Zwergen-Aufstand
Die ideale Anlage mit der Kiso Acoustic HB 1
Die noch ganz junge 3. Dimension in München macht vieles anders als die etablierten Händler. Auch die hier vorgestellte Kette ist gewagt-extravagant.

Neueröffnungen sind bei HiFi-Läden mittlerweile extrem rar. Umso mehr freute ich mich auf den Besuch in der 3. Dimension im Münchner Westend, wo die stolzen Neuladenbesitzer, Stefan Trog und Florian Walter, mir eine "außergewöhnliche Kette um die außergewöhnliche Kiso" versprachen. Seit wann es die 3. Dimension schon gibt? "Wir sind mittlerweile im 9. Monat", sagt Walter und klopft Trog auf den Bauchansatz, "und Stefan trägt das Baby aus. "Moment mal", protestiert Trog, "wie soll ich denn das verstehen?" Beide lachen. Die Chemie stimmt.

Dabei ist an dem kleinen Scherz etwas Wahres dran: Der Bauchmensch Trog ging mit der Idee schwanger, der Kopfmensch Walter befand sie für gut und machte den Geburtshelfer. Die Eröffnung war dann im Herbst letzten Jahres. Die "Gnade dieser späten Geburt" hat Vorteile. Die 3. Dimension muss nicht mit dem Mief der 70er und 80er Jahre kämpfen, den viele Händler noch nicht ausklopfen konnten. Der Laden in der Heimeranstraße erinnert eher an ein modernes Einrichtungsgeschäft: weitläufiges Parkett, edle Materialien und viel Platz zur Präsentation.
"Wir wollten von Anfang an eine Atmosphäre schaffen, in der sich auch Frauen wohlfühlen", sagt Florian Walter. Dazu gehören die richtige Lichtstimmung und dezent eingesetzte Düfte: Wer etwas genauer hinsieht, entdeckt hier und dort Ständer mit Dufthölzern.
Das Konzept scheint aufzugehen. Während meines vierstündigen Besuchs lag der Anteil der Besucherinnen bei geschätzten 30 Prozent. Nicht übel. Trog sagt: "Natürlich ist HiFi und vor allem teures High-End Männersache. Aber Frauen sind interessiert und offen für schöne Sachen. Sie hören oft besser und sind (Anm. des Autors: Dieses Zitat hat in einem HiFi-Magazin eigentlich nichts verloren) in der Regel nicht durch Testberichte blockiert. Zu uns kommen Frauen auch allein, hören und bringen zum Schluss ihre Männer mit. Nicht für die Entscheidung; die ist längst gefallen. Um zu zahlen ..."
Wenn man in der 3. Dimension Markenschwerpunkte erkennen wollte, liegen sie bei deutschen und/oder europäischen Produkten. Walter: "Wir wollen hier nicht die vorverkauften Modelle von Accuphase. B&W & Co. anbieten. Wir wollen das Bewusstsein dafür schärfen, dass es jenseits des Mainstreams noch viel Faszinierenderes zu entdecken gibt. Auch dafür haben wir die 3. Dimension gegründet."
Der Lautsprecher-Zwerg Kiso

Die Kiso liegt fraglos ganz weit weg vom Mainstream - nicht nur wegen ihres mitschwingenden Gehäuses aus Gitarrenholz. Sie ist halt wirklich winzig, und warum sie so teuer ist, erklärt sich auch nicht auf den ersten Blick. Aber sie zaubert eine Natürlichkeit und Abbildung, wie sie sonst vielleicht nur die stereoplay-Referenzbox Magico M5 hinbekommt. "Die meisten Leute, die hier in der 3. Dimension die Kiso hören, sind schlichtweg begeistert", sagt Stefan Trog. "Und sie ist ja auch eine einmalige Box. Ich meine, sie klingt natürlicher und schneller als die teuersten Schallwandler, die wir hier im Laden haben. Natürlich ist sie in der Bandbreite begrenzt. Aber das, was sie kann, macht sie einzigartig gut. Für mich ist sie in vielen Belangen der musikalische Maßstab."
Der Verstärker
Die Kiso braucht erstaunlich viel Leistung. Man meint, weil sie so winzig ist, würde ein kleiner Amp reichen. Weit gefehlt. An 100 Watt oder weniger spielt sie wie mit angezogener Handbremse. Die Wahl der beiden Ladenbetreiber fiel deshalb auf den großen Continuum 500 von Jeff Rowland, einen Schaltverstärker mit den bewährten ICE-Power-Modulen von B+O. Trog: "Ich als Oberflächen-Freak finde ja schon diese Front mit ihrem superben Wellenschliff rattenscharf."
Aber auch hinter der Fassade hätte der Rowland alles, was die Kiso HB 1 braucht: zwar keine Digitaleingänge, aber die nötige Power (nämlich mehr als 250 Watt pro Seite) und die richtige Feinauflösung.
Die Quellen

