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Project Ara - Videos, Hintergründe, Entwicklung

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Project Ara soll ein modulares Smartphone werden, das sich nach Gusto und Geldbeutel mit Modulen bestücken lässt - vom Display über den Prozessor und die Kamera bis zum Pulsmesser. Wir erklären die Hintergründe und zeigen, welches Youtube-Video die Entwicklung von Project Ara ins Rollen gebracht hat.

Autor: Frank Erdle • 17.11.2014 • ca. 4:25 Min

Project Ara
Project Ara
© Google

Hinter dem Project Ara steht nicht irgendein Startup aus dem Silicon Valley, sondern Google, weshalb die IT-Branche aufhorchte, als der Gigant das Konzept, das mit einem Video lanciert wurde, an die Öffentlichkeit brachte. Schon Anfang 2015 will Google einen voll funktionsfähigen Prototypen vorf...

Hinter dem Project Ara steht nicht irgendein Startup aus dem Silicon Valley, sondern Google, weshalb die IT-Branche aufhorchte, als der Gigant das Konzept, das mit einem Video lanciert wurde, an die Öffentlichkeit brachte.

Schon Anfang 2015 will Google einen voll funktionsfähigen Prototypen vorführen. Bei der ersten Vorstellung im September musste die Revolution noch kurzfristig verschoben werden, weil während der Live-Demonstration der Bildschirm einfror. Dennoch sparte Projektleiter Paul Eremenko bei seinem Vortrag vor der "Ara Developer Community" nicht mit Superlativen: Schon bald sollen "Hunderte von Entwicklern" die passenden Module und Apps für das Smartphone zum Zusammenpuzzeln liefern, dem Eremenko ein Käuferpotenzial "von sechs Milliarden Menschen" bescheinigte. Der Mann ist das Hantieren mit großen Zahlen gewohnt: Vor seinem Einstieg in die IT-Branche war er bei der US-amerikanischen Militärforschungsbehörde DARPA beschäftigt - dort wurde einst das Arpanet entwickelt, aus dem dann das Internet wurde

Project Ara: Die Idee eines Niederländers

Das Konzept eines Handys, dessen Innenleben sich wie mit Legosteinen verändern lässt, hat sich aber keineswegs Eremenkos Mannschaft ausgedacht; es stammt von Dave Hakkens. Der Niederländer war 2012 derart über das Dahinscheiden seiner geliebten Kompaktkamera betrübt, dass er sie unbedingt wieder instandsetzen wollte. Doch ein neuer Linsenmotor ließ sich nirgendwo auftreiben.

Project Ara

Dieses Negativerlebnis brachte den Handy- und Ökofan auf ein spannendes Thema für seine Abschlussarbeit an der Design Academy Eindhoven: "A Phone Worth Keeping" - ein Telefon, das sich zu behalten lohnt. Nun besaß Dave weder das Wissen noch die Patente, um seine Idee in die Tat umzusetzen. Aber er produzierte ein Konzeptvideo und veröffentlichte es im September 2013 unter dem Namen "Phonebloks" auf dem Videokanal Youtube.

24 Stunden später war der Film ein Topthema in den sozialen Netzwerken und hatte schon mehr als eine Million Klicks. Hakkens wurde mit E-Mails von Unternehmen überschüttet, darunter auch Motorola. Der einst ruhmreiche Handyhersteller gehörte damals zum Google-Konzern, wurde dann aber an Lenovo verscherbelt. Das Ara-Projektteam, das bei Motorola aufgebaut wurde, ging jedoch nicht an die Chinesen. Inzwischen weiß man, warum.

Hier das Phonebloks-Video Dave Hakkens auf Youtube:

Phonebloks

Quelle: davehakkens
2:47 min

Tatsächlich ist die Vorstellung verlockend, ein Smartphone für überschaubares Geld immer wieder auf den aktuellen Stand der Technik bringen zu können. Elektronik-Multis wie Samsung, Sony oder LG rollen im halbjährigen Rhythmus neue Modelle in den Handel und ködern die Kunden oft nur mit wenigen neuen Features oder einem etwas schnelleren Prozessor. Dadurch verlieren die meisten Mobiltelefone zügig an Wert und landen bei Ebay, in irgendeiner Schublade - und schließlich im Müll. Dabei enthält eine Tonne Handyschrott rund 240 Gramm Gold und sogar 2,5 Kilogramm Silber.

