungen, die unsere Technik-begeisterten Kunden schon jetzt machen, sind wichtig, um darauf basierend den weiteren Ausbau zu optimieren.
Wie sieht bei Ihnen generell die 5G-Ausbauplanung aus? Nicht nur räumlich, sondern auch was die Dienste und Netzfunktionen betrifft.
Ein großer Vorteil von 5G ist die verteilte Rechenpower – die sogenannte Edge Cloud. Daten werden damit deutlich näher am Ort des Geschehens verarbeitet. Das spart Zeit. Zunächst planen wir in Deutschland zehn Supercore-Rechenzentren. Berlin ist bereits live, Frankfurt steht kurz vor der Inbetriebnahme, München und Leipzig folgen. Diese Supercore-Rechenzentren sind so lokalisiert, dass wir unser Latenzziel von weniger als 10 Millisekunden deutschlandweit realisieren können. Der Ausbau der Rechenzentren erfolgt parallel zum Aufbau des Funknetzes. Bis Ende 2020 wollen wir 10 Millionen Menschen in Deutschland mit 5G erreichen.
Wann wird das 5G-Netz so weit sein, dass es so in der Breite angekommen ist, wie heute LTE?
Als Technik-Chef kann ich Ihnen sagen: Ein Netz ist niemals fertig. Der Ausbau kostet Geld, Zeit und vor allem jede Menge Arbeit. In fünf Jahren werden wir sicherlich eine großflächige Abdeckung haben, von der zahlreiche Menschen profitieren. In der Industrie wird sich 5G schneller durchsetzen. Hier stehen viele Anwendungen schon bereit. Ich denke, dass wir hier in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Vielzahl von 5G-Anwendungen sehen werden. Denn für die Unternehmen bedeutet 5G einen echten geldwerten Vorteil. Deswegen konzentrieren wir uns bei 5G zunächst auch sehr stark darauf, Anwendungen gemeinsam mit der Industrie zu entwickeln.
Was bedeutet 5G für einen Netzbetreiber wie Vodafone aus technischer Sicht?
5G stellt die Telekommunikationskonzerne vor neue technische Herausforderungen. Bisher war das Mobilfunknetz statisch. Es ging vor allem um eine gleichmäßige Abdeckung und hohe Kapazitäten. 5G wird deutlich Software-basierter. Mit Network Slicing wird das Netz hochgradig dynamisch. Wir schneidern für unsere Kunden in der Industrie ein Netz nach Maß. Auch für uns bedeutet das: Umdenken. Wir bauen und steuern Netze mit 5G anders als bislang.
Wie wichtig ist Glasfaser für den Ausbau?
Glasfaser wird wichtig, um 5G in Regionen zu bringen, in denen zahlreiche Menschen und Maschinen zeitgleich im Netz unterwegs sind. Zum Beispiel in Großstädten wie Berlin oder Düsseldorf. Oder in riesigen Industriehallen. In städtischen Randgebieten wird es dagegen oftmals schwierig, Kabelglasfaser zu verlegen. Hier kann die neuste Generation von Richtfunk eine wichtige Rolle spielen. Die Technologie hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und kann bereits bis zu 10 Gigabit pro Sekunde übertragen. Damit kommt man in vielen Regionen sehr weit. Richtfunk hat zudem den Vorteil, dass die Genehmigungsverfahren deutlich schneller erfolgreich sind, als häufig beim Verlegen von Glasfaserleitungen. Richtfunk wird in seiner Leistungsfähigkeit manchmal unterbewertet. Ein wirtschaftlich vernünftiger Mix ist hierbei wichtig.
Welche Geschäftsmodelle ergeben sich durch 5G für einen Netzbetreiber?
