Testbericht
Kopfhörer Sennheiser HD 800
Einen direkten Gegenpol zum jahrelangen Reifeprozess des Grado bildet der Sennheiser HD-800. Dessen Leben begann in der deutschen Wedemark mit dem sprichwörtlichen weißen Blatt Papier.
- Kopfhörer Sennheiser HD 800
- Datenblatt

Chefentwickler Axel Grell - dessen Name keinesfalls zu voreiligen Schlüssen über den Klangcharakter seiner Kopfhörer-Kreationen verleiten sollte - begab sich auf die Suche nach einem möglichst resonanzarmen, zugleich pegel- und bassfähigen Treiber, der alle bisherigen dynamischen Sennheisers weit in den Schatten stellen sollte. Das Resultat ist eine für Kopfhörerverhältnisse riesige 56-Millimeter-Membran, die durch eine nicht minder überdimensionierte 40-Millimeter-Schwingspule angetrieben wird und effektiv als Ringradiator arbeitet. Eingebettet ist der Monstertreiber in eine ebenfalls neukonstruierte Muschel mit Kunststoff-Rahmen. Das zwischen den Streben sichtbare, an silbernes Nylon erinnernde Gewebe besteht tatsächlich aus hauchdünnen Edelstahlfäden und besitzt eine präzise definierte akustische Filterwirkung.
Edel auch das wie samtiges Wildleder wirkende Material der Ohrpolster, der Edelstahl-Federbügel mit eingelaserter Seriennummer und die präzisen Steckkontakte für das Kabel, die bei starkem Zug ausrasten und der Leitung dadurch das Überleben sichern. Als Kopfhörer-Arbeiter, der sich, etwa beim Justieren von Plattenspielern, mit fast "Dinner for One"-artiger Regelmäßigkeit im eigenen Kabel verfängt, kann der Autor derartige Praxisnähe gar nicht genug loben.

Die Gefahr, sich den mit 360 Gramm relativ schweren Hörer vom Kopf reißen, wäre hingegen auch bei fest angebrachtem Kabel gering, da der HD-800 bombenfest sitzt. Ohne zu drücken, versteht sich, aber mit nachdrücklichem, sattem Abschluss rund ums Ohr.
Obwohl die Treiberrückseiten nach außen offen sind und auch Umgebungsschall weitgehend ungehindert nach innen dringt, stellt sich beim Aufsetzen des Hörers ein interessanter Effekt ein, der sich noch verstärkt, sobald die ersten Takte Musik erklingen: Die gefühlte Akustik ist staubtrocken, "erinnert an eine schalltote Studiokabine", wie Kollege Malte Ruhnke treffend bemerkte.
Was nicht heißen soll, dass der HD-800 dumpf klingt - im Gegenteil: Die vollbesetzte Bigband, die Joni Mitchell begleitet, ließ sich bis in die hintersten Reihen, bis ins letzte Ausklingen der Schagzeugbecken bestaunen, und zwar ohne - im übertragenen Sinne - zusammengekniffene Augen. Vom eingangs erwähnten Geistertenor über entfernt vorbeiheulende Polizeisirenen bei "The Wolves" von Bon Iver (schon deshalb merkwürdig, weil die Platte in einer Blockhütte in der kanadischen Wildnis aufgenommen sein soll), bis hin zu den schemenhaften Spuren von Stephane Grappellis Geigennoten, die im Lauf der Produktion von "Wish You Were Here" vermeintlich vollständig im Synthesizer-Wind untergingen - die Informationen waren einfach da und fielen dem HD-800-Träger ohne jede Anstrengung zu.

Natürlich kann man mit dem Sennheiser auch jenseits pophistorischer Spurensicherung einfach hervorragend Musik hören. Im Bass tiefreichend und präzise, unbestechlich neutral, perfekt durchhörbar ohne aufdringlich zu wirken, ist der HD-800 die perfekte Kreuzung aus Studio-Akustiklupe und Wohzimmer-Genussmittel. Wobei das Raumgefühl klar vom Monitorcharakter geprägt ist: Die Instrumente sind zwar sehr sauber gestaffelt und präzise in ihren Konturen, die virtuelle Bühne baut sich aber im Kopf auf - nicht davor, und nicht ringsherum.
Noch ein wichtiger Tipp: Beide Hörer sollten für optimalen Klang an einem möglichst hochwertigen Kopfhörerverstärker betrieben werden. AUDIO hat beide Hörer ausgiebig mit vier dieser Spezialisten probiert. Trotz der elektrisch sehr unterschiedlichen Antriebe der beiden Hörer fielen die unten beschriebenen Präferenzen in beiden Fällen gleich aus.
Sennheiser HD 800
Sennheiser HD 800 | |
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Hersteller | Sennheiser |
Preis | 1000.00 € |
Wertung | 95.0 Punkte |
Testverfahren | 1.0 |