Das Netz der Zukunft - wann kommt 5G?
Im Rahmen des von connect organisierten Branchentreffs am 8. Oktober am Redaktionsstandort in Haar diskutierten Experten der Netzbetreiber über den kommenden 5G-Standard. Die Runde bot spannende Einblicke in den Mobilfunk der nächsten Generation.

"Einblicke und Ausblicke" war das Motto einer Branchenveranstaltung, die connect am 8. Oktober am Verlagssitz Haar durchführte. Über 100 Fachleute aus der Telekommunikationsbranche besichtigten die neuen Räume von Testlabor und Redaktion - und viele von ihnen besuchten auch die von co...
"Einblicke und Ausblicke" war das Motto einer Branchenveranstaltung, die connect am 8. Oktober am Verlagssitz Haar durchführte. Über 100 Fachleute aus der Telekommunikationsbranche besichtigten die neuen Räume von Testlabor und Redaktion - und viele von ihnen besuchten auch die von connect-Chefredakteur Dirk Waasen moderierte und hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion "5G - das Netz der Zukunft". Darin vertieften diese Teilnehmer ihre Erwartungen und Einschätzungen zum Mobilfunknetz:
- Hartmut Kremling, ehemals CTO und heutiger "Ambassador" bei Vodafone
- Cayetano Carbajo Martin, CTO von Telefónica Deutschland
- Elmar Grasser, COO (Chief Operating Officer) bei Sunrise
- Guido Menzel, Leiter Network Engineering bei der Deutschen Telekom
- Lars Christian Weisswange, Chief Engagement Officer bei Honor Europe
- Bernd Theiss, Leiter Test und Technik bei connect
Die Nachfrage nach 5G ist unbestritten
Einig war sich die Runde, dass die Nachfrage nach einer neuen Mobilfunk-Technologie auf jeden Fall besteht. Innerhalb der letzten fünf Jahre sei der mobile Datenverkehr um den Faktor 80 gestiegen, berichtete Vodafone-Vertreter Hartmut Kremling. Zudem werde sich die fürs 5G-Netz geplante Architektur erheblich von der des heutigen 4G/LTE-Netzes unterscheiden: Statt der Kommunikation zwischen Menschen steht bei 5G vor allem das Internet der Dinge im Fokus.
Daraus ergeben sich Zielvorgaben wie zum Beispiel eine drastische Reduktion der Übertragungszeiten (in der Fachsprache Ping-Zeiten oder Latenz). Sie muss von etwa 30 Millisekunden im heutigen LTE-Netz auf nur noch eine Millisekunde im 5G-Netz sinken. Nur so lassen sich zum Beispiel autonom fahrende Autos schnell genug mit den von ihnen benötigten Verkehrs- und Streckendaten versorgen. Auch andere für 5G vorgesehene Anwendungen wie etwa Remote-Operationen, bei denen ein Chirurg einen hunderte Kilometer entfernten OP-Roboter fernbedient, fordern so schnelle Reaktionszeiten.
Lesetipp: Netzausbau - Was bringt 5G?
Wie der Vodafone-Experte Kremling unterstrich, wird bei solchen Zielvorgaben aber sogar die Lichtgeschwindigkeit zum limitierenden Faktor: Selbst über schnelle Glasfasern kann ein Signal in einer Millisekunde nur wenige hundert Kilometer überbrücken. Dies, so bestätigt auch Telekom-Experte Guido Menzel, führt zu ganz neuen Anforderungen an die Architektur künftiger 5G-Netze. Zentrale Vermittlungstechnik kann es dann in der heute bekannten Form nicht mehr geben - stattdessen erfordert 5G eine ausgeprägt dezentrale Struktur. Dafür muss das Netz möglichst schon im Voraus ahnen, welche Daten ein Endgerät benötigt, um sie vorab zu beschaffen und beim für den jeweiligen Nutzer zuständigen Netzknoten vorzuhalten. Kombiniert mit den für 5G versprochenen Datenraten im Gigabit-Bereich zeigt dies, wie groß die technischen Herausforderungen sind.

Erste Produkte frühestens 2020
Deshalb sei 5G heute an erster Stelle ein Katalog technischer Wünsche, meint dazu Telefónica-Technikchef Cayetano Carbajo Martin. Er erwartet die Standardisierung nicht vor dem Jahr 2018, erste Produkte frühestens 2020. Gleichzeitig äußert er die Hoffnung, dass der Standard für 5G global gültig, aber dennoch von europäischen Forschungs- und Entwicklungsergebnissen geprägt sein werde. Sonst würden eben andere das Geschäft machen und dessen Rahmenbedingungen vorgeben.
