Praxistest: Apple iPhone 4 - die ersten Eindrücke
Mehr zum Thema: AppleLaut Steve Jobs ist das neue iPhone 4 der größte technologische Sprung seit der Einführung des ersten iPhones 2007. Vergleicht man die Eigenschaften zu den Vormodellen, ergeben sie zwar einige Neuerungen, ein Revolution ist aber schwer zu erkennen.

Geht es nach Apple, sind alle neue Produkte "revolutionary" und "awesome" (revolutionär und fantastisch), was natürlich die marketingmäßig übertriebene Herstellersicht ist. Letztlich ist auch die vierte Generation eine verbesserte 3. Generation, wobei die Veränderungen deutlicher ausfallen als...
Geht es nach Apple, sind alle neue Produkte "revolutionary" und "awesome" (revolutionär und fantastisch), was natürlich die marketingmäßig übertriebene Herstellersicht ist. Letztlich ist auch die vierte Generation eine verbesserte 3. Generation, wobei die Veränderungen deutlicher ausfallen als bei den anderen iPhones.

Das fängt schon bei den Äußerlichkeiten an: War das 3G (und 3GS) gegenüber dem 2G (dem ersten iPhone) nur gefühlt dünner (faktisch ist es sogar dicker), ist das neue iPhone 4 sichtbar flacher und wesentlich kantiger. Die Vorgänger waren Handschmeichler, die man stundenlang in der Handinnenfläche drehen möchte; das ist vorbei, leider. Das iPhone-4-Gehäuse fühlt sich "hart" an. Man möchte es nicht mehr ständig in die Hand nehmen - schick ist eben nicht gleich angenehm. Obwohl es länger wirkt, ist es dennoch genau so lang wie die alten iPhones. Es ist auch genauso schwer, obwohl es schwerer wirkt. Am Grundkonzept der äußeren Bedienelemente hat Apple nichts geändert: Ein-Aus-, Home-, Vibrationsalarm- und Lautstärke-Tastater sind wie gewohnt da. Ein zweites Mikrofon auf der Gehäuseoberseite dient dem Herausfiltern von Störgeräuschen.
Das Display - ein Hammer
Wenn es bei der sichtbaren Hardware etwas mit "awesome" zu betitulieren gibt, ist es das "Retina" getaufte Display. Legt man alle drei iPhone-Generationen (3G und 3GS fassen wir der Einfachheit halber mal zusammen), ist der Unterschied beim Display von 2G zu 3G nur schwer zu sehen, der Schritt zum iPhone 4 ist dagegen deutlich sichtbar. Der Betrachtungswinkel ist wesentlich weiter, der Kontrast deutlich höher. Ein Schwarz bei voller Helligkeit ist bei einem iPhone 2G ein dunkles Grau, beim neuen Modell dagegen immer noch schwarz.

Die in jede Richtung verdoppelte Auflösung tut das übrige: Schrift ist nicht mehr erkennbar aus Pixeln zusammengesetzt und wirkt wie gedruckt. Die Geschwindigkeit hat dabei nicht gelitten, scheinbar reichen der schneller getaktete Prozessor zusammen mit der Grafikhardware aus, um die vielen Pixel zu füllen. Das ist tatsächlich "awesome".
Geschwindigkeit
Geschwindigkeit spielt für ein Smartphone in der Regel nur eine untergeordnete Rolle. Spiele für die Geräte laufen sowieso flott, weil die Hersteller die Performance genau auf den Gerätetyp abstimmen können - bei schwächeren Geräten wird einfach an der Bildqualität gedreht. Ob sich Webseiten schnell oder langsam aufbauen, hängt eher mit der WLAN-Verbindung zusammen als mit der Leistung des iPhones. Es gibt quasi keine Programme, die auf dem iPhone 4 nicht flott laufen. Die Bedienung erfolgt völlig ohne Ruckeln gewohnt flüssig.
Seit kurzem gibt es einen Benchmark für das iPhone: Geekbench 2, der immerhin Vergleiche zwischen den Geräten von Apple erlaubt. Dabei zeigt Geekbench nach einem Testlauf auf einem 3GS ein kombiniertes Gesamtergebnis von 249 Punkten, auf dem iPhone 4 kommen immerhin 378 Punkte raus. Mit dem iPad lässt sich das ganze leider nicht testen, da der Benchmark zwingend iOS4 benötigt und das für das iPad noch nicht verfügbar ist. Ein iPod touch der 3. Generation kommt auf 278 Punkte. Die Leistungssteigerung beim iPhone 4 beträgt damit 50% mehr als beim 3GS und entspricht in etwa der Steigerung der Taktfrequenz.
Übrigens: Wenn man schon länger mit dem iPhone arbeitet oder spielt und viele Tasks gelaufen sind, kann das Ergebnis auch deutlich schwächer ausfallen. Nach 18 Stunden Gebrauch waren es nur noch 360 Punkte.
Auch bei Thema Telefonie hat Apple kräftig nachgerüstet. Zum einen gibt es die Videofonie-Anwendung FaceTime, die man anfangs gar nicht findet, weil sie nicht als eigene App erscheint, sondern als Funktion in der Telefon-App daherkommt. Ruft man ein ganz normal ein andere iPhone 4 an, kann man nach dem Verbindungsaufbau auf "FaceTime" tippen. In der Redaktion wollte das bei den ersten Versuchen nicht funktionieren, was aber auch an den FireWall-Einstellungen im Verlag liegen kann. Ein Gegentest mit zwei iPhone-4-Geräten in einem privaten WLAN hat gut geklappt. Allerdings muss man sich auf Latenzen mit mehreren 100 Millisekunden einstellen.

