Testbericht
Amazon Kindle Fire HD im Test
Einfache Handhabung, sehr gutes Display und ein integriertes Einkaufszentrum: Das Kindle Fire HD von Amazon ist ein ganz besonderes Tablet.
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Das ist ein Wort: Nur 199 Euro will Amazon für seinen Kindle Fire HD haben. Die aggressive Preisstrategie zielt aber nicht darauf ab, kurzfristig möglichst viele Tablets zu verkaufen. Vielmehr will der Onlinehändler damit langfristig Kunden an sich binden und über den angebotenen Content regelmäßig Profit erzielen - so wie das Apple seit Jahren mit der "Alles aus einer Hand"-Taktik erfolgreich vormacht.
Dagegen ist erst mal nichts einzuwenden. Eine geschlossene Welt bedeutet nicht nur optimierte und kontrollierte Inhalte, sondern auch einfache Handhabung, nahtlos integrierte Dienste und meist kompromisslose Kundenpflege. Also viel Positives für Kunden.
Marktübersicht: 7-Zoll-Tablets im Vergleich
Man muss sich allerdings bewusst auf dieses restriktive Konzept einlassen und akzeptieren, dass Amazon das Monopol hält und keine anderen Onlineshops mit dem Kindle nutzbar sind - weder für Musik und Filme, noch für Bücher oder Apps. So weit, so klar.
Handhabung: Portables Einkaufszentrum
Folgerichtig ist die Benutzeroberfläche des Fire HD sehr stark auf die Nutzung des Amazon-Angebots optimiert. Auf der Startseite sind die zuletzt verwendeten Bücher, Anwendungen, Webseiten, Songs oder Videos prominent in einer eleganten Coverflow-Ansicht platziert, sodass man schnell zwischen den aktuell und zuletzt genutzten Inhalten hin und her wechseln kann.
Hält man das Tablet im Hochformat, werden im unteren Bildschirmbereich ähnliche Inhalte zum Download angeboten, ganz nach dem Motto: Kunden, die das gekauft haben, interessierten sich auch für ... - ein durchaus praktisches Feature.
Direkt über der Coverflow- Anzeige sind etwas dezenter zehn Menüpunkte platziert: Einkaufen, Spiele, Apps, Bücher, Musik, Videos, Web, Fotos, Dokumente und Angebote. Das sind die Inhalte, die Sie mit dem Amazon-Tablet nutzen können.
Schon die Reihenfolge der Punkte macht deutlich: Das Kindle Fire HD ist kein einfaches Tablet, sondern ein portables Einkaufszentrum. Und dessen Angebot kann sich sehen lassen: Laut Amazon sind mehr als 20 Millionen Filme, Serien, Bücher, Musiktitel und Apps verfügbar.
Zudem ist das Fire HD vom Start weg mit Ihrem Amazon-Kundenkonto verknüpft, sodass die Zahlungsabwicklung bequem und auf Knopfdruck funktioniert. Für den Zugriff auf den Onlineshop ist eine Webverbindung per WLAN notwendig; eine Modellvariante mit integriertem Mobilfunkmodul hat Amazon nicht im Programm.
Bedienung: Im Kern ein Androide
Bedienstruktur und -konzept der optimierten Oberfläche sind nach wenigen Minuten verstanden, der Zugriff auf den Shop und sämtliche Inhalte gelingt kinderleicht. Mit großen Bildern und wenig Text ist die Oberfläche geradezu ideal für die Bedienung des 7-Zoll-Formats angepasst. Hier hat Amazon wirklich gute Arbeit geleistet.
Ausstattung: Eingeschränktes App-Angebot
Dass im Hintergrund Googles mobiles Betriebssystem Android arbeitet, fällt kaum auf, ist aber auch nicht wichtig. Amazon hat das System bewusst entschlackt und stark reduziert. So stark allerdings, dass von Android kaum was übrig geblieben ist: Weder die standardmäßig integrierten Google-Dienste wie Maps, Mail oder Google+, noch der Play Store sind auf dem Kindle installiert.
Apps gibt's folglich nur aus dem Amazon-eigenen Store, der - Stand Mitte November - hier und da noch ein paar Lücken aufwies. Mainstream-Tools wie Facebook, Tune-In-Radio, Documents To Go oder Angry Birds sind zwar vorhanden, wenn Sie aber eher speziellere Sachen wie Dropbox, Navigon oder Snapseed suchen, werden Sie im Moment noch enttäuscht.
PDF-Reader, Webbrowser und E-Mail-Client sind aber ab Werk auf dem Kindle installiert, auch Facebook und Twitter sind im System integriert; Adressbuch und Kalender runden die PIM-Funktionalitäten des Fire HD ab.
Sehr clever: Alle Inhalte - egal ob Bücher, Dokumente, Filme oder Musik - sind mit der benutzereigenen Amazon-ID gekoppelt und lassen sich auch in die kostenlos nutzbare Amazon-Cloud verlagern, etwa um lokalen Speicher zu sparen oder die Inhalte mit einem anderen Gerät zu nutzen, beispielsweise mit einem Smartphone.
Die Rechenpower des Fire HD lässt keine zwei Meinungen zu: Das Tablet ist leistungsstark und läuft schön rund. Das liegt vor allem am performanten Zweikernprozessor OMAP 4460 von Texas Instruments, der mit starken 1,2 GHz taktet und eine sehr geschmeidige, nahezu ruckelfreie Bedienung erlaubt. Auch der Touchscreen reagiert zuverlässig, Wisch- und Multitouchgesten setzt er stets sicher um. Das ist für ein 199 Euro günstiges Tablet nicht selbstverständlich.
Gehäuse und Verarbeitung: Kleine Designfehler
Beim Gehäusedesign sind Amazon allerdings kleinere Patzer unterlaufen. Beispielsweise sind die bündig mit der seitlichen Gehäusekante abschließenden Bedientasten blind kaum zu ertasten. Sie müssen also genau hinschauen, um das Display einzuschalten oder die Lautstärke zu regeln - im Dunkeln ist das schwierig.
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Und wenn Sie das Tablet im Querformat halten, verdecken Sie die beiden im Gehäuse integrierten Lautsprecher mit Ihren Handflächen. Ansonsten ist der Formfaktor des Fire sehr angenehm und die Verarbeitung solide.
Zudem verleiht ihm die dezent gummierte Rückseite eine durchaus hochwertige Anmutung. Richtig bequem ist das Tablet aber nur mit zwei Händen zu bedienen - vor allem, wenn es darum geht, auf den Touchscreen zu tippen. Beim Bücherlesen oder Videoschauen ist wiederum auch eine Ein-Hand-Bedienung problemlos möglich.
Labormessungen: Tolles Display
Der TFT-LCD-Bildschirm des Kindle Fire HD ist eine Wucht. Die dargestellten Farben sind schön kräftig und vor allem Schriften gestochen scharf gezeichnet. Mit 800 x 1280 Pixeln auf 7 Zoll erreicht der Screen eine Pixeldichte von sehr guten 216 ppi; einzelne Bildpunkte sind praktisch nicht zu sehen.
Auch die im Labor ermittelten Kontrastwerte sind spitze. Zudem strahlt der Bildschirm mit bis zu 424 cd/m² deutlich heller als die meisten Konkurrenten. Im Freien ist das Fire HD noch am besten ablesbar, für den Außeneinsatz aber trotzdem nicht zu empfehlen.
Auch sind Leseratten, die sich in erster Linie E-Books zu Gemüte führen wollen, mit einem klassischen Reader mit E-Ink-Display besser bedient. Die Akkulaufzeit erwies sich im Labortest mit knapp sieben Stunden im typischen Nutzungsmix als gut.
Fazit: Zwischen Tablet und E-Book-Reader
Der Amazon Kindle Fire HD nun ein E-Book-Reader oder ein Tablet? Mal eben schnell im Web einen Begriff nachschlagen, E-Mails checken, ein bisschen Musik hören oder einfach mal im Bücherladen stöbern: das Kindle Fire HD macht im Rahmen seiner Möglichkeiten wirklich Spaß.
Für ein ausgewachsenes Tablet, das sich nach Belieben mit Software und Widgets erweitern lässt, ist es dagegen zu stark eingeschränkt. Ein reines Lesegerät ist es aber auch nicht; denn mit all seinen Apps, dem Webbrowser und den Spielen lenkt es schnell vom Lesen ab.
Alles in allem ist das Konzept gut durchdacht und funktioniert wie versprochen. Wer ein einfach zu bedienendes Tablet mit nahtloser Shop-Anbindung für Bücher, Apps und Multimedia möchte und auf tiefgreifende Erweiterungs- und Personalisierungsmöglichkeiten verzichten kann, bekommt hier das aktuell beste Preis-Leistungsverhältnis geboten.