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Mobile Zukunft

Alles über den kommenden Standard 5G

Datenraten von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde das verspricht die nächste Mobilfunkgeneration 5G. Lesen Sie, wie das gehen soll und warum es auch nötig ist.

Autor: Bernd Theiss • 17.10.2014 • ca. 7:30 Min

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Während viele Techniker und Ingenieure der Netzbetreiber noch dabei sind, die LTE-Versorgung in Deutschland aufzubauen, sitzt eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren schon zusammen und denkt über den Mobilfunk der fünften Generation nach. Das ist auch nötig, denn ...

Während viele Techniker und Ingenieure der Netzbetreiber noch dabei sind, die LTE-Versorgung in Deutschland aufzubauen, sitzt eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren schon zusammen und denkt über den Mobilfunk der fünften Generation nach. Das ist auch nötig, denn die Entwicklung eines neuen Mobilfunkstandards dauert in der Regel zehn Jahre. 5G, das 2020 durchstarten soll, steckt also mitten in der Entwicklung. Grund genug für connect, einen Blick auf den Stand der Dinge zu werfen und sich die Planung anzusehen.

Die Entwicklung verläuft in unterschiedlichen Phasen. In der jetzt endenden Explorations-Phase wurde erforscht, was der neue Standard alles können müsste und welche technischen Möglichkeiten zur Umsetzung der gefundenen Ziele es gibt.

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5G-VORTEILE NACH QUALCOMM: Aus den hohen Anforderungen etwa an Skalierund Anpassbarkeit ergeben sich zum Teil neue technische Herangehensweisen.
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Die Zukunft beginnt in jedem Moment

Die Anforderungen hat unter anderem das EU-geförderte Konsortium METIS aufgestellt; METIS steht für "Mobile and Wireless Communications Enablers for the Twenty-twenty Information Society" und setzt sich aus Forschungseinrichtungen, Infrastrukturherstellern und Netzbetreibern zusammen. Diese nehmen an, dass sich das übertragene Datenvolumen binnen zehn Jahren vertausendfacht, was der mit Zukunftstechnologien betraute Vodafone-Ambassador Hartmut Kremling durch die bisherigen Erfahrungen bestätigt sieht. Doch nicht nur das Datenvolumen steigt.

In den 5G-Netzen werden sich 10- bis 100-mal mehr Geräte tummeln als heute. Und das werden längst nicht nur Smartphones sein - in einer immer enger vernetzten Welt kommt der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M) entscheidende Bedeutung zu.Doch die nächste Generation Mobilfunk muss nicht nur auf mehr Teilnehmer und mehr Datenvolumen vorbereitet sein, auch die Ansprüche der Kundschaft werden steigen:Eine Datenrate von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde soll der neue Standard bieten.

Noch beeindruckender finden Kenner der Materie die Reduktion der Latenz auf wenige Millisekunden, schließlich können Funkwellen und elektrische Signale nicht schneller als Licht reisen - bei 300 Kilometern pro Millisekunde ist Schluss. Doch mit diesem Anforderungsprofil ist es noch nicht genug: Der Funkstandard soll laut METIS Geräte möglich machen, die bis zu zehnmal so lange mit einer Batterie auskommen wie heutige Mobilfunk-Interfaces. Hartmut Kremling spricht im Interview sogar von Laufzeiten bis zu zehn Jahren.

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Ausdauer der Geräte soll enorm steigen

Die hohe Anzahl an Verbindungen innerhalb einer Zelle, extrem geringe Latenz und zum Teil extreme Ausdaueranforderungen liefern Hinweise darauf, warum regelmäßig ein neuer Standard nötig ist. Fangen wir bei der Ausdauer an: In Zukunft werden immer mehr Geräte Mobilfunk nutzen, um zu kommunizieren. Ist etwa ein Sensor nur dafür zuständig, den Einbruch in ein Fenster zu melden, dann sollte dieser möglichst lange am Stück durchlaufen, was extreme Ausdauer verlangt. Doch dafür ist kein Mobilfunkstandard bisher ausgelegt.

Ganz im Gegenteil: Für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation mit geringen zu übertragenden Datenmengen werden immer noch GSM-Module eingesetzt, da UMTS- oder LTE-Hardware deutlich zu teuer wäre. Doch GSM ist ein Standard, der die von den Netzbetreibern teuer ersteigerte Funkbandbreite nur schlecht nutzt und auch den Endkunden nur noch wenig Spaß bereitet. Deshalb wären preiswerte, energiesparende 5G-Modems ein erster Schritt zur Zurückdrängung des 2G-Standards. Bei LTE hatte diese Option noch niemand vorgesehen - jetzt ist sie dringend nötig.

