HiFi-Kopfhörer
HiFiMan HE1000 im Test
Der HiFiMan HE100 ist ein Kopfhörer zum Preis einer kleinen HiFi-Anlage. Wie klingt der magnetostatische High-End-Kopfhörer im Test?

Eine zentnerschwere Endstufe, ein luxuriöser Vorverstärker und ein Paar hochgewachsene, korpulente Standboxen, dazu edle Strippen – fertig ist die High-End-Anlage. Der andere Weg: ein Kopfhörer. Natürlich nicht irgendeiner, sondern ein höchst musikalisches Exemplar, das opulentem Abhör-Equipment ebenbürtig ist. Das neue Topmodell HE1000 der chinesisch-amerikanischen Spezialisten HiFiMan ist so ein Kandidat, 480 Gramm leicht und mit Preis-Noblesse gesegnet.
Damit wir uns nicht missverstehen: Die wohligen Schauer, die eine ausgewachsene Anlage im Wohnraum entfalten kann, stehen selbstverständlich außer Frage, auch die dazugehörige physisch sinnvolle Elektronik. Schließlich schlägt hier das Herz von HiFi. Aber wer lieber seinen eigenen, intimen Logenplatz, sozusagen im privaten Konzertsaal genießen möchte, kann mit einem Top-Kopfhörer ähnlich – oder anders – glücklich werden. Zumal die HiFi-Seele ja meist von einem Controller gegängelt wird, der allzu große Investitionen gern kühl in Frage stellt: Bei Plan B belastet neben dem Kopfhörer selbst nur noch ein guter Kopfhörerverstärker das Budget.
HiFiMan: Junge Firma, reifer Erfolg
HiFiMan blickt auf eine rund zehnjährige Historie zurück, deren Wurzeln in der Firmengründung von Dr. Fang Bian in New York liegen. Heute verteilt sich die Firmenstruktur auf mehrere chinesische Orte. In Dongguan stehen Kopfhörer auf dem Fertigungsplan. Dass die Spezialisten längst den Ton angeben können, haben Geräte wie der Digitalplayer HM-802 (Test) oder Kopfhörer wie der HE-6 (Test) bewiesen. In letzterem Produktbereich setzt Dr. Bian gern auf das magnetostatische Prinzip: Eine dünne Folie mit aufgedampfter Leiterbahn tanzt im Takt der Magneten – dank geringer Masse ultraschnell, präzise und verzerrungsresistent, so die Theorie.

HiFiMan HE1000: Aufbau
Für das „offene“ Flaggschiff HE1000 haben die Ingenieure stolze sieben Jahre lang geforscht. Die Treiberfolie als Herzstück sollte unerhört dünn ausfallen, laut HiFiMan ist der erreichte Millionstel-Millimeterbereich (Nano) eine Pioniertat im Genre. Schließlich muss sie extrem reißfest sein sowie vollkommen plan, und sie muss die aufbedampfte Leiterbahn tragen. Die Folie wird beidseitig flankiert von Magneten, die äußeren besitzen dabei ein größeres Volumen für die Haupt-Wandelarbeit. Dies soll eine extrem schnell ansprechende Spielweise garantieren und Reflexionen im Zaum halten.
Das Flaggschiff wird übrigens in Handarbeit gefertigt. Der Bügel besteht aus Flexistahl, der Schlitten aus kalt geschmiedetem Aluminium. Das Kopfband aus butterweichem Kalbsleder schmiegt sich sanft aufs Haupt – überhaupt setzt man den 1000er auf und hat sofort das Gefühl: passt. Auch nach längerem Hören erfreut die überaus angenehme Leichtigkeit des Designs. Die asymmetrisch geformten Ohrmuscheln – ebenfalls aus Kalbsleder mit aufgesetztem Veloursaum – lassen sich austauschen. An den Gehäuse aus Kirschholz können drei mitgelieferte Kabel andocken (Klinke, XLR, Miniklinke). Die Strippenzieher von HiFiMan kreierten für den HE1000 exklusive Leinen, in denen Kupfer- und Silberleiter arbeiten.

Die stylisch-ovalen Metall-Außengrill-Fassungen des Hörers dienen der Akustikoptimierung. Das „Window Shade“-System sorgt dafür, dass die Treiber geschützt sind sowie Verzerrungen und Vibrationen minimiert werden können. Nach der Session darf der HE1000 dann in seiner schön gemachten, stabilen Kunstlederbox ruhen.
Hörtest
Viel Zeit zum Relaxen war dem HE1000 beim Hörtest aber nicht gegönnt. Vertäut mit diversen Kopfhörer-Amps, galt es, ihm seine Charaktereigenschaften mit einer großen Repertoirebandbreite zu entlocken. Den Auftakt machte das Duo Boy alias Sonja Glass und Valeska Steiner mit „We Were Here“. Völlig selbstverständlich legten die beiden los, unangestrengt, mit feinen Stimmdetails und Nuancierungen – oh Boy! Ähnlicher Eindruck bei der Gänsehautstimme von Hannah Reid, Sängerin von London Grammar: schön, ausgewogen, klar artikuliert.
Den Fleetwood-Mac-Klassiker „Dreams“ schüttelte der HiFiMan selbst bei hohen Pegeln knackig und mit sattem Bassfundament aus dem Ärmel. Die kubanische Altherrenriege vom Buena Vista Social Club („Lost And Found“) drang beherzt, farbecht und in schönem Raumambiente ans Ohr. Wieder stellte sich das Gefühl ein: Es ist einfach alles da.
Gleiches galt für die 74er-Live-Aufnahme „Hot August Night“: Wunderbare Atmosphäre, prima Auflösung – und eine dabei stets gewahrte Homogenität, wo der hervorragende Sennheiser HD800 (Test) eher etwas den Analytiker gab und so das Klatschen des Publikums einen Tick nüchterner darstellte. In der Klassikabteilung bestach der HE1000 mit wunderbarer Körperhaftigkeit und seidigem Glanz von Sol GabettasCello („The Chopin Album“).

Egal, welche Stücke und Genres folgten: Der HE1000 begeisterte stets mit souveräner Gelassenheit, in etwa wie ein 12-Zylinder. Damit glänzt er als charakterstarker Musikbegleiter für viele Jahre. Damit noch mal zurück zum HiFi-Controller: Bei einer Nutzungsdauer von zehn Jahren schlägt der Hörgenuss mit einem Teil wie dem HE1000 mit rund einem Euro pro Tag zu Buche. Läppisch, oder?
Fazit
Kopfhörer zum Preis einer Aufsteiger-HiFi-Anlage sind eine Ansage und spalten die Geister: Manch eingefleischter Wohnraum-Hörer zieht irritiert die Augenbraue hoch, andere schwören auf den intimen Klanggenuss – vorausgesetzt der Hörer schwingt sich in audiophile Gefilde auf und betört die Sinne, wie der HiFiMan HE1000. Natürlich ist der Preis mit 3500 Euro selbstbewusst kalkuliert. Dafür lotet der offene Magnetostat jedoch den oberen Bereich des Machbaren im Kopfhörerbereich aus: souverän, offen für alle Genres und absolut langzeittauglich.