Audes Maestro 156 im Test
Drei Wege, mannshoch und eine rustikale Optik. So stellt man sich eine echte Männer-Box vor. Doch wer weiß: Vielleicht vermag die Maestro 156 von Audes zumindest klanglich auch die Herzen der Frauen zu erobern.

Als nördlichstes Land des Baltikums bedecken riesige Waldgebiete den Großteil Estlands. Besonders für Möbelhersteller ist das Land ein Eldorado, da hochwertige Materialien quasi an jeder Ecke wachsen. Doch aus Holz kann man natürlich mehr als nur schicke Möbel bauen: nämlich auch bestechend s...

Als nördlichstes Land des Baltikums bedecken riesige Waldgebiete den Großteil Estlands. Besonders für Möbelhersteller ist das Land ein Eldorado, da hochwertige Materialien quasi an jeder Ecke wachsen. Doch aus Holz kann man natürlich mehr als nur schicke Möbel bauen: nämlich auch bestechend schöne Lautsprecher. Dabei sind die Esten nicht erst vor Kurzem auf den Boxen-Bau gekommen, sondern sind schon seit Jahrzenten mit eigenen Schallwandlern am Markt. Renomiertester Hersteller ist die Firma Estonia, die bereits seit 1958 Lautsprecher und rustikale Röhrenradios produzierte. Im Zuge einer (übrigens vom finnischen Boxen-Hersteller Genelec geförderten) Modernisierung verlegte man Mitte der 80er das Werk von der Hauptstadt Tallinn in den kleinen Ort Johvi und taufte sich wenig später in Audes um. Seit 1993 produzieren die Audes-Mitarbeiter in kompletter Eigenregie hochwertige Lautsprecher, die vor allem durch ihren hohen Verarbeitungs-Standard beeindrucken.

Audes Maestro 156: Aufbau
So auch unsere Audes-Testbox, die Maestro 156. Bereits ein Blick auf das Datenblatt lässt vermuten, dass es sich dabei um eine komplett in Old-School-Manier aufgebaute Box handelt. Treu dem Motto "Wer Bass haben will, braucht nicht nur viel Volumen, sondern auch reichlich Membranfläche" kommt ein stattlicher 25,4-cm-Woofer in einem nicht minder eindrucksvollen Gehäuse zum Einsatz. Für zusätzlichen Schub im unteren Register sorgt ein Reflexsystem, dessen Rohr ganz klassisch auf der Vorderseite mündet. Weiter geht es im vielversprechenden Chassis-Trio mit dem Mitteltöner, der mit seiner 13er-Membran so manchen Woofer einer Kompakten alt aussehen lässt. Im Gegensatz zu Tief- und Mitteltöner wirkt der Tweeter mit seiner 25-mm-Softdome-Kalotte geradezu normal - im Gegensatz zu seinen Tief- und Mitteltonbrüdern ist er zugekauft, wie der Aufkleber "Made in Norway" auf der Rückseite verrät. Seit der letzten Maestro-Generation hat der Hochtöner übrigens eine kleine Klang- Kur erhalten und soll nun noch ausgewogener und präziser spielen.

Bereits auf technischer Ebene macht die Audes also schwer was her - doch ihren wahren Charme entfaltet die wuchtige Estin erst beim Auspacken. Beim Anblick des üppigen Gehäuses mit seinem herrlichen Holzfurnier und den riesigen Treibern lief den AUDIO-Testern jedenfalls das Wasser im Munde zusammen. Zugegeben: Dieser Look ist Geschmackssache - weswegen Audes die Maestro-Serie auch mit angesagteren Hochglanz-Finishes (schwarz und weiß) anbietet. Doch ob natur oder lackiert: Was die Verarbeitung angeht, lässt die Audes keinen Spielraum für Kritik. Das beidseitig (also auch auf der Innenseite) aufgebrachte Furnier ist vom Feinsten, das große Innenvolumen - wie es sich gehört - in mehrere Kammern unterteilt und mit reichlich Dämmmaterial akustisch optimiert.

