Mobilfunk-Netztest SBB Schweiz 2014
Handy-Empfang in Schweizer Zügen im Test
Die Schweizer lieben ihre Bahn. Damit das auch so bleibt, ist eine gute Mobilfunkversorgung im Zug wichtig. Doch gehen Telefonverbindung und Städteverbindung Hand in Hand? connect hat den Handy-Empfang in der Schweizer Bahn getestet.
- Handy-Empfang in Schweizer Zügen im Test
- Testverfahren
- Herausforderungen
- Fazit

Die Schweiz gilt weltweit als Bahnland Nummer eins: Kaum ein Schienennetz ist so dicht, nirgendwo sonst fahren die Bürger so viel mit dem Zug. Das ist auch ein Verdienst des Konzerns Schweizerische Bundesbahnen (SBB). Die SBB hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Mobilfunkversorgung auf den Strecken voranzutreiben. Dafür ist die Kenntnis des Ist-Zustands wichtig. Und wer könnte den besser beurteilen als connect mit seinem Messtechnikpartner P3 communications, die zusammen schon seit 15 Jahren die Qualität von Mobilfunknetzen beurteilen, u. a. seit geraumer Zeit auch in der Schweiz?
Schweizer Bahnnetze auf dem Mobilfunkprüfstand
Im Auftrag der SSB schickte connect ein Messteam von P3 communications auf eine ausgedehnte Bahnreise. Sieben Tage lang pendelten drei P3-Mitarbeiter zwischen Basel, Bern, Genf, Lausanne, Zürich Flughafen und Zürich. Dabei vermaßen sie von morgens bis abends die Mobilfunkverbindungen. Jede Strecke stand mehrfach auf dem Programm. Weitere fünf Tage lang nahm das Team den Regionalverkehr rund um Zürich unter die Lupe. Das Ergebnis sind Abertausende Messwerte, die ein Bild davon abgeben, wie gut die Schweizer Netzbetreiber Swisscom, Orange und Sunrise Züge des Regional- und Fernverkehrs mit Mobilfunk versorgen.

Den Mobilfunkmarkt im Land dominiert die Swisscom, die mehr als die Hälfte der Kunden versorgt, Sunrise und Orange teilen sich den Rest. Ihre Kundenbasis beschert der Swisscom satte Einnahmen, bedeutet aber auch, dass der Netzbetreiber stets auf der Höhe der Zeit bleiben muss. Investitionen in Servicequalität, Angebotsbreite und Netzausbau sind Pflicht. Gerade bei der Erweiterung der Netzkapazitäten, die sich ja alle Kunden teilen müssen, wiegt die deutliche Marktführerschaft schwer: Die Swisscom muss oft früher teure neue Technik kaufen, um das sich ändernde Nutzungsverhalten und die steigenden Ansprüche angemessen bedienen zu können.
Die Resultate
In Sachen Telefonie im Regionalverkehr im Raum Zürich liegen die Netzbetreiber mit Erfolgsraten um 90 Prozent im Schnitt um über 8 Prozent hinter den Werten, die im Netztest 2013 in Stadt und Umland erzielt wurden. Wenn bei zehn statt bei zwei von 100 Gesprächen gravierende Probleme auftauchen, kann von Dienstgüte eigentlich keine Rede mehr sein. Im Fernverkehr verbessert sich das Bild: Hier sind rund 7,5 Prozent der Telefonate mit Fehlern behaftet.
Vergleicht man diesen Wert mit der im Netztest 2013 auf den Autostrecken zwischen den Städten ermittelten Zuverlässigkeit, so sieht man, dass die Bahn hier nicht einmal 1 Prozent gegenüber dem Auto verliert. Das ist angesichts der schwierigen Versorgungslage mit zum Teil vielen Hunderten gleichzeitig zu versorgenden Kunden in einer Mobilfunkzelle als befriedigend zu bewerten. Kommt das Gespräch zustande, ist die Sprachqualität sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr bei allen Netzbetreibern ordentlich; mit leichten Beeinträchtigungen muss immer mal wieder gerechnet werden, unverständliche Gesprächsanteile bleiben die Ausnahme.
Wer den Fern- mit dem Nahverkehr vergleicht, könnte meinen, dass knapp 3 Prozent Unterschied in der Erfolgsrate den Aufwand mit den Repeatern in den Fernzügen kaum lohnt. Doch das wäre ein Trugschluss, denn der Nahverkehr führt deutlich länger durch dicht besiedeltes und damit gut mit Mobilfunk versorgtes Gebiet. Die Repeater leisten also ganze Arbeit, wenn sie den benachteiligten Fernverkehr auf ein spürbar höheres Niveau hieven als den prinzipiell im Vorteil liegenden Nahverkehr.
Datenverbindungen
Bei mobilen Datendiensten im Nahverkehr bewegen sich die Erfolgsraten auf ähnlichem Niveau wie bei der Telefonie, wobei Downloads etwas häufiger funktionieren als Uploads. Etwa 9 Prozent der Übertragungen laufen ins Leere. Beim Speed liefern sich dann aber die mit einem LTE-Anteil von 75 bis 80 Prozent operierenden Orange und Swisscom ein Kopf-an-Kopf-Rennen vor Sunrise. Die mittleren Datenraten von 7 bis 12 Mbit/s im Down- und 3 bis knapp 6 Mbit/s im Upload stehen für eine als schnell empfundene Verbindung.