Project Ara: Sechs Jahre Lebensdauer pro Handy

Eremenko möchte die aktive Lebenszeit der rohstoffhaltigen Geräte auf fünf bis sechs Jahre verlängert sehen. Um dieses Ziel zu erreichen, will Google für das upgradefähige Ara-Smartphone spezielle Alurahmen in drei Größen anbieten. Diese Rahmen - im Fachjargon: Endoskelette - sollen bereits über einen Mikro-Akku und einen Einfachstprozessor verfügen, um im Alltag den fliegenden Wechsel der Module zu ermöglichen (Hot Swapping).

Project Ara: Das Konzept

Die technischen Zutaten, also Hauptprozessor, Display oder Kamerachip, sollen elegant mit Elektromagneten gesichert werden, sodass deren Austausch kinderleicht fällt. Bei der Herstellung von Teilen für das Baukasten-Handy sollen auch innovative Startups zum Zuge kommen, die bei den großen Handyproduzenten keine Chance haben, als Zulieferer gelistet zu werden. Für Entwickler steht unter www.projectara.com​ ein "Module Developers Kit" (MDK) bereit.

Das folgende Video zeigt die Präsentation von Project Ara auf der Googles Entwicklerkonferenz I/O 2014:

Google's Project Ara Prototype Demo

Quelle: Rajamanickam Antonimuthu
6:55 min

Die größte Herausforderung wird das Zusammenspiel von Modulen unterschiedlichster Herkunft. Schließlich soll das Endprodukt in der Hand des Kunden geschmeidig funktionieren. Google selbst will nur den Grundstein für die Entwicklung legen und seine Alu-"Endos" über einen Ara-Marketplace verkaufen.

Ungewisse Marktchancen für Project Ara

Experten rätseln, ob dem Netzriesen und seinen künftigen Partnern mit "Project Ara" der große Wurf gelingen kann. Alle bisherigen Versuche, ein modulares Handy zur Serienreife zu bringen, sind gescheitert, obwohl ein Upgrade von Festplatte, Grafikkarte oder Arbeitsspeicher bei PCs als millionenfach bewährtes Mittel gilt, um einen teuren, Ressourcen verbrauchenden Neukauf hinauaszuzögern.

"Ich halte die Baukastenidee für eine spannende Geschichte. Ich gebe ihr aber keine Chance, solange wir eine Marktdynamik haben, bei der Handys überwiegend mit Mobilfunkverträgen verkauft und alle zwei Jahre ausgetauscht werden", erklärt Florian Kerkau, Mobilfunk-Insider und Geschäftsführer der Beratungsfirma Goldmedia. Zudem stelle sich die Frage, welche Interessen Google mit dem modularen Handykonzept verbinde - außer die Daten von noch mehr Menschen einsammeln zu können.

Project Ara
© Google

Auch sonst bleiben momentan noch einige Fragen beim Project Ara offen. So musste Paul Eremenko bei einer Präsentation im September zugeben, dass die Akku-Power noch verbesserungswürdig ist; auch könne das Gerät aufgrund der vorgegebenen Rahmenstruktur schwerer und dicker ausfallen als ein Phone von der Stange.

Die Software: Angepasstes Android 5

Klarheit besteht hingegen schon heute beim Betriebssystem: Das Ara-Phone soll mit einem angepassten Android 5 ausgerüstet werden, das von der Open-Source-Softwareschmiede Linaro verantwortet wird. Die Spezialversion soll auf die Möglichkeit vorbereitet sein, auch noch nachträglich Treiber einbinden zu können.

Project Ara
© Google

Fertigung mit 3-D-Druckern

Spannung verspricht die Ankündigung Eremenkos, dass ein großer Teil der Module des Puzzle-Phones von 3-D-Druckern gefertigt werden soll. Mit der US-Firma 3D Systems ist ein Spezialist an Bord, der nicht nur Kunststoffteile herstellen, sondern auch leitende Tinten für die Antennen entwickeln will. Ohne die Einführung solch neuartiger Produktionsprozesse dürfte es kaum gelingen, modulare Smartphones zu attraktiven Preisen herzustellen. Rechnen kann sich das Ganze trotzdem erst, wenn es sich auch verkauft.

Das folgende Video zeigt einen aktuellen Prototypen von Project Ara:

Phonebloks update - Ara Prototype

Quelle: Phonebloks
3:24 min

An den Erfolg glauben aber nicht nur beteiligte Unternehmen wie Linaro oder Toshiba, sondern auch die Akustik-Päpste von Sennheiser, die Soundchips für das Future-Phone anbieten wollen. "Der innovative Ansatz dieses Projekts stellt den Endnutzer in den Mittelpunkt", freut sich CEO Daniel Sennheiser. "Dank unserer jahrzehntelangen Erfahrung mit Audio-Produkten im Premiumbereich glauben wir, dass wir der ideale Partner für solche Konzepte sind." Zuerst muss der Ara-Vogel von Google aber fliegen lernen.

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