So prüfen connect und umlaut die Tariftreue der Festnetzanbieter
Crowdsourcing-Methoden können die Leistung ermitteln, die Festnetzanbieter bereitstellen. Mit speziellen Messboxen lässt sich von umlaut und connect nun auch die Tariftreue in Deutschland ermitteln.

Der 2023 in unserem Breitband- und Festnetztest eingeführte Crowdsourcing-Ansatz erfüllt viele Anforderungen, die Telekommunikationsexperten an einen solchen Test stellen. Mehrere Hunderttausend über Deutschland verteilte Internetanschlüsse können dabei untersucht werden. Über 24 Wochen ermitt...
Der 2023 in unserem Breitband- und Festnetztest eingeführte Crowdsourcing-Ansatz erfüllt viele Anforderungen, die Telekommunikationsexperten an einen solchen Test stellen. Mehrere Hunderttausend über Deutschland verteilte Internetanschlüsse können dabei untersucht werden. Über 24 Wochen ermittelte etliche hundert Millionen Messwerte schaffen eine stabile Datenlage, die auch Aussagen über die Zuverlässigkeit der Betreiber zulässt.
Doch eine Frage lassen Crowdsourcing-Tests trotz aller Detailinformation offen: Inwieweit erfüllen die Betreiber das Leistungsversprechen, das sie bei Vertragsabschluss gaben?
Crowdsourcing ermöglicht natürlich keinen Zugriff auf Vertragsdetails. Und selbst wenn man die Teilnehmer fragen könnte, wüssten wohl nur die wenigsten ihre genauen Vertragskonditionen.
Messboxen, die Durchsatz und Latenz bei Festnetzkunden mit bekannten Verträgen messen, sind hier der bessere Ansatz. connect hat zusammen mit dem langjährig bewährten Partner umlaut geprüft, welche Erkenntnisse diese Messungen bei ausgesuchten Kunden zutage fördern.
Mess-Computer
Die von umlaut gefundene Lösung ist hardwareunabhängig. Fast jedes Gerät, das Linux unterstützt, kann die autonome Messsoftware und die Echtzeit-Datenpipeline ausführen. Für diese Tests kamen bekannte Einplatinen-Computer zum Einsatz, als Raspberry Pi mit 4 bis 500 Mbit/s und in der Version Pi 5 hauptsächlich für Geschwindigkeiten darüber.
Beide Modelle unterstützen 1-Gbit/s-Ethernet, doch die leistungsstärkere Variante bietet üppige Reserven, um selbst schnellste SSL-verschlüsselte Datenströme übertragen zu können. Für Geschwindigkeiten bis 10 Gbit/s, wie sie zum Beispiel in der Schweiz angeboten werden, bietet umlaut eine andere Minicomputer-Lösung mit ähnlichen Prinzipien an: klein, zuverlässig und erschwinglich, um Skalierbarkeit zu ermöglichen.

Test-Szenarien
Auf dem Raspberry Pi läuft zur Messung eine von umlaut entwickelte Software, als Betriebssystem kommt Ubuntu Linux zum Einsatz. Die Software arbeitet sequenziell eine Reihe von Messungen ab. Zur Bestimmung der Vertragstreue dienen Down- und Upload-Messungen. Sie reizen jeweils über 7 Sekunden die Geschwindigkeit des jeweiligen Anschlusses aus.
Transferpartner sind schnelle Cloud-Services von Akamai für unverschlüsselte HTTP-Übertragungen und zu Amazon Cloudfront für die verschlüsselte HTTPS-Variante. Alle 60 Minuten startet eine neue Sequenz der Messungen. Für Experten ist es interessant, dass über drei Sockets übertragen wird.
Neben den Transferraten interessieren auch die Latenzen. Denn schnelle Reaktionen auf dem Netzwerk ermöglichen Gamern ein flüssiges Spiel und beschleunigen aus vielen Einzelelementen zusammengesetzte Webseiten.
Latenzen erfasst die Messung alle 15 Minuten mit jeweils 10 ICMP-Ping-Messungen gegen die Content Delivery Netzwerke (CDN) von Akamai und Amazon Cloudfront, dazu kommt eine Webseite aus der Google-Cloud.
Der Abruf von vier Webseiten bereichert den Testparcours. Dabei stellt die seit Jahrzehnten von uns eingesetzte ETSI-Kepler-Page den historischen Bezug her. Für die populäre Gegenwart stehen Seiten von Instagram, Wikipedia und Google.
Der Test von 4K-Video-Seiten ist in Vorbereitung. Wir werden darüber in einem Folgeartikel berichten.
Anschlüsse und Tarife
Um mit den Mess-Computern Daten erfassen zu können, benötigt man selbstverständlich Anschlüsse, die eine Vielzahl von möglichst über ganz Deutschland verteilten Breitbandleitungen mit den Zugangstechnologien DSL, Kabel und Glasfaser abdecken. Dabei sollte das breite Tarifangebot der Netzbetreiber 1&1, Telefónica, Telekom und Vodafone berücksichtigt sein.
Das ist eine hohe Hürde, die mithilfe einer spezialisierten Agentur gelöst wurde. Am Ende standen über 80 Testteilnehmer fest, die eine der umlaut-Messboxen zugesendet bekamen, samt Instruktion, wie diese an einen Ethernet-Port des Routers anzuschließen sei. Bei Klärungsbedarf wurden die Tarife bei den freiwilligen Testteilnehmern durch Tarifeinsicht verifiziert.
Für die Auswertung der Messergebnisse unterteilten wir die Anschlüsse nach den Technologien DSL, Kabel und Glasfaser. Danach haben wir die Anschlüsse unter 100, von 100 bis 250 und von 150 bis 1000 Mbit/s zu je einer Speed-Klasse zusammengefasst.
Klar ist, dass keine Technologie alle Geschwindigkeitsklassen abdeckt.

