Testbericht
LG E906 Jil Sander im Test
Das Jil-Sander-Smartphone möchte sich von der Masse abheben - doch wie unser Test zeigt, bleibt es im Mittelmaß stecken.
- LG E906 Jil Sander im Test
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- Wertung

Die aus Hamburg stammende Modeschöpferin Jil Sander ist bekannt für elegante Kleidung, Accessoires und Parfums - jetzt hat sich das Label auch an einem Smartphone-Gewand versucht. Das Design des LG E906 ist Jil-Sander-typisch minimalistisch und schlicht gehalten, die verwendeten Materialien allerdings sind zweitklassig und spürbar aus Plastik; ohne Knarz- und Quietschlaute lässt sich das Smartphone kaum bedienen. Immerhin werten die dezent geriffelte Akkuabdeckung und die im charakteristischen Jil-Sander-Stahlblau gehaltenen Verzierungen an den Gehäusekanten Design und Haptik des E906 etwas auf - insgesamt jedoch bleibt das Look-and-Feel auf unterdurchschnittlichem Niveau.
Licht und Schatten
Das gilt auch für die obligatorischen Bedientasten unterhalb des Bildschirms: Die zentrierte Windows-Taste geht in Ordnung, auf die beiden Tasten "Zurück" und "Suchen" muss man aber schon sehr kräftig drücken, um eine Reaktion zu erhalten. Positiv gesehen: Fehleingaben wie bei Modellen mit Sensortasten sind hier beinahe ausgeschlossen.
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Sehr gut gefallen wiederum die sorgfältig im Gehäuse integrierten Tasten für die Lautstärke, Ein/Aus und die Kamera; auch der Micro-USB-Anschluss zeigt sich vorbildlich mit einer Kappe vor Staub geschützt. Stirnseitig ist eine 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse verbaut; die mitgelieferten Kopfhörer tragen ebenfalls Jil-Sander-Farben und -Schriftzug und haben einen akzeptablen Klang für einfache Ansprüche. Dem Kamera-objektiv auf der Rückseite assistiert bei Bedarf eine kleine LED, Bilder nimmt es mit maximal 5 Megapixeln auf, Videos mit 720p, was HD-Qualität entspricht. Die Fotos erreichen jedoch nur Schnappschussqualität und können nicht wirklich überzeugen.
Jil Sander auch im Inneren
Der Jil-Sander-Einfluß endet freilich nicht mit dem Äußeren, das Corporate Design zieht sich auch durchs System. So erscheinen die für das neue Microsoft-Betriebssystem typischen Live-Kacheln auf dem Startbildschirm standardmäßig im markanten Stahlblau, und der Lockscreen ist mit dem Jil-Sander-Schriftzug als Hintergrund versehen. Sogar eine eigene App ist installiert: Hier finden Interessierte etwa Bilder und Videos zu diversen Kollektionen. Eine nette Zugabe, die allerdings nicht ganz zu Ende gedacht ist: Wer nämlich aus der App heraus auf den Onlineshop zugreift, bekommt nicht, wie vielleicht erwartet, eine fürs Smartphone optimierte, mobile Version des Stores angeboten, sondern muss in Scrollorgien umständlich in der gewöhnlichen und für den kleinen Handybildschirm umständlichen Desktop-Browseransicht shoppen - das geht auch besser.

Microsofts Betriebssystem Windows Phone ist in der neuen Version 7.5 Codename Mango installiert; eine LG-eigene Benutzeroberfläche wie sie etwa die Android-Smartphones von LG und anderer Hersteller aufweisen, lässt Microsoft bei Windows Phone nicht zu. Hersteller-eigene Apps sind hier das Höchste der Gefühle.
Wachsendes App-Angebot
Drittanbieter-Apps finden ihren Weg über den Windows Marketplace auf das E906 - eine Windows-Live-ID vorausgesetzt. Der Marketplace ist innerhalb von nur einem Jahr sehr schnell gewachsen, mittlerweile tummeln sich weit über 30_000 Anwendungen in Microsofts Softwareladen, darunter sehr viele Top-Apps aus unterschiedlichen Kategorien wie etwa Deutsche Bahn, Facebook, What's App und Angry Birds. Je mehr Apps installiert werden, desto unübersichtlicher wird allerdings das Hauptmenü, denn Microsoft räumt keine Möglichkeit ein, Anwendungen in Ordnern oder mit Widgets zu organisieren.
Zune ist das Pflichtprogramm
Besonders schick beim App-Shopping ist dafür die "Try before you buy"-Funktion: Viele kostenpflichtige Applikationen lassen sich für einen bestimmten Zeitraum testen und kostenfrei nutzen - solch hohen Nutzerkomfort gibt's nicht mal beim App-Store-Primus Apple. Und wenn wir schon den Vergleich zu Apple ziehen: Mit der Sync-Software Zune hat Microsoft das Pendant zu Apples iTunes zum Übertragen von Musik, Bildern und Videos aufs Smartphone am Start - ohne Zune und Kabelverbindung kommen keine Multimedia-Inhalte aufs E906, weil Windows-Phone-Geräte nicht als USB-Client unterstützt werden. Die Zune-Software lässt sich mit dem ersten Anschließen des Smartphones an einen Rechner kostenlos aus dem Internet herunterladen.

Schaltzentrale des E906 ist das 3,8 Zoll große LC-Display. Das bietet die Normauflösung von 480 x 800 Pixeln und reagiert sehr zuverlässig auf Fingereingaben. Multitouch-Gesten sowie schnelles Scrollen und Zoomen gelingen geschmeidig und meist verzögerungsfrei; Touchscreen und 1-Gigahertz-Prozessor sind offensichtlich gut aufeinander abgestimmt.
LG, Jil Sander und Microsoft
Verantwortlich für die Technik zeichnet LG, indirekt auch Microsoft, da der Software-Riese strikte und unumstößliche Vorgaben für Smartphones mit Windows-Phone-Betriebssystem aufgestellt hat. So sind beispielsweise Speicherkarten-Slots oder die Wiedergabe von Flash-Inhalten technisch sicher möglich, bei Windows-Phones allerdings weiterhin ausgeschlossen.
Den internen Speicher hat LG daher mit knapp 15 Gigabyte recht groß bemessen, viele Webseiten mit interaktiven Inhalten bleiben aber außen vor. Langfristig dürfte Letzteres kein Problem mehr sein, nachdem Adobe Anfang November bekannt gegeben hat, den Flash-Player für mobile Endgeräte nicht mehr weiterzuentwickeln und voll auf den Webstandard HTML 5 zu setzen - kurz- und mittelfristig bedeutet das aber immer noch: Der Surfgenuss bleibt eingeschränkt.
Ein Smartphone für Neulinge
Insgesamt versinkt das von LG und Jil Sander konzipierte Smartphone im Mittelmaß: Die Ausstattung ist an einigen Stellen lückenhaft, die Haptik kann nicht überzeugen und auch die Laborwerte sind nur befriedigend. Insbesondere die Akustik in Senderichtung und die typische Ausdauer von nur 4:19 Stunden fallen vergleichsweise schwach aus, die Funkeigenschaften in GSM- und UMTS-Netzen sind ebenfalls lediglich Durchschnitt.
Das Zeug zum Verkaufsschlager hat das LG E906 somit nicht, für knapp 300 Euro ist es aber eine preiswerte Option für den Einstieg in die Smartphone- und/oder -Windows-Phone-Welt. Und wer schon immer mal mit Jil Sander telefonieren wollte, kann dies nun endlich auch erledigen.