26.6.2009 von
Redaktion connect und Stefan Schickedanz
Dieter Burmester lässt die Legende auferstehen: Der Vorverstärker 077 ist eine Hommage an den richtungsweisenden 777 mit dem Besten aus 30 Jahren High End made in Berlin.
Viele stolze Unternehmen backen derzeit kleinere Brötchen und hadern mit der Weltwirtschaftskrise. Wie schön, dass es auch anders herum geht, mögen sich selbst jene denken, die nicht über 30_000 Euro für einen Vorverstärker locker machen können: Hurra, wir leben noch! Dieter Burmester klotzt in jüngster Zeit geradezu mit Superlativen. Während er den neuen Porsche Panamera mit nur knapp 12 Kilogramm feinster Verstärker- und Lautsprechertechnik auf 125 dB Schalldruck pusht, fährt er fürs Wohnzimmer schwerstes Gerät auf: eine zweiteilige Audio-Schaltzentrale mit je 28 Kilogramm für Vorstufe und ausgelagertes Netzteil.
Burmesters 077 zitiert technisch, haptisch und optisch den legendären 777, jenen Vorverstärker, mit dem die Erfolgsstory des eloquenten Entrepreneurs vor mehr als 30 Jahren begann. Schon 1977 setzte der smarte Ingenieur auf zukunftsweisende technische Lösungen wie symmetrischen Aufbau mit XLR-Verbindungen aus der Studio-Technik, eine aufwendige Lautstärkeregelung mit diskreten Widerständen oder den Pegel-Abgleich zwischen verschiedenen Quellen.
Die verlustarme Eingangsumschaltung über Relais trieb Burmester im neuen 077 mit CMOS-Schaltern noch weiter auf die Spitze. In einem Interview ließ Burmester allerdings durchblicken, dass diese Technik nicht leicht zu beherrschen sei. Derlei Detailverbesserungen sind freilich - um in der Sprache der anvisierten Zielgruppe von Top-Bankern und -Managern zu bleiben - "Peanuts" gegen die mit 8000 Zeilen Software programmierten Multi-Room- und Heimnetzwerk-Funktionen.
Der 077 lässt sich über Mediensteuersysteme wie Crestron oder AMX fernbedienen. Weitere Flexibilität bringt der modulare Aufbau. Außer über seine sechs symmetrischen Hochpegel-Eingänge lässt sich der 077 durch ein optionales Eingangsmodul erweitern. Auf vielfachen Kundenwunsch bietet Burmester neben dem Wandler-Modul mit der Upsampling-Technologie des 069 zum Direktanschluss digitaler Quellen auch MM- und MC-Phonomodule an.
Im getesteten 077 verrichtete ein Phono-Modul für Moving-Coil-Tonabnehmer seinen Dienst. Für 2000 Euro Aufpreis erhält der betuchte Kunde dafür eine penible Impedanzanpassung und einen automatischen Ausgleich von Kanaldifferenzen des Tonabnehmers. Die Einmessautomatik verwertet dabei den 1-kHz Referenzton einer vom Plattenspieler-Spezialisten Clearaudio beigesteuerten Test-LP. Die ausgefeilte Steuersoftware ermöglicht das Umprogrammieren des zweiten XLR-Ausgangs vom festen Tape-Out zum regelbaren zweiten Vorverstärkerausgang. Die besonders leistungsfähigen X-Amp2-Verstärkerstufen bleiben dem Main-Ausgang vorbehalten.
Wer den zwischen dem 011 und dem Flaggschiff 808 angesiedelten Vorverstärker mit seiner durchweg gleichstromgekoppelten Signalführung ohne klangbeeinflussende Kondensatoren im Signalweg etwas günstiger erstehen möchte, kann das ausgelagerte Netzteil weglassen. In der Standard-Variante nutzt der mehrstöckig aufgebaute 077 die rechte Gehäuse-Sektion für ein integriertes Netzteil. Damit lässt sich der Grundpreis auf 20_000 Euro drücken. In der Vollversion sitzen an Stelle der Netzversorgung die On-Board-Regelungen zur Stromstabilisierung.
Nicht nur der Dreh an den enorm satt laufenden Knöpfen für Quellenwahl und Lautstärke, auch der enorm klare und präsente Klang des 077 weckten Erinnerungen an eine Zeit, als Männer nach Feierabend noch nicht am PC oder im Fitnessstudio saßen.
Besonderes Flair verbreiteten auch die Hybrid-Elektrostaten Summit X von Martin Logan, die von zwei Mono-Blöcken Electrocompaniet AW 400 angesteuert wurden. Bereits nach den ersten Takten aus Tori Amos' neuem Album "Abnormally Attracted To Sin" (UMG) liefen einem wohlige Schauer den Rücken herunter. Der 077 verlieh der amerikanischen Songwriterin eine enorm realistische Präsenz. Jedes Hauchen, jede Bewegung hinterm Mikrofon ließ sich nachvollziehen.
Zudem zeigte sich jene hohe Neutralität, für die Burmester-Vorverstärker seit jeher hohes Ansehen genießen. Feinste Hochtongespinnste löste das Jubiläumsmodell scheinbar mühelos auf. Sehr satt rundete der 077 das weiträumige, groß dimensionierte Klangbild nach unten mit einem äußerst voluminösen Bass ab.
Mit der Live-Einspielung "My Flame Burns Blue" von Elvis Costello und dem Metropole Orkest (DG) konnte der 077 seine ganze Klangfarbenpalette auffahren. Nach dem Umschalten auf die Referenz Accuphase C-2810 gewann "Almost Ideal Eyes" allerdings an Tempo und Fokus. Neben einem Plus an Attacke und Basskontur zeigte der plastisch wirkende Japaner mehr Rauminformationen. Der 077 verschmolz Hall und Stimme zu einer besonderen Aura, die viele Fans sicher als das gewisse Etwas ansehen dürften. Trotz aller modernen Technik bleibt sich Burmester nach über 30 Jahren also auch klanglich treu.