Wie gut die Nebengeräusche-Unterdrückung mit dem zweiten Mikrofon funktioniert, sollte ein Test mit reichlich Krach im Hintergrund zeigen. Das Ergebnis überzeugt: Selbst wenn man am offenen Fenster steht und ein Laster nach dem anderen vorbeirauscht, hört der Gesprächspartner davon gar nichts. Die Filtertechnik der Nebengeräusche arbeitet offensichtlich sehr effektiv - etwas, was sich in lauten Kneipen bewähren dürfte. Dies gilt aber nur dann, wenn man nicht frei spricht, sondern das iPhone ans Ohr hält. Im Freisprechmodus klingt man für den Gesprächpartner nicht mehr so klar.
Filmen und Fotografieren
Auch beim Filmen und Fotografieren hat das neue iPhone zugelegt. Ein kleiner LED-Blitz darf jetzt ein wenig Streuchlicht in dunkle Szenen werfen. Mehr als ein Portrait-Aufheller sollte man allerdings nicht erwarten. Für mehr reicht die Lichtleistung einfach nicht aus.
Dafür hat die Kamera mit 5 Megapixeln mehr Auflösung bekommen. Bilder mit hellen Szenen werden sehr gut abgelichtet, bei Gegenlicht hat man schnell ringförmige Lichteffekte im Bild. In geschlossenen Räumen und schlechtem Licht rauschen die Farben deutlich sichtbar (das gute Display zeigt die Schwächen der Kamera schonungslos auf) und Verwackler drohen. Der Digitalzoom wirkt beim Fotografieren noch praktisch, wenn man die Aufnahmen sieht, nicht mehr. Gezoomte Bilder sehen schnell zerfranst aus. Letztendlich ist die Kamera für ein Handy gut, eine echte 5-Megapixel-Kamera ist aber ein anderes Kaliber.
Neu ist auch das Filmen in HD: Tatsächlich zeichnet das iPhone in 1280x720 Pixeln auf (bei ca. 10 MBit/s). Ein paar Minuten Film belegen schnell mehrere hundert MByte Speicher. Die Qualität ist brauchbar, wobei der Kontrast schwächer als bei den Fotos ist. Um Wackler zu vermeiden (ein elektronischer Wackler-Ausgleich fehlt leider), ist man geneigt, das iPhone links und rechts mit Finger zu stabilieren oder an eine Wand zu stützen. Das verhindert dann allerdings die Tonaufnahme, weil man dabei oft das Mikrofon überdeckt.
Ist genug Licht vorhanden (draußen), sehen die Aufnahmen recht knackig aus. Aber auch hier muss auf die Lichtrichtung achten. Wackler sind natürlich auch hier nicht zu vermeiden. Praktisch: Mit einem Fingertipp fokussiert das iPhone nicht nur auf das angetippte Motiv, sondern stellt auch die Belichtung passend für das Motiv ein. Sind Motive weiter weg (weiter als 3 Meter), ist die Fokussierung meist egal, weil bis "Unendlich" dann eh' alles scharf ist. Allerdings kann man dann mithilfe von dunklen und hellen Bereichen des Bildes schnell die Belichtung korrigieren. Das gilt sowohl für Film wie auch Bildaufnahmen.
Beim Filmen (wie auch in Facetime und beim Fotografiern) kann man per Fingertipp zwischen der Front- und hinteren Kamera wechseln. Die Front-Kamera hat allerdings nur VGA-Auflösung, was für das "Eigenbild" meist völlig reicht.
Zum Bearbeiten von Videos liefert Apple erst einmal keine Software aus. Dazu muss man sich das neue iMovie kaufen (für 3,99 Euro). Ohne das Programm lassen sich aufgenommen Video lediglich abspielen (das aber sehr komfortabel mit Schieberegler, um schnell Stellen anzuspringen). Ein Wegschneiden von Teilen geht nicht.
Fazit
Flacher, schärfer, schneller, kommunikativer - das neue iPhone 4 ist ein deutlicher Schritt im Vergleich zum 3GS, allerdings nicht so groß, dass man gleich bei EBay alt gegen neu tauschen müsste. Wer allerdings noch mit einem 3G oder 2G unterwegs ist, sollte nicht mehr warten. Zwei Kameras, zwei Mikrofone, Multitasking, Videoaufnahme, das Display: Im Rückblick ist es erstaunlich, was sich in nur zwei Jahren alles getan hat und wie alt ein altes iPhone aussehen kann.