Tariftreue
Einer der wichtigsten Punkte in unserer Studie ist die Untersuchung der Tariftreue. Sie sollte die Frage beantworten, ob man bekommt, was der Netzbetreiber verspricht.
Doch schon hier wird es kompliziert. Gemäß Paragraf 1 der TKTransparenzverordnung müssen Netzbetreiber zu jedem Tarif ein Tarifinformationsblatt veröffentlichen, in dem alle wichtigen Details erfasst sind.
Dieses Tarifinformationsblatt weist für einen Tarif aber nicht einfach eine Datenübertragungsrate in Download-Richtung aus, sondern derer drei. Neben den minimalen und maximalen Transferraten sind auch die „normalerweise zur Verfügung stehenden“ angegeben. Unsere Untersuchung, inwieweit die Tarife ihre Versprechen erfüllen, haben wir auf die maximalen Down- und Uploadraten bezogen.
Hier gab es besonders bei den schnellen DSL- (100 bis 250 Mbit/s) und bei den sehr schnellen Kabelanschlüssen (bis 1000 Mbit/s) viele und besonders bei DSL auch große Abweichungen von den versprochenen Downloadraten. Beim Upload dieser beiden Kategorien liegen ebenfalls sehr viele Anschlüsse unter 100 Prozent der versprochenen Leistung und tendieren zum Teil sogar stark in Richtung 50 Prozent.
Doch auch Anschlüsse, die weit über der versprochenen Leistung liegen, fanden sich in unseren Messungen, Fachleute nennen das Überprovisionierung. In der Klasse des DSL-Downloads kleiner 100 Mbit/s zum Beispiel lieferten Anschlüsse mehr als das Doppelte der versprochenen Leistung. Diese waren beim Hoch- und beim Herunterladen zu finden.

Tagesverlauf
Interessante Einblicke gewährt auch der Tages- und Wochenverlauf der Tariftreue. Er stellt für jede Stunde einer Woche anhand von Farben dar, ob das Tarifversprechen erfüllt wird (siehe vorherige Seite). Bei DSL zwischen 100 und 250 Mbit/s schneiden hier die Nachtstunden zwischen 1 und 5 Uhr besonders gut ab. Vom frühen Morgen an nimmt die Tariftreue kontinuierlich ab und steuert zwischen 19 und 21 Uhr auf ein Minimum zu, das am Sonntag noch etwas ausgedehnter ist. Das arbeitet die Netzauslastung gut heraus.
Erwähnt werden sollte aber, dass auch die Tarifinhaber die untersuchten Internetanschlüsse nutzen, sodass unter Umständen nicht immer die volle Bandbreite zur Messung zur Verfügung steht.

Latenz
Spannend sind auch die Unterschiede bei den Latenz-Messungen. So ist DSL im Mittel reaktionsschneller als Kabel, doch die Messwerte streuen über einen größeren Bereich. Glasfaser hat hier erwartungsgemäß die Nase vorn. Doch insgesamt ist die Streuung so breit, dass der beste Kabelanschluss schneller reagiert als viele langsame Glasfaser-Connections.
Erwähnenswert: Wer ein reaktionsschnelles Content Delivery Network sucht, bekommt von Akamai nach unseren Messungen einen kleinen Speed-Vorteil gegenüber Amazon Web Services (AWS).

Internet-Browsing
Die Unterschiede bei den Ladezeiten von Webseiten sind geringer, als die große Spanne der Geschwindigkeitsklassen es vermuten ließe. Dabei kommt es sogar zu einigen Verwerfungen. So ist Glasfaser mit 100 bis 250 Mbit/s bei drei von vier Webseiten langsamer als Kabel unter 100 Mbit/s, bei einer ist es gleich schnell. Und Kabel unter 100 Mbit/s zeigt sich sogar bei allen vier Internetpräsenzen langsamer als DSL in derselben Geschwindigkeitsklasse.
Doch insgesamt kann man feststellen, dass die Differenzen zwischen den Ladezeiten der Webseiten größer sind als die zwischen den durch unterschiedliche Technologien und Geschwindigkeitsklassen verursachten Unterschiede. Das liegt wohl auch am oft komplizierten Aufbau von Internetpräsenzen, die ihre Inhalte von verschiedenen Servern und oft nacheinander laden, und dass nicht alle dieser Quellen optimal bei jedem Netzbetreiber angebunden sind.
Andererseits sind aber viele Seiten so gut angebunden, in dieser Studie zum Beispiel an Instagram und Wikipedia zu sehen, dass die weitere Optimierung für die Kundschaft kaum spürbar und damit für den Netzbetreiber nicht wirklich dringlich ist.

Fazit
Die Messung von Festnetzanschlüssen direkt am Modem von nach Standort und Tarif ausgesuchten Kunden gewährt tiefe Einblicke in neue Aspekte der Breitbandversorgung. Zusammen mit Crowdsourcing-Messungen ermöglicht sie eine 360-Grad-Sicht auf die Festnetzqualität.