Audes Maestro 156: Hörtest
Lang ist's her: Die erste HiFi-Box des Autors war eine kleine Revox aus den 80ern mit einem winzigen Mitteltöner, der aber für eine erstaunlich klare Stimmen-Wiedergabe sorgte. Als heimlicher Fan von Retro-Lautsprechern mit klassischem 3-Wege-Aufbau schlägt mir das Tester-Herz beim Anblick der Audes-Treiberbestückung natürlich umso höher. Nimmt man dann noch die eindrucksvollen Gehäusedimensionen der Maestro 156, konnten es die AUDIO-Tester kaum abwarten, bis die hübsche Estin endlich im Hörraum landete.

Und obwohl der Lautsprecher "retro" aussieht, hört er sich überhaupt nicht so an - und das ist ein Kompliment. Denn über den gesamten Frequenzbereich tönte die Audes über die Referenzanlage (Ayre-Vor/End) absolut neutral - fast wie ein Studiomonitor, nur ohne dessen typische, hier unerwünschte Nüchternheit im Klang. Um es genau zu wissen, griffen die Tester zur Kategorie "Problem- Songs" - Aufnahmen, mit denen sich Schwächen von manchen allürenhaften Lautsprechern aufdecken lassen. So ein Titel ist etwa der Hendrix-Klassiker "Little Wing". Wo andere Boxen gerne eine Mittenbetonung an den Tag legen, tönte die Audes souverän und akkurat, ohne zu nerven. Auch der raue Gesang des Gitarren-Meisters mit seinem nasalen Timbre kam sehr überzeugend rüber. Generell schien der Mitteltöner seinen Job mit Bravour zu bewältigen, was sich außer in der schon erwähnten, sehr klaren Stimmwiedergabe auch in einer natürlichen räumlichen Abbildung äußerte - an der selbstverständlich auch der Tweeter beteiligt war. Der vermochte bei akustischen Stücken wie beispielsweise bei "Sad Samba" von Friedemanns neuem Album "Echoes Of A Shattered Sky" Details wie Hallfahnen sehr genau zu reproduzieren. Zudem schien die Audes-Rechnung aus großer Membranfläche plus Volumen für ein ordentliches Bass-Pfund voll aufzugehen. Die AUDIO-Crew staunte nicht schlecht, wie famos der 25er-Woofer spielte: Kein unbekömmlicher Bassbrei, sondern druckvolle, konsturierte, singende Basslinien strömten aus der Maestro 156. Auch an Schnelligkeit fehlte es dabei nicht - selbst frequenztechnisch schwierigere Passagen (etwa das Bassriff in "Girl" von der englischen Band The Heavy) bewältigte die Box mit dem Prädikat "Made in Estonia" bravourös.
Es machte einfach Spaß, über die Audes Musik zu hören: Sie verfärbte zu keiner Sekunde - klang gleichzeitig aber auch nie zu nüchtern oder gar kühl. Dabei spielte es übrigens kaum eine Rolle, was für ein Verstärker sie mit Signalen versorgte: Ob mit Röhre (etwa mit den Dynavox-Monos VR-80E) oder mit einem Transistor-Amp (beispielsweise mit dem Creek Evolution 5350) - beide Verstärker-Arten lieferten an der Maestro hervorragende Ergebnisse.
Fazit
Große Standlautsprecher im klassischen 3-Wege-Aufbau, am besten noch mit Holz-Furnier: So wie die Audes sieht eine waschechte Männerbox aus! Dass die Retro-Optik der Maestro 156 nicht jedem gefallen wird, ist Teil des Konzepts. Dafür macht ihr Klang fast süchtig - und darauf kommt es letztendlich ja an: Der mächtige Woofer lieferte staubtrockene Bässe und das Mittel-Hochtöner-Duo filigranste Details.