Im Fernverkehr steigt die Zuverlässigkeit bei Datenübertragung noch deutlicher als bei der Sprache. Nur 4 Prozent der übertragenen Dateien kommen nicht an. Das ist nahe am Niveau auf Autobahnen im letzten Netztest in der Schweiz. Auch im Vergleich zu zwei 2013 in Deutschland vermessenen Nahverkehrsstrecken sind die Fehlerraten insgesamt gering. Hier mussten je nach Strecke und Repeater-Status zwischen 7 und 32 Prozent Ausfälle verzeichnet werden.
Kampf auf Augenhöhe
Bei der Geschwindigkeit liefern sich Swisscom und Orange erneut einen Kampf auf Augenhöhe, Sunrise hinkt etwas hinterher. Dabei zeigen die beiden führenden Netzbetreiber, mit Einschränkung auch Sunrise, dank LTE und HSPA+ DC eine Performance, bei der viele Aktionen so zügig ablaufen, dass etwaige Verbindungsprobleme schnell auffallen. Die Zeiten, in denen ein Download viele Minuten dauerte, um dann unvermittelt bei 98 Prozent abzubrechen, sind mit dem Mobilfunk der dritten und vierten Generation auch auf Bahnfahrten vorbei.
Interessant, aber aufgrund einer zu kleinen Zahl an Messungen nicht statistisch belastbar, ist eine getrennte Auswertung der Regionalzugmessungen mit Repeater auf der Strecke Zürich - Zug. Hier liegen Telefonie und Datenübertragung auf dem Niveau der Fernverkehrsverbindungen und sind damit deutlich zuverlässiger als im sonstigen Nahverkehr. Der Repeater-Ausbau im Regionalverkehr erscheint auch aus dieser Sicht sinnvoll.

Sind die Datenraten tageszeitabhängig? Offenbar nicht. Hintergrund: Die von einer Mobilfunkzelle bereitgestellte Bandbreite und die Zahl der gleichzeitig möglichen Telefonate sind begrenzt und werden unter allen Nutzern verteilt. Wenn sich die Nutzerzahl innerhalb einer Zelle verdoppelt, halbieren sich die Datenraten. Nun fahren zu den Stoßzeiten (7 und 17 Uhr) bis zu dreimal so viele Menschen in der Bahn wie im Schnitt. Bei ausgelasteten Zellen müsste die Datenrate also einbrechen. Das tut sie aber nicht. Die Kapazitäten reichen offenbar, was auch daran liegen kann, dass viele Menschen im Zug noch nicht ins Netz gehen. Das gibt den Netzbetreibern die Chance, sich zukünftig steigenden Ansprüchen anzupassen.
Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, vor welchen besonderen Herausforderungen die Mobilfunk-Netzbetreiber in der Schweiz stehen, wie wir genau getestet haben und wie unser Fazit ausfällt.