Branche

5G-Netzausbau bei 1&1

30.5.2023 von Hannes Rügheimer

Den rechtzeitigen Start seines eigenen 5G-Mobilfunknetzes hat 1&1 verstolpert. Doch im nächsten Anlauf soll nun alles klappen. Wir haben den angehenden vierten deutschen Mobilfunknetzbetreiber an seinem Heimatstandort Montabaur besucht.

ca. 6:00 Min
Ratgeber
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  1. 5G-Netzausbau bei 1&1
  2. Interview mit Michael Martin - CEO 1&1 Mobilfunk
  3. Weitere Infos: OpenRAN und Netzarchitektur
5G-Ausbau bei 1&1 - Firmensitz in Montabaur
5G-Ausbau bei 1&1 - Firmensitz in Montabaur
© 1&1

Stolze 1,07 Milliarden Euro – für diesen Betrag hat 1&1 Drillisch bei der 5G-Frequenzauktion im Juni 2019 insgesamt 50 MHz im Frequenzbereich 3,6 GHz und weitere 20 MHz im Bereich 2 GHz ersteigert. Damit machte das Unternehmen seine Absicht klar: 1&1 will in Deutschland als vierter Netzbetreiber neben Telekom, Telefónica und Vodafone antreten und ein eigenes 5G-Netz betreiben.

Wie bei Frequenznutzungslizenzen üblich, steckt der Teufel aber im Detail: Die von 1&1 im Bereich 2 GHz ersteigerten Frequenzen sind erst 2026 verfügbar. Zur Überbrückung dieses Zeitraums hat das Unternehmen bis Ende 2025 zwei Frequenzblöcke von Telefónica gemietet. Mit der Bundesregierung vereinbarte 1&1, für ein festgelegtes Investitionsbudget möglichst viele Antennenstandorte im ländlichen Raum zu bauen – im Gegenzug darf es die Kosten für die erworbenen Frequenzen in Raten zahlen.

Und die Kooperation mit Telefónica geht noch weiter: Um auch in der Aufbauphase seines eigenen Netzes bundesweite Netzversorgung anbieten zu können, vereinbarten die beiden Unternehmen, dass 1&1-Mobilfunkkunden per „National Roaming“ das O2-Netz mitbenutzen dürfen – allerdings nur im 4G/LTE-Standard.

Das 5G-Netz von 1&1 soll hochmodern werden

Die Vorbereitungen und Planungen in Montabaur liefen auf Hochtouren an. Insbesondere kündigte die künftige Nummer vier im deutschen Mobilfunkmarkt an, beim Aufbau des Netzes auf die innovative OpenRAN-Technologie zu setzen und dafür mit dem japanischen Spezialisten Rakuten zusammenzuarbeiten.

Für Rakuten ist 1&1 der wohl wichtigste Operator-Kunde außerhalb des eigenen Heimatlands. Und für 1&1 bietet die cloud- und softwarezentrierte OpenRAN-Architektur die Chance, seine eigene Expertise beim Aufbau von Rechenzentren einzubringen. Wortmeldungen der etablierten Netzbetreiber, wonach die OpenRAN-Technologie noch nicht die nötige Reife biete, beantwortet Montabaur mit dem Hinweis, dass man sich ja nicht mit 30 Jahren „Legacy“-Technik herumschlagen müsse, sondern sein neues 5G-Netz quasi auf der grünen Wiese aufbauen könne.

Spätestens Ende 2022 bekam der selbstbewusste Auftritt des Herausforderers aber einen deutlichen Dämpfer: Ein weiterer Bestandteil der mit der Frequenzvergabe verbundenen Auflagen war, dass 1&1 bis zu diesem Zeitpunkt 1000 Antennenstandorte aufgebaut haben müsste. Dem Vernehmen nach hatte das Unternehmen zum Jahresende gerade einmal fünf davon vorzuweisen.

5G-Ausbau bei 1&1: Eigener Antennenstandort
Basis: Einen der ersten eigenen Antennenstandorte von 1&1 können wir in der Firmenzentrale in Montabaur besichtigen.
© Hannes Rügheimer

Scheitern, bevor es richtig losgeht?

Schnell gingen die Kommentare in die Richtung, ob sich hier Mobilfunkgeschichte wiederholt. Schließlich war 2002 schon einmal ein Newcomer auf dem deutschen Markt gescheitert: Nach nur einem Jahr hatte seinerzeit der Anbieter Quam den Aufbau eines eigenen UMTS-Netzes gestoppt und die dafür teuer ersteigerten Frequenzen wieder zurückgegeben.

Diesen historischen Vergleich verbittet sich Ralph Dommermuth, Vorstandsvorsitzender und Mehrheitsaktionär der United Internet AG, zu der auch 1&1 zