Kamera-Smartphone der Superlative
Nokia 9 Pureview mit Penta-Optik im ersten Test
Das neue Highend-Flaggschiff von Nokia protzt mit einem Ensemble aus fünf Optiken auf der Rückseite. Das technische Knowhow stammt von Zeiss und dem innovativen Kamera-Startup Light. Wie gut ist die Kamera? Wir geben eine erste Einschätzung.

Nokia (HMD) hat in den letzten zwei Jahren einen strammen Durchmarsch hingelegt. Mit einer starken Marke im Rücken und einer cleveren Update-Politik ist es gelungen, an vielen Wettbewerbern vorbei zu ziehen. Bei Feature Phones ist man weltweit mittlerweile Nummer 1, bei Smartphones in Europa unter den Top 5. Der Erfolg beruht vor allem auf Einsteiger- und Mittelklasse-Geräten, und hier wird es zunehmend schwerer, weitere Marktanteile zu gewinnen. Die hohen Margen warten ohnehin im Highend-Segment und jetzt scheint bei Nokia der Zeitpunkt gekommen, hier mit dem Nokia 9 Pureview einen Angriff zu wagen.
Das Problem: Wer viel Geld für ein Smartphone ausgibt, erwartet dafür auch technische Innovationen und eine einzigartige User Experience – es ist kein Zufall, dass mit Apple, Huawei und Samsung gerade die Unternehmen erfolgreich teure Smartphones verkaufen, die eigene Benutzeroberflächen oder Betriebssysteme entwickelt haben. Die Strategie von Nokia, kompromisslos auf Android One zu setzen, das zwar mit schnellen Updates punktet, aber überall gleich aussieht, könnte sich hier als Stolperstein erweisen.
Das „Revolver-Smartphone“
Man versucht es daher mit technischen Innovationen bei dem, was beim Smartphone eines der zentralen Verkaufsargumente ist: der Kamera. Und hier werden in der Tat schwere Geschütze aufgefahren. Die Rückseite des Nokia 9 PureView ist ein Hingucker mit ihren sieben runden Öffnungen für fünf Optiken, Dual-LED-Blitzlicht und TOF-Sensor, die in kunstvoller Symmetrie in einem Kreis angeordnet sind.
Das Kamerasystem setzt sich zusammen aus drei Monchrome- und zwei Farbsensoren, allesamt mit 12 Megapixel und der gleichen Smartphone-typischen Weitwinkel-Brennweite. Wenn man ein Foto knipst sind immer alle Sensoren aktiv, per Software wird dann das Bild zusammengerechnet. Wenn dieses Konzept gut umgesetzt ist, dann ließe sich damit ein für Smartphone-Kameras bisher beispielloser Dynamikumfang mit feinen Details auch in schattigen und hellen Bereichen des Bildes realisieren. Nokia zeigte bei der Präsentation natürlich entsprechend beeindruckende Fotobeispiele. Die dafür erforderlichen komplexen Algorithmen stammen von der Firma Light, die mit der L16 bereits eine zukunftsweisende Kompaktkamera mit 16 Optiken entwickelt hat. Die kostet 2.000 Euro. Das Nokia 9 Pureview ist mit 649 Euro deutlich günstiger.

Mit dem Smartphone geknipste Fotos sind immer 12 Megapixel groß, eine höhere Auflösung ist nicht vorgesehen, obwohl sie theoretisch möglich wäre. Die vielen von den fünf Sensoren gesammelten Bildinformationen werden stattdessen genutzt, um eine besonders detaillierte Tiefenkarte des Raumes zu erstellen. Auf Fotos ist es möglich, nachträglich den Fokuspunkt zu verschieben. Das können praktisch alle Hersteller, Stichwort Bokeh, aber dank der Technologie von Light gibt es deutlich mehr Ebenen für die Schärfentiefe, man kann den Fokus daher präziser verschieben. Anders gesagt: Während man bei Huawei oder Samsung die Wahl hat, entweder die Blumenvase im Vordergrund oder die Wand im Hintergrund zu fokussieren, kann man beim PureView auch die Objekte anvisieren, die sich zwischen Wand und Vase befinden: Stuhl, Tisch, etcetera. Wie uns ein Vertreter von Nokia erklärte, wird der Raum im Abstand zwischen 7 Zentimeter und 40 Meter zum Objektiv in mehrere hundert Ebenen unterteilt.
Das Knowhow für die innovative Kamera stammt von Zeiss (Hardware) und Light (Signalverarbeitung), ein dritter Kooperationspartner ist Adobe, der über seine App Lightroom die RAW-Bearbeitung direkt auf dem Nokia 9 erlaubt. Das sind namhafte Partner, die bei uns hohe Erwartungen wecken. Ob sie erfüllt werden, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Design und Technische Daten
Auch abseits der Kamera enttäuscht das Pureview nicht. Das Phone liegt mit 172 Gramm und einem 8-Millimeter-Gehäuse exzellent in der Hand und fühlt sich hochwertig an. Die Zutaten dafür sind ein Aluminiumrahmen aus einer extraharten 7.000er-Legierung und ein Rückseite aus Gorilla Glas 5, aus der die Optiken nicht herausstehen, sondern plan integriert sind. Eine IP67-Zertifizierung ist dabei.
Das OLED ist 6 Zoll groß und löst mit 2560 x 1440 Pixel scharf auf. Dabei wird nicht die gesamte Frontseite ausgefüllt, oben und unten bleiben Ränder, unter anderem für eine hochauflösende Frontkamera (20 Megapixel). Darunter gibt ein Snapdragon 845 mit 6 GB RAM den Takt vor. Man kann sicherlich kritisieren, dass Nokia nicht randlos baut und auf die neueste Qualcomm-Generation 855 verzichtet. Aber die Ränder sind schmal, die Kamera-Ausstattung ist einzigartig und der Preispunkt liegt bei 649 Euro. Und die Ausstattung bewegt sich mit einem in das Display eingelassenen Fingerabdruck-Sensor und Unterstützung für drahtloses Aufladen (Qi) ansonsten auf der Höhe der Zeit.
Fazit und Marktstart
Das Nokia 9 Pureview soll im März 2019 für 649 Euro in den Handel kommen. Das ist ein fairer Preispunkt für das Gebotene. HMD bietet eine erfrischende Alternative zu den Platzhirschen Apple, Samsung und Huawei. Wenn die Fotoqualität stimmt, dann könnte das Nokia 9 ein Erfolg werden. Wir drücken die Damen.