Die extrem kurzen Latenzen wiederum werden etwa in Bezug auf autonomes Fahren wichtig. Schon heute experimentieren die Autohersteller mit Fahrzeugen, die für bestimmte Strecken keinen Fahrer mehr brauchen; in Zukunft finden voraussichtlich viele Autos ohne menschlichen Eingriff von A nach B (siehe dazu auch Artikel ab Seite 118). Doch für die schnelle und umweltfreundliche Lenkung der immer größeren Verkehrsströme kommt dem Mobilfunk eine zentrale Rolle zu. Und wird direkt in den Verkehr eingegriffen, darf es in kritischen Situationen keine Wartezeiten geben. Auch bei der üblichen M2M-Kommunikation können kurze Latenzen teilweise wichtig zur Schadensvermeidung sein.

Die hohen Verbindungszahlen sind eine Folge davon, dass immer mehr Geräte miteinander kommunizieren. Um möglichst effektive Routen zu berechnen, beziehen Navigationssysteme schon heute die von Abertausenden von Smartphones indirekt erfassten Verkehrsströme. 2020 bis 2030 dürften Tausende neue Dinge vom Mobilfunk überwacht respektive gesteuert werden. Dass Smartphone-User durch bessere Abdeckung, mehr Freivolumen, höhere Datenraten und geringere Latenzen von der dafür nötigen Entwicklung profitieren, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

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Mehr Bandbreite muss her

Doch um den Datendurchsatz und den Speed zu erhöhen, braucht es das nötige Spektrum, gemeinhin als Bandbreite bemessen. Denn in der doppelten Bandbreite lassen sich in gegebener Zeit auch doppelt so viele Daten übertragen. Höhere Frequenzen sind jedoch schwieriger zu nutzen. Und der Platz unterhalb von 2,6 GHz, der höchsten zurzeit in Deutschland für Mobilfunk genutzten Frequenz, ist knapp.

Schließlich wollen auch Radiosender, Fernsehanstalten, die Polizei, die Feuerwehr und viele andere Interessenten ihren Teil vom Spektrum abhaben. Deshalb experimentieren Mobilfunker nun mit Millimeterwellen um 10 Gigahertz. Die haben zwar wegen Kurzwelligkeit schon mit kleinen Hindernissen Probleme und dringen daher nur schwer in Häuser ein, doch Bandbreite gibt es im hohen Frequenzbereich reichlich.

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Das unlizenzierte Spektrum

Doch es geht nicht nur darum, welche Frequenzbereiche für den Mobilfunk zur Verfügung stehen, es stellt sich auch die Frage, wie sie genutzt werden. Von LTE kennt man die "Carrier Aggregation", bei der einem Gerät mehr als ein Frequenzblock zugewiesen wird. Diese Blöcke stammen immer aus dem Spektrum, für das der jeweilige Netzbetreiber bei einer der Frequenzauktionen eine Lizenz ersteigert hat, dem lizenzierten Spektrum. Doch auch über die zusätzliche Nutzung von sogenanntem unlizenziertem Spektrum wird nachgedacht. Zum unlizenzierten Spektrum gehören etwa die ISM-Bänder (Industrial, Scientific, Medical), in denen sich ferngesteuerte Garagentore, Funkkopfhörer oder das allseits beliebte WLAN tummeln.

Wer nun Angst bekommt, dass der 5G-Mobilfunk bald alle WLANs vollmüllt, dem sollte bewusst sein, dass solche Störungen auf ein Mindestmaß reduziert werden, etwa durch Techniken wie "Listen Before Talk": Hierbei achten die Kommunikationspartner darauf, nur gerade freies Spektrum zu belegen. Diese Erweiterung des Mobilfunks im unlizenzierten Spektrum wird in absehbarer Zeit schon in LTE-Netze Eingang finden. Unter 5G soll die Art des genutzten Spektrums keinen Einfluss auf das Netzwerkdesign mehr haben, mehrere Netzbetreiber können sich dann auch gemeinsam lizenziertes Spektrum teilen.