Stehen die klassischen Telekommunikationsanbieter dabei vor allem in Konkurrenz zu Apple und Google? Das wollte Moderator und connect-Chefredakteur Dirk Waasen wissen. Die Fachleute antworteten zweischneidig: Ohne Apple und Google gäbe es heute keinen Smartphone-Markt, betonte etwa Elmar Grasser von Sunrise. Gleichzeitig waren sich alle Netzbetreiber-Manager einig, dass es ihre Unternehmen unbedingt vermeiden müssen, zum reinen Datentransporteur degradiert zu werden. Dies erfordere jedoch auch geeignete Rahmenbedingungen seitens der Gesetzgeber und Regulierungsbehörden, wie Sunrise-Technikchef Grasser betonte.
Auch Geschäftsmodelle und Finanzierung stehen auf dem Prüfstand
Doch dazu müssen vielleicht auch die Netzbetreiber ihre Geschäftsmodelle überdenken. Sollte ein per 5G gesteuertes Auto beispielsweise fliegend zwischen den Netzen verschiedener Betreiber wechseln können, damit es weiter in der Spur bleibt? Solche Fragen sind weder technisch noch wirtschaftlich ausdiskutiert. Zumal über allen Detailaspekten die Frage schwebt, wer den teuren dezentralen Netzaufbau letztlich bezahlen muss. Im Endeffekt werden dies natürlich die Nutzer sein - da war sich auch die Expertenrunde einig. Dabei könnten aber andere Player wie etwa die Autohersteller in Vorleistung gehen und ihre Kosten über Abogebühren oder andere Preismodelle refinanzieren.
Lesetipp: Alles über den kommenden Standard 5G
Erfreulich aus Kundensicht ist in diesem Zusammenhang zumindest, dass 5G die Kommunikation wohl günstiger machen wird. Viel effizientere Transportmechanismen sollten trotz Top-Verfügbarkeit und höchster Zuverlässigkeit die Kosten pro Megabyte drastisch sinken lassen.
Noch einen weiteren Faktor darf man dabei aber nicht aus dem Blick verlieren, wie etwa auch Telekom-Manager Guido Menzel betonte: die Sicherheit der Daten und Kommunikationswege. Dass autonomes Fahren oder online durchgeführte Operationen hier wenig Spielraum für Fehler lassen, liegt auf der Hand. Technisch muss die Datensicherheit deshalb von vornherein zentraler Bestandteil des noch zu definierenden 5G-Standards werden.
Wetten zum Zeitplan will niemand abschließen
Muss man auch bei 5G davon ausgehen, dass die Netze längst aufgebaut sind, während Endgeräte noch längere Zeit auf sich warten lassen? Diese Frage richtete Dirk Waasen an den Honor-Manager Lars Christian Weisswange und spielte damit auf die Anfänge des LTE-Standards an. Weisswange zeigte sich jedoch davon überzeugt, dass 5G-taugliche Geräte auf jeden Fall rechtzeitig bereitstehen würden. Und nicht nur bei der Verfügbarkeit geeigneter Endgeräte will die Branche aus früheren Fehlern lernen. So sollte zum Beispiel von vornherein ein IP-basierter Sprachmodus Bestandteil der 5G-Spezifikationen sein - LTE musste dies erst mühsam mit Behelfskonstruktionen wie "VoLTE" lernen.
Wichtige Wachstumsimpulse für 5G erwarten die Diskussionsteilnehmer im Bereich Machine-to-Machine-Communication (M2M) und dem "Internet der Dinge". Der Big-Data-Boom und die explodierende Zahl an Sensoren sollen sich als wichtige Treiber der 5G-Technik erweisen.
In einer Abschlussrunde nach ihrem persönlichen 5G-Zeitplan gefragt, gingen die Einschätzungen der Experten etwas auseinander. Den größten Optimismus zeigte Vodafone-Vertreter Hartmut Kremling: Er rechnet mit einem 5G-Marktstart bis 2020. Zwei, drei Jahre länger könnte es dauern, wenn Telefónica-Manager Martin oder Telekom-Mann Menzel recht behalten. Doch Wetten abschließen wollte keiner der Experten - zumal sie sich gegenseitig lange und gut kennen: "Gegen Hartmut Kremling würde ich ohnehin nicht wetten", gab der Sunrise-Technikchef Elmar Grasser zu Protokoll. "Dem würde ich nämlich zutrauen, dass er eine 5G-Antenne auf sein Haus baut, nur um die Wette zu gewinnen."