Beyerdynamic Amiron Home im Test
Über Jahrzehnte prägten Abkürzungen wie T für Tesla und DT für dynamisches Telefon das Sortiment von Beyerdynamic. Jetzt heißt der neue T 90 plötzlich „Amiron home“. Bedeutet das ein Ende altbewährter Traditionen in Heilbronn?

Modellpflege ist ein probates Mittel, mit dem man etablierten Produkten, die sich schon länger auf dem Markt befinden, zu neuer Aufmerksamkeit verhelfen kann. Hat sich eine Grundkonstruktion bewährt, lässt sich oft mit nur minimalen technischen Änderungen der Lebenszyklus eines Modells verlänge...
Modellpflege ist ein probates Mittel, mit dem man etablierten Produkten, die sich schon länger auf dem Markt befinden, zu neuer Aufmerksamkeit verhelfen kann. Hat sich eine Grundkonstruktion bewährt, lässt sich oft mit nur minimalen technischen Änderungen der Lebenszyklus eines Modells verlängern oder die Ahnenreihe eines Modells erfolgreich fortsetzen. Manchmal reicht sogar schon eine aufgefrischte Optik aus, um diesen Effekt zu erreichen.
Auch HiFi-Hersteller greifen gerne auf solche Methoden zurück; wenige ziehen es allerdings so konsequent durch wie Beyerdynamic. Der Heilbronner Spezialist für Kopfhörer, Mikrofone und Kommunikationstechnik führt seine Modellreihen teilweise über Jahrzehnte im Programm.
Das eindrucksvollste Beispiel ist das „Dynamische Telefon“ (DT), Nummer 48, einer der ersten dynamischen Kopfhörer überhaupt. Er wurde von 1937 bis 2012, also über 75 Jahre lang, hergestellt. Und der DT 48 wäre wohl noch immer im Programm, wenn nicht auf einmal Lieferschwierigkeiten bei den Aluminium-Membranen die Einstellung der Produktion erzwungen hätten. Ersatzteile für den DT 48 sind aber nach wie vor erhältlich.
Mit einem technologischen Durchbruch startete Beyerdynamic vor ein paar Jahren die Tesla-Serie, eine Reihe äußerst hochwertiger und entsprechend hochpreisiger Kopfhörer, die sich durch einen extrem starken, ringförmig um die Spule sitzenden Neodymmagneten auszeichnen. Wegen des deutlich stärkeren Magnetfelds arbeitet das Antriebssystem der „Tesla-Kopfhörer“ effizienter und hat höhere Reserven als bei anderen Modellen von Beyerdynamic. Die Topmodelle glänzen daher mit geringeren Verzerrungen und bieten unter anderem eine bessere Feinauflösung und eine höhere Dynamik.

Name neu – alles neu?
Seit einigen Monaten rollt nun die erste Überarbeitungswelle über die gesamte Tesla-Serie. Mit dem Amiron home trifft es dabei nicht nur Technik und Optik, sondern erstmals auch die traditionelle Nomenklatur. Das Vorgängermodell hieß noch ganz klassisch T 90, jetzt soll das Kunstwort „Amiron“, das sich zusammensetzt aus dem lateinischen „amicus“ (Freund) und dem französischen „compagnon“ (Begleiter), die Vorzüge des überarbeiteten Tesla-Kopfhörers unterstreichen. Dass „Amiron“ auch ein hebräischer Vorname ist, der sinngemäß „meine Nation singt“ bedeutet, ist übrigens ein Zufall.
Das erklärte Ziel der Weiterentwicklung war, aus dem T 90 mit seinem relativ prägnanten Klangbild einen kultivierten, niemals aufdringlichen Begleiter für entspanntes Musikhören zu machen. Der Amiron home sollte auf keinen Fall hart oder scharf klingen, selbst wenn er dafür etwas Detailauflösung verliert. Außerdem sollte er – anders als die Studiomodelle – eine kompakte Bühne erzeugen, die dem Blickwinkel eines Zuhörers im Publikum entspricht.
Laut Beyerdynamic war eine ganze Reihe von Änderungen an der Grundkonstruktion notwendig, um die gewünschte Abstimmung zu erhalten. Ein zusätzliches Gewebe direkt vor der Kalotte vermindert Hochton- Resonanzen, eine Bedämpfung auf der Rückseite des Schallwandlers sorgt für ein ausgewogeneres Übertragungsverhalten im Mittenbereich und ein neues, akustisch wirksames Füllmaterial in den Ohrpolstern verbessert die Basswiedergabe. Außerdem hebt das Akustikgewebe auf der Rückseite des Gehäuses den unteren Mittenbereich an, was maßgeblich für den wärmeren Klang sorgt. Wie schon beim T 5 p besteht auch beim Amiron home die Membran aus einem neuen Verbundmaterial, das vor allem die Hochtonwiedergabe verbessert.

Ohne Fehl und Tadel?
Diese Maßnahmen, alle mit zahlreichen Hörvergleichen fein abgestimmt, machen aus dem Amiron home weit mehr als nur einen verbesserten T 90. Er ist ein neuer offener Tesla-Kopfhörer mit einer ganz eigenen, sehr charmanten Klangsignatur.
Wohnzimmertauglichkeit bewies der Amiron home mit dem stereoplay-Album „Audiophile Coversongs, Vol. 2“. Die von der Redaktion voller Leidenschaft zusammengestellten und von Johannes Wohlleben hervorragend gemasterten Aufnahmen waren wie gemacht für ihn. „Kiss“ klang angenehm kompakt, obwohl die beiden Gitarristen der Blues Company rechts und links außen, auf dem Rand der Stereobasis platziert sind. Bläsersatz (The Fabulous BC Horns) und Background- Chor (The Soul Sistaz) setzte der Kopfhörer plastisch, aber dezent in Szene. Er versäumte es jedoch nicht, sie in den entscheidenden Passagen auch einmal ins Rampenlicht zu rücken.
Die A-capella-Version von „Long Train Running“, eingesungen von den Flying Pickets, sprühte vor Dynamik und Präzision, während die vom SWR bei einem Akustik-Konzert von Status Quo 2014 in Stuttgart mitgeschnittene Aufnahme von „Rocking All Over The World“ schon fast als Musterbeispiel für Livehaftigkeit herhalten könnte.
Dieser Kopfhörer macht auf jeden Fall vieles richtig. Er hat aber auch einen speziellen Charakter, an den man sich etwas gewöhnen muss. Stimmen zeichnet der Amiron home zum Beispiel sympathisch und angenehm weich. Damit nimmt er ihnen einerseits jegliche Schärfe, andererseits aber auch jeglichen Kontrast. Ein so glatt geschliffenes Klangbild wird allerdings nicht jedermanns Sache sein, ähnlich wie die von Beyerdynamic bewusst kompakt gehaltene Abbildung.
Lässig oder akkurat?
Wer also nach einem lässigen Begleiter für mitreißende Musikabende sucht, liegt mit dem Amiron home genau richtig. Wer stattdessen nach einem akkuraten Arbeitskollegen Ausschau hält, greift vielleicht besser zu einem der neuen Studiomodelle. Den überragenden Tesla-Sound, mit dem schon die Spitzenmodelle T 1 und T 5 p überzeugen konnten, gibt es noch dazu!