Eine lange bekannte Möglichkeit, um mehr Kapazität und Geschwindigkeit in Mobilfunknetze zu bringen, ist die Erhöhung der Zellenzahl. Jede Mobilfunkzelle hat eine bestimmte Bandbreite, die sich alle Nutzer der Zelle teilen müssen. Mehr Zellen bringen also mehr Bandbreite pro User. Deshalb werden schon jetzt in modernen, gut genutzten Mobilfunknetzen die klassischen Basisstationen durch immer mehr kleine Zellen ergänzt, die unter den Namen Micro-, Pico- und Femtocell oder zusammengefasst als Small Cells bekannt geworden sind.

Im mobilfunktechnisch weit fortgeschrittenen Südkorea lassen sich Einzug und Wirkung der kleinen Zellen hervorragend beobachten. Hier sind etwa LTE-Small-Cells im Einsatz, die praktisch nur noch aus einer preiswerten Hochfrequenz-Sende- und Empfangseinheit bestehen; sie werden in Gruppen von über hundert an praktisch beliebigen Orten gesteuert - per Glasfaser und von nur einem Base-Station-Controller. Das hält die Kosten klein und ermöglicht es so, auch Bandbreite dort zur Verfügung zu stellen, wo herkömliche, hochgelegene Basisstationen aufgrund von Funkschatten nicht hinkommen.

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VISION VON QUALCOMM: 5G-Netze werden unwahrscheinlich komplex. Die Modem- und Prozessorspezialisten testen schon eifrig neue Optionen.
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Beamforming und Multi-Hop

Auch in anderer Hinsicht wird sich die Empfangslage in 5G-Netzen ändern. Die als Beamforming bekannte, gerichtete Strahlung wird unter LTE schon verwendet um bei nicht idealen Bedingungen die Verbindungsstabilität zu erhöhen. In 5G-Netzen dürfte Beamforming massiv an Bedeutung gewinnen.

Schafft es ein Antennensytem, einen Empfänger gezielt anzustrahlen, so kann es das gleiche Spektrum in eine andere Richtung wieder benutzen. Je gerichteter der einzelne Strahl ist, desto mehr Teilnehmern kann die Zelle ihre volle Bandbreite zur Verfügung stellen. Und wenn jemand schon mehr Bandbreite hat, als er braucht, so kann er einen Teil davon anderen abgeben. Damit dient er dann als Repeater für in ungünstiger Empfangslage befindliche Empfänger - Multi-Hop nennt sich das. Damit Mobilfunkkunden da mitmachen, darf der Energieverbrauch durch die zusätzliche Kommunikation nicht stark steigen. Dafür sollten die in engmaschigen Netzen geringere Sendeleistung und der bei stetig schrumpfenden Halbleiterstrukturen schwindende Prozessorverbrauch sorgen.

Self-Organizing Networks

Small-Cells, Beamforming und Multi-Hop bringen immer mehr Funker ins selbe Frequenzband. Und der Feind einer schnellen, stabilen Übertragung ist die gegenseitige Störung einzelner Sender, die Interferenz. Diese so gering wie möglich zu halten, gehört zum hochgeschätzten Wisssen jedes Netzbetreibers. Unter 5G werden dynamisch agierende, sich selbst organisierende Netzwerke von allein merken, wenn eine Zelle die andere stört. Dann können sie entscheiden, welche den Pegel reduzieren oder das Frequenzband verlassen muss.

In Einzelfällen können zwei Zellen einen in der Mitte zwischen ihnen stehenden Nutzer auch synchron versorgen, um seinen Empfang zu verbessern. Kommt eine Zelle durch zu viele Teilnehmer in Kapazitätsnöte, kann sie sogar solche im Randbereich an eine weiter entfernte, aber weniger ausgelastete Zelle weiterreichen. Derartige Optimierungen werden die Zellen von 5G-Netzwerken autonom und in Abstimmung miteinander bewerkstelligen. Möglich wird das, weil die nach Moores Law ständig und schnell wachsende Rechenleistung auch äußerst komplexe technische Systeme denkbar macht. Der Mobilfunk profitiert davon besonders stark, schließlich stellt er eines der komplexesten Systeme dar, an denen viele Menschen gemeinsam arbeiten.

Und es sind auch Menschen, die mit den ab 2020 erwartbaren technischen Fortschritten von 5G-Netzen heute noch undenkbare Sachen anstellen werden. Wissenschaftler und Ingenieure werden dann schon begonnen haben, über 6G nachzudenken.