Gigaset L410 im Test
Freihändig plaudern ist auch zu Hause gefragt. Gigaset will mit einem Freisprech-Clip den Markt aufmischen. Revolution oder Spielerei?

Da ist man gerade am Kochen, in der Pfanne brutzelt's und man könnte sogar eine dritte Hand gut gebrauchen. Und dann klingelt auch noch das Telefon. Entweder man ignoriert das jetzt oder man nimmt den Anruf entgegen, klemmt sich das Telefon in althergebrachter Manier zwischen Schulter und Ohr oder ...

Da ist man gerade am Kochen, in der Pfanne brutzelt's und man könnte sogar eine dritte Hand gut gebrauchen. Und dann klingelt auch noch das Telefon. Entweder man ignoriert das jetzt oder man nimmt den Anruf entgegen, klemmt sich das Telefon in althergebrachter Manier zwischen Schulter und Ohr oder aktiviert die Freisprecheinrichtung. Eine weitere Möglichkeit eröffnet Gigaset mit dem L410 - einem DECT-Freisprech-Clip, der die Kommunikation zu Hause revolutionieren soll.
Qualitätsunterschiede beim Freisprechen

Doch zunächst zurück zur guten alten Freisprecheinrichtung. Die ist im Prinzip fürs Schnurlostelefon sogar noch sinnvoller als fürs Handy, denn oft will man gerade zu Hause die Familienmitglieder am Gespräch teilhaben lassen. Oder gleichzeitig Hausarbeiten erledigen, wobei hier ein Headset eher lästig wäre.
Darum ist eine Freisprecheinrichtung heutzutage bei schnurlosen DECT-Telefonen längst Standard. Allerdings mit riesigen Unterschieden. Das beginnt bereits beim Design des Mobilteils: Manche Modelle kann man aufrecht abstellen, was der Klangqualität beim Freisprechen meist deutlich zugute kommt - andere Modelle kann man nur in der Horizontalen ablegen.
Beim Akustikdesign im Inneren des Mobilteils kommt es wiederum auf Qualität und Ingenieurleistung an. So ist die Empfindlichkeit des Mikrofons von entscheidender Bedeutung. Bei vielen Billig-DECTs versteht der Gesprächspartner nur dann etwas, wenn man das Mobilteil im 30-Zentimeter-Abstand vor dem Mund hat, häufig muss man brüllen, damit das Telefon überhaupt etwas überträgt.
Wichtig ist auch die sogenannte Klangwaage beim Freisprechen. Sie schaltet immer den Sprechkanal für Sender und Empfänger frei, je nachdem wer lauter sendet. Bei unausgereiften Klangwaagen darf man sich kaum ins Wort fallen und muss fast Funkdisziplin wie beim Walkie-Talkie einhalten.
Auch das ist meist eher ein Problem der günstigeren DECTs. Hochwertige DECTs wie das Gigaset C610, gegen das wir den L410 im verlagseigenen Labor TestFactory gemessen haben, besitzen schon recht gute Freisprecheinrichtungen, die quasi über Vollduplex verfügen und entsprechend gut klingen.
Die leider wohl immer noch am häufigsten eingesetzte Methode zum freihändigen Telefonieren ist die "Telefon zwischen Ohr und Schulter"-Einklemm-Methode. Wer das auch nur für kurze Zeit praktiziert, hat oft schon Verspannungen im Nacken. Wer diese Methode täglich und über längere Zeiträume anwendet, riskiert sogar Dauerschäden.
Gigaset Freisprech-Clip
Bereits vor gut fünf Jahren hatte Nicholas Ord, Senior Vice President Strategy & Innovation bei Gigaset die Vision vom Freisprechen weit ab vom eigentlichen Telefon. Fünf Jahre und unzählige Studien, futuristische Zeichnungen, teils abenteuerliche Konzepte und Prototypen später wagt sich Gigaset nun aus der Deckung und stellt mit dem L410 für knapp 50 Euro seinen DECT-Freisprech-Clip vor.

Und der fällt rein optisch erst mal deutlich hinter die Erwartungen und auch die Prototypen der letzten Jahre zurück: Gigaset-intern teilweise sogar als "Brosche" bezeichnet, präsentiert sich das viereckige Teil aus Kunststoff mit galvanisierter Laut-Leise-Taste eben wieder als ein eher technisches Gerät denn als charmantes Accessoire. Und der Eindruck setzt sich bei Inbetriebnahme fort: Der Miniaturstecker des Lithium-Ionen-Akkublocks muss erst einmal in die vorgesehene Buchse gefrickelt werden - auch hier verschwindet die Leichtigkeit eines Accessoires.
Da aber die Form der Funktion folgen sollte, stellt sich die Frage, ob und wie der L410 das tut, wofür er gebaut wurde. Zunächst verhält sich der Freisprech-Clip wie ein weiteres GAP-Mobilteil des Schnurlostelefons. Und das bedeutet, dass es völlig egal ist, mit welchem Schnurlostelefon von welchem Hersteller man das L410 betreibt.
Zum Einbuchen startet man die Einbuchsequenz an der Basis und drückt den Hörertaster des L410 einige Sekunden. Das war's schon. Kommt nun ein Anruf herein, kann man den am Telefon annehmen - bei Bedarf klemmt man sich L410 an die Brust- oder Hosentasche, drückt die Hörertaste und schon wird das Gespräch übernommen.
Will man selbst ein Gespräch aufbauen, wählt man zunächst am Telefon, nimmt ab und drückt dann die Hörertaste am Freisprech-Clip. Die Rückübermittlung des Gesprächs vom Clip zum Mobilteil funktioniert nur mit einigen wenigen Geräten ab der Gigaset-Mittelklasse, wie dem Gigaset C610.

Mit im Paket des L410 ist natürlich auch eine Ladeschale, die Kraft für rund fünf Stunden Gesprächszeit spendet. Auch unterstützt L410 den Voll-Eco-Mode zur Strahlungsreduktion der Basis.
Und wie klingt der L410? Erstaunlich gut, wie Praxistest und Messwerte belegen, und zwar unabhängig davon, ob er an der Brust- oder der Hosentasche hängt. In Senderichtung erreicht der Klang das Niveau der Freisprecheinrichtung des Mobilteils, und das selbst dann, wenn der Clip an der Hosentasche und damit in größerer Entfernung vom Mund getragen wird.
Das gesprochene Wort kommt in diesem Fall beim Gesprächspartner seltsamerweise sogar lauter an, als wenn der L410 an der Brusttasche befestigt ist. Hier zeigt sich deutlich, dass Gigaset lange Zeit experimentiert und geforscht hat. Mehrere Mikrofone und Signalprozessoren sorgen für guten Klang und eine Kugelcharakteristik. Schade nur, dass HDSP, also Breitbandsprache, mit dem L410 nicht möglich ist.
So ist der L410 sicher keine Revolution, aber für alle Menschen, die gerne und häufig und bequem freisprechen wollen möglicherweise eine sinnvolle Investition.