5G lebt von Vielfalt. Es gibt nicht die eine 5G-Anwendung. Es wird ganz viele 5G-Anwendungen geben, die so bislang nicht möglich waren. Ein Lieblingsbeispiel von mir: TV-Live-Übertragungen., Die sind für die Sender bislang sehr teuer und aufwendig. Benötigt werden eine Vielzahl von Kameras und Kameramänner vor Ort, dazu ein Übertragungswagen, wo das Material geschnitten und gesendet wird. Mit 5G bekommt der TV-Sender in Zukunft ein eigenes Mobilfunknetz für die Liveübertragung der Daten in Echtzeit. Network Slicing macht es möglich. Alle Kameras von vor Ort, die mit HD-Auflösung jeweils Gigabit-große Videos aufnehmen, streamen diese dann per 5G direkt in die Senderzentrale. Wir sprechen darüber bereits mit vielen TV-Sendern.
Stichwort Slicing: Mit 3G und 4G wurden die Netzbetreiber immer stärker in die Rolle der Pipe gedrängt, also in die Rolle eines Infrastrukturanbieters, der nur den Anschluss liefert, während Firmen wie Google und Netflix das Geschäft mit dem Internet machen. Es sieht so aus, als ob man sich mit 5G wieder mehr Macht im Gefüge zurückholt. Stimmt dieser Eindruck?
5G ist eine gute Chance für die Telekommunikationskonzerne eine größere Rolle einzunehmen, als die des Vernetzers. Neben der reinen Konnektivität ergeben sich weitere Businessmodelle. Zum Beispiel: Das Angebot von winzigen Rechenzentren und der Datenverarbeitung direkt in der Produktionshalle.
Die Frequenzversteigerung war mit 6,55 Milliarden Euro in der Summe ja schon recht teuer. Können Sie Zahlen nennen, was der 5G-Ausbau einen Netzbetreiber in Deutschland kostet?
Die 5G-Auktion war viel zu teuer. Von dem Geld, das in Lizenzscheine geflossen ist, hätten mehr als 50.000 neue Mobilfunkstationen in Deutschland gebaut werden können. Die reinen Ausbaukosten - bezogen auf die Hardware - sind vergleichbar mit denen beim LTE-Ausbau. Es gibt zwei große Herausforderungen bei 5G: Innerstädtisch werden wir neue Funkmasten brauchen. Und die Betriebskosten steigen bei 5G-Stationen. Bei 5G ist die spektrale Effizienz zwar besser. Das heißt es wird also pro Bit günstiger. Weil eine Station aber bis zu zehn Mal mehr Daten übertragen wird, steigen die Stromkosten pro Station in der Summe deutlich an.

5G gilt als Grundlage für zahlreiche Zukunftstechnologien Wie sehen Sie Deutschland hier im internationalen Vergleich aufgestellt?
Wir haben hierzulande manchmal die Tendenz, uns schlecht zu reden. Ich meine: Wir sind momentan nicht ganz vorne. Wir sind aber auch nicht so weit hinten, wie es häufig dargestellt wird. International ist Südkorea mit bereits über eine Million 5G-Kunden an der Spitze. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen ist das staatlich so gewollt, zum anderen sind die Menschen dort sehr risikofreudig und technologiebegeistert. In Europa ist die Schweiz schon sehr weit. Die Swisscom macht es, wie immer, mit einer extremen schweizerischen Gründlichkeit.
Praxistests des Wall Street Journal in den USA haben gezeigt, dass die 5G-Phones Galaxy S10 5G und LG V50 5G zwar ultraschnell im 5G-Netz unterwegs sind, aber zu Überhitzung neigen und dann die Leistung drosseln. Haben Sie ähnliche Erfahrungswerte?
Nein, die haben wir nicht. In Deutschland haben wir das Huawei Mate 20X 5G im Angebot. Auch das Samsung S10 5G ist bereits erhältlich und kann in Kürze – nach einem Software-Update – unser 5G Netz nutzen. Alle Smartphones werden von uns intensiv im getestet.
Wenn Sie jetzt Basisstationen auf 5G aufrüsten, treffen Sie dann auch schon Vorbereitungen für mmWave (Anm. der Redaktion: Millimeter Wave, also Frequenzen z.B. bei 24 GHz, die erst später versteigert werden)
Nein. Die Technologie ist interessant, aber aktuell aus wirtschaftlicher Sicht sehr herausfordernd. Der technische Aufwand ist noch sehr hoch und der Ausbau wäre sehr teuer. Aber ich vermute, dass sich bei der Technologie in Zukunft noch viel entwickeln wird.
In der aktuellen Diskussion bekommt man schnell das Gefühl, dass 4G schon veraltet ist. Der Eindruck trügt, oder?
Auf jeden Fall. Unser operativer Hauptfokus liegt in diesem Jahr auf dem LTE-Ausbau. Wir sind beim LTE-Netz gut. Aber wir sind noch nicht gut genug. Deshalb bauen wir dieses Jahr so viel wie noch nie. Unsere Techniker realisieren insgesamt 5300 LTE-Bauprojekte. Mindestens genauso wichtig wie der 5G-Auftakt ist für uns, dass das aktuelle LTE-Netz in der Fläche so gut ist, dass die Kunden zufrieden sind. Ich wünsche mir, dass unsere Kunden nicht nur bei Vodafone bleiben, sondern uns auch weiterempfehlen.
Mit welchen Herausforderungen sind sie beim aktuellen Ausbau konfrontiert?
Es gibt zwei große Herausforderungen beim Netzausbau. Zum einen ist der Ausbau an einigen Stellen wirtschaftlich schwierig darstellbar. Zum anderen ist es schwer, neue Mobilfunkstandorte zu finden und ans Netz anzubinden. Wobei die Anbindung dabei das noch größere Problem darstellt. Ich geben ihnen ein Beispiel: Wenn Sie im Hunsrück auf der Bundesstraße fahren und telefonieren, gibt es unter Umständen mehrere Gesprächsabbrüche. Das liegt unter anderem daran, dass Sie in den Tälern kaum die Erlaubnis erhalten eine neue Station zu bauen. Gelingt das, muss die Station vernünftig angebunden werden. Die Genehmigungsprozesse für die Verlegung von Glasfaser dauern hier extrem lange. Dann wird es schwierig. Denn Richtfunk funktioniert hier wegen der schwierigen topografischen Gegebenheiten auch nur eingeschränkt. Der Bürokratieabbau ist hierzulande eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen schnellen 5G-Ausbau.
Wie steht Vodafone zur Diskussion um Infrastrukturelemente von Huawei? Welche Techniklieferanten setzen Sie beim 5G-Ausbau ein?
Wir testen sämtliche Netzelemente von allen unseren Technologielieferanten sehr ausgiebig und wir haben nichts gefunden, was den Verdacht genährt hätte, dass bei einem der Hersteller etwas falsch läuft. In unserem Kernnetz nutzen wir zudem keine Technologie-Elemente von Huawei. Auf der Antennen-Seite setzen wir auf Ericsson und Huawei. Ein verpflichtender Austausch von Netzelementen eines Herstellers würde Digital-Deutschland um Jahre zurückwerfen.
Wann plant Vodafone, 3G zugunsten von 4G und 5G komplett abzuschalten?
Aus technischer Sicht müsste ich sagen: Je früher desto besser. Denn LTE und 5G sind deutlich effizienter. Aber so einfach ist das nicht. Die meisten Kunden surfen zwar schon in unserem LTE-Netz. Aber es sind auch noch einige 3G-Geräte im Einsatz. Wir müssen den Umstieg so gestalten, dass er für Kunden und Unternehmen verträglich ist. Auf der Privatkundenseite müssen die Tarife für LTE freigeschaltet werden – das haben wir für nahezu alle unsere Vertrags- und Prepaid-Kunden getan. Doch es gibt natürlich noch Kunden, die ein Telefon oder -Smartphone nutzen, das noch kein LTE unterstützt. Für diese Kunden brauchen wir gute und attraktive Lösungen. Komplexer wird der Umstieg in der Industrie. Hier sind noch zahlreiche fest verbaute 3G-SIM-Karten im Einsatz. Auch hier werden wir gute Lösungen entwickeln. Wir werden zunächst immer mehr Frequenzen, die wir heute für 3G nutzen, auf 4G umwidmen, damit noch mehr Kunden zeitgleich schnell im Netz unterwegs sind. Im weiteren Verlauf werden wir dann genau schauen, wann der richtige Zeitpunkt für die Abschaltung ist.
Herr Mack, vielen Dank für das Gespräch.