Über den CD-Player Ayre CX 7e MP muss man nicht viele Worte verlieren: Er ist der überragende Player seiner Preisklasse und dient stereoplay seit seinem Test (6/08) als Arbeitsreferenz. Ähnliches gilt für den Plattenspieler Rega P9. Walter: "Der spielt wie der Teufel. Roy Gandy weiß einfach, was er tut. Wir fahren den P9 mit dem Tonabnehmer Lyra Delos. Nach meinem Dafürhalten muss schon ein Linn LP 12 oder ein Bauer dps aufgefahren werden, um hier eine bessere Performance hinzubekommen. Das ist dann aber deutlich teurer."
Die entsprechende Phonovorstufe fanden Trog und Walter in der Trigon Advance (mit eingebautem Akku-Netzteil). Der Vorverstärker ist sauber aufgebaut und extrem flexibel, weil mittels zweier Mäuseklaviere auf dem Geräteboden alle Anpassungen an verschiedenste Tonabnehmer möglich sind. Walter: "Für ihr Geld ist die Advance ein echter Hammer. Sie bremst einfach nicht, klingt sehr fein und passt trotz des günstigen Preises hervorragend zur P9/Delos-Kombination."
Das Zubehör
Die Wahl des Boxenkabels ist in diesem Fall sehr einfach: Es ist die (perfekt auf die Kiso abgestimmte) HB-1-Innenverkabelung - und die ist in beliebiger Länge im Preis inbegriffen. Für die Verbindung zwischen CD-Player und Verstärker sowie zwischen Phono-Pre- und Rowland-Amp kommen Cinch-Kabel von Cardas (Modell Clear) zum Einsatz. Trog: "Schon nach wenigen Versuchen war klar: Das ist es. Die Abbildung wurde mit diesen Kabeln noch mal besser."
Wichtig an dieser Stelle sind auch die Netzleiste und die Oyaide-Netzkabel vom Berliner Hersteller Fisch. Trog: "Hochsolide Produkte, sauber verarbeitet und klanglich offen. Zudem hat Fisch viel Wissen über die Netzfilterung. Diese Strom-Geschichten verwenden wir in fast allen Anlagen."
Doch damit ist der Feinschliff noch nicht vollendet. Florian Walter versteht einiges von Raumakustik und tunt Wohnzimmer auf Wunsch mit Absorbern und Klangschälchen aus dem Fast-Audio-Vertrieb. Die kleinen, aber recht teuren Schälchen kann man auch nachträglich in die Kiso HB 1 implantieren. Walter: "Nach unserer Erfahrung funktioniert das prächtig. Aber okay - das ist tatsächlich ganz schön abgedreht ..."
Das klangliche Ergebnis ...

... war fantastisch. Die kleinen Boxen entfalteten am Continuum 500 eine Fülle und Farbenpracht, wie man es von Lautsprechern dieser Größe nie erwarten würde. Vor allem Stimmen wie Lisa Bassenge (Nylon) hatten eine seltene Kraft und Authentizität. Allerdings fehlte mir etwas die Mitte. Kein Wunder, standen die Kisos doch (nach Vertriebs-Empfehlung) extrem weit auseinander an den Seitenwänden.Das hat natürlich was: mehr Bass-Souveränität und einen Riesenraum. Aber daran - das ist ja das Großartige - haben die kleinen HB 1 auch frei aufgestellt gar keinen Mangel. Wir schoben sie also Stück für Stück weiter zusammen. Da hört man ja jeden Zentimeter ... Phasenverläufe in den Aufnahmen wurden plötzlich viel deutlicher, und Lisa Bassenge stand auf einmal vollkommen lebensecht und in 3D vor unserer Nase - wie bei einem Objektiv, das scharf gestellt wird. Dieser Lautsprecher ist und bleibt ein Phänomen, er verzaubert. Und in der 3. Dimension gibt es offenkundig Profis, die sich bestens damit auskennen.