Testbericht
Lautsprecher Opera Callas II
So eine Kompaktbox gab es noch nie: Fünf Hochtöner sorgen in der neuen Opera Callas II (3500 Euro) für feinsten Hochtonglanz. Exklusivtest.
- Lautsprecher Opera Callas II
- stereoplay Know-how: Der doppelte Front-Tweeter
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Venedig ist hier noch regelrecht spürbar. Nur 20 Kilometer von der Lagune entfernt, im beschaulichen Preganziol, ist Opera Loudspeakers zu Hause. Diese kleine, feine italienische Boxenmarke, in deren Manufaktur übrigens auch die superben Röhrenverstärker von Unison entstehen, steht für die Lebenslust dieser Region, für die Freude am Schönen. Und so haben Opera-Lautsprecher immer auch etwas Sinnliches: Es sind wunderschön verarbeitete, schwere, elegant gerundete Tonmöbel, die dank eines ausgeklügelten Mixes verschiedener Hölzer und Wandstärken keinen musikstörenden Eigenklang entwickeln.

Beispiel: die neue Callas II. Der Deckel der hübschen Kompakten ist aus 30 Millimeter starkem Echtholz, die Seitenwangen aus 30 Millimeter starkem, furniertem Schichtholz, die lederbezogene Front sowie die Bodenplatten bestehen aus MDF - ebenfalls 30 Millimeter stark. Den Vogel schießt die (ebenfalls lederbezogene) Rückwand ab: Sie kommt auf satte 60 Millimeter!
Und natürlich - das gehört bei einer echten Opera dazu - bedienen sich die Italiener stets bei skandinavischen Edelchassis-Herstellern. Im Falle der Callas II handelt es sich um einen 5-Zoll-Tiefmitteltöner mit extrem steifer Magnesium-Membran und Seidenkalotten-Hochtöner - alle von Seas.
Der Plural bei den Hochtönern ist hier durchaus mit Bedacht gewählt, denn pro Callas werkeln nicht weniger als fünf (!) Kalotten. Die drei Hochtöner auf der Rückseite kennen stereoplay-Leser schon von der Opera Tebaldi (5/06). Sie spielen mit leicht abgesenktem Pegel ab 2000 Hertz und versorgen auch den Rückraum mit Höhenenergie. Neu hingegen sind die beiden Hochtöner auf der Front, die den Tiefmitteltöner in die Zange nehmen. Die doppelte Ausführung bringt im unteren Übertragungsbereich der Tweeter eine höhere Belastbarkeit und so mehr unverzerrte Dynamik.

Die Messungen des stereoplay-Labors belegen, dass die Italiener ihre Hochtonflut gut im Griff haben: Der Frequenzgang ist ausgewogen und weist keine der befürchteten Auslöschungen auf (siehe auch Kasten unten). Was die Messergebnisse allerdings auch zeigen: Die Callas II hat gern kräftige Verstärker; mit den fantastischen Unison-Röhren-amps aus gleichem Hause dürfte sie wegen ihres mäßigen Wirkungsgrads von 80 Dezibel nur schlecht harmonieren. Und die Callas II muss wegen ihrer Rückhochtöner mit wenigstens einem halben Meter Abstand zur Wand stehen - andernfalls wäre der ganze Aufwand überflüssig.
Was schade wäre. Denn einen so feinen und leichtfüßig-transparenten Hochtonbereich hatten die Redakteure schon lange nicht mehr gehört. Einzelne Töne eines Triangels standen quasi im Raum. Jede Aufnahme bekam eine glaubhafte Tiefe und viel "Luft". Und es klang einfach schön. Männerstimmen besaßen eine anheimelnde, sonore Wärme, und selbst kieksige Frauenstimmen wie Rebecca Pidgeon kippten nie ins Unangenehme.

Die Callas II packt den Hörer nicht am Schlafittchen, stößt ihn nicht mit der Nase auf die hässlichen Momente einer Aufnahme, sondern umschifft scharfe Klippen, indem sie sich in den Mitten etwas zurücknimmt. So schafft sie, was nur wenigen Schallwandlern zu Eigen ist: Sie zieht den Hörer in die Musik. Die zum Vergleich angetretene Thiel SCS 4 (7/08) ist ein lupenreiner Monitor, der Feindynamik, Durchhörbarkeit (vor allem im Grundton) und Präzision im Übermaß bietet - und im Grunde der deutlich ehrlichere Lautsprecher ist. Dennoch: Lieber und viel länger habe ich mit der Callas II gehört.
In einer wirklich stressigen Woche schaffte sie es mehrfach, mich für Stunden an den Hörraum zu fesseln. Das ständige Hin-und-her-Schalten verschiedener Musikstücke - üblich beim Testen - wich dem reinen Hören. Ich kann gar nicht sagen, wann ich die "Ultimate Tunes" von stereoplay das letzte Mal durchgehört habe; mit der Callas II passierte es einfach. So lasse ich mich gern verführen.