HTC U11 im Test
HTC meldet sich mit einem beeindruckenden Top-Smartphone mit einzigartigem Design und cleverer Bedienung zurück. Kann das glänzende HTC U11 im Test mit der Konkurrenz mithalten?

Die letzten Jahre waren nicht einfach für das traditionsreiche Unternehmen, das die Anfänge des Smartphone-Marktes entscheidend mitprägte und auch nach dem Aufstieg von Apple und Google ein wichtiger Impulsgeber für Innovationen blieb. Doch eine verfehlte Produktpolitik und die Konkurrenz durch ...
Die letzten Jahre waren nicht einfach für das traditionsreiche Unternehmen, das die Anfänge des Smartphone-Marktes entscheidend mitprägte und auch nach dem Aufstieg von Apple und Google ein wichtiger Impulsgeber für Innovationen blieb. Doch eine verfehlte Produktpolitik und die Konkurrenz durch aufstrebende chinesische Hersteller wie Huawei haben ihre Spuren in der Bilanz hinterlassen. 2017 soll alles anders werden, das Jahr ist für HTC nicht nur ein doppeltes Jubiläum (1997 Gründung von HTC, 2007 Produktion des ersten Touchscreen-Smartphones weltweit), es markiert auch einen Produktneustart, der in einer grundlegend veränderten Designsprache am sichtbarsten wird.
Glasgehäuse
Der viele Jahre für seine markanten Metall-Smartphones bekannte Hersteller setzt nun auf Glas, das in einem raffinierten Fertigungsprozess besondere Eigenschaften bekommt: Es besteht aus hauchdünnen Schichten, die durch aufgedampfte Mineralien eingefärbt und erst danach miteinander verschmolzen werden. Das hat einzigartige Lichtreflexionen zur Folge, die bei jeder der fünf Gehäusefarben eine besondere Wirkung entfalten. Die auffälligen Spiegelungen sind allerdings das genaue Gegenteil von dezent und nichts für Menschen, die es gerne zurückhaltend mögen.

Unabhängig davon überzeugt das Material haptisch auf ganzer Linie, es ist zudem kratzfester als Metall, was im alltäglichen Gebrauch eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Wir hatten unser Testgerät mehrere Wochen im täglichen Einsatz und der Korpus war danach von keinem einzigen Kratzer verunstaltet. Der große Nachteil soll an dieser Stelle allerdings nicht verschwiegen werden: Glas ist sehr anfällig für Fingerabdrücke – besonders mit einer so stark reflektierenden Oberfläche. Nicht umsonst legt HTC ein Putztuch und ein transparentes Kunststoffcover mit in den Lieferkarton.
Die Verarbeitung ist nichtsdestotrotz exzellent, das Gehäuse nach IP67 zertifiziert und übersteht damit auch ein Wasserbad. Weil das Glas zu den Rändern hin gebogen ist und fließend in den schmalen Aluminiumrahmen übergeht, liegt das Smartphone gut in der Hand. Für einen Handschmeicher ist der 5,5-Zöller aber schlicht zu groß – zumal die glatte Glasoberfläche recht rutschig ist.

Leistungsstarker Chipsatz
Das 5,5 Zoll große LCD bietet mit seiner ultrascharfen QHD-Auflösung eine exzellente Darstellungsqualität, sowohl die Leuchtkraft als auch das Kontrastverhältnis bewegen sich auf einem sehr guten Niveau. Darunter schlummert mit Qualcomms Snapdragon 835 ein echtes Biest: Der Top-Prozessor des Jahres 2017 markiert den aktuellen State of the Art der Halbleiterindustrie, mit hervorragenden Leistungswerten und einer umfassenden Connectivity bis hoch zu LTE Cat 15. Der Chipsatz meistert das Android-System spielerisch, alle Anwendungen fließen schnell und butterweich über das Display.
Der Arbeitsspeicher ist mit 4 GB völlig ausreichend dimensioniert. Auch beim internen Speicher gibt es nichts zu meckern, mit 64 GB (54 GB frei) bewegt sich HTC auf Augenhöhe mit den meisten Wettbewerbern, versäumt allerdings die Chance, sich abzusetzen. Huawei wirft mit dem technisch und preislich vergleichbaren Huawei P10 Plus 128 GB in die Waagschale. Beide Modelle kann der Nutzer mit Micro-SD-Karten aufrüsten.

Top-Kamera
Bei der Kamera setzt HTC auf einen 12-Megapixel-Sensor von Sony, der in Kombination mit dem leistungsfähigen Chipsatz eine beeindruckende Vielfalt von technischen Finessen aufbietet – unter anderem den besonders schnellen und präzisen Dual-Pixel-Autofokus und „Always-On-HDR“: Damit werden bei aktivierter Kameravorschau permanent Fotos im Hintergrund gespeichert und wieder verworfen. Nur wenn der Nutzer den Auslöser drückt, werden drei Bilder aus diesem Zeitfenster verwendet und zu einem Foto zusammengerechnet.
Der Videomodus ist dank eines optischen Bildstabilisators besonders wackelfest und bietet mit dem akustischen Fokus auch die Möglichkeit, die Mikrophone im Sinne eines Richtmikrofons gezielt auf ein in der Kameravorschau markiertes Objekt auszurichten. Unser Test zeigt: Bei störenden Umgebungsgeräuschen ist ein Unterschied zu einer normalen Videoaufnahme zwar feststellbar, aber nicht besonders ausgeprägt.
Viel entscheidender ist die generelle Kameraqualität – und hier überzeugt das HTC U11 in allen Bereichen. Auflösung und Helligkeit bleiben über das ganze Bild erstaunlich konstant, bei schlechten Lichtverhältnissen holt die lichtstarke Optik (Blende f1.7) beeindruckend viele Details heraus. Zusammen mit dem Samsung Galaxy S8+ und Huaweis P10-Serie bildet HTC in Bezug auf die Kameraqualität die aktuelle Speerspitze. Bei der Benutzeroberfläche besteht allerdings noch Nachholbedarf, im Vergleich mit der Konkurrenz ist die visuelle Aufbereitung nicht besonders ansprechend.
Laborwerte
Das U11 unterstützt den Schnelllademodus Quick Charge 3.0, ein Netzteil mit entsprechend hoher Ausgangsleistung liegt bei. Für den Nutzer bedeutet das: Nach anderthalb Stunden ist der Akku fast vollständig wieder aufgeladen.
Die Laufzeit ist mit 8:18 Stunden im oberen Mittelfeld angesiedelt. Weniger gefallen hat uns der Verzicht auf den drahtlosen Ladestandard Qi – mit dem Glasrücken bietet das Smartphone ideale technische Voraussetzungen dafür, außerdem hätte HTC hier ein wichtiges Differenzierungsmerkmal bieten können. Denn sowohl in den Funkeigenschaften als auch in der Akustik sind die Messergebnisse im positiven Sinne unauffällig.
Immerhin gelingt es an anderer Stelle einen Akzent zu setzen: Mit dem U11 ist HTC der einzige Hersteller, der im High-End-Segment Dual-SIM anbietet. Bei dieser Variante belegt die zweite SIM den Steckplatz für die Micro-SD, man muss sich also entscheiden. Sie wird ausschließlich über den freien Handel verkauft, bei den Netzbetreibern ist wenig überraschend nur Single-SIM erhältlich.

Edge Sense und Sense Companion
Auf dem HTC U11 ist die aktuellste Android-Version 7.1.1 installiert, angereichert mit der HTC-eigenen Benutzeroberfläche Sense. Die bietet neben einer vielseitigen Gestensteuerung auch den persönlichen Nachrichtenstream Blinkfeed, der das Neueste aus unterschiedlichen Nachrichtenkanälen, sozialen Netzwerken und dem eigenen Kalender in einer Übersicht bündelt. Beides bekannte HTC-Features.
Neu ist der druckempfindliche Rahmen: Das U11 registriert mithilfe von mehreren im unteren Drittel des Metallrahmens eingelassenen Sensoren, wenn Druck auf die Seiten ausgeübt wird. Es reicht also, das Smartphone fester anzupacken, um eine Aktion zu starten. Die Druckintensität legt der Nutzer bei der Ersteinrichtung fest, auch die mit dem Drücken verbundenen Aktionen sind konfigurierbar. Die Bedienung per Händedruck, die HTC „Edge Sense“ nennt, hat uns überzeugt. Noch im Sommer soll die App „Edge Sense Companion“ veröffentlicht werden, mit der man auch komplexe Sequenzen wie „Starte Instagram, aktiviere Filter xy“ konfigurieren kann.
Weniger gefallen hat uns der persönliche Assistent „Sense Companion“, der den Alltag mit vorausschauenden Hinweisen erleichtern soll – indem er beispielsweise meldet, wenn ein Abendtermin im Kalender steht und die Akkuleistung bis dahin nicht ausreicht, oder über Wetterbedingungen informiert, die die Wochenendplanung beeinflussen. Während des Tests erhielten wir nur wenige Hinweise, die zudem kaum hilfreich waren – der Companion hat also noch viel zu lernen.
Einblick ins Testlab
Fazit
In der Summe gelingt es HTC, mit dem U11 ein Ausrufezeichen zu setzen: Das einzigartige Design, die clevere Benutzeroberfläche mit druckempfindlichem Rahmen sowie die exzellente Kamera- und Multimediaausstattung katapultieren das glänzende Smartphone in die Top 10 der connect-Bestenliste. Das auffällige Spiegeldesign ist aber ein zweischneidiges Schwert, denn damit werden alle Kunden ausgeschlossen, die es optisch eher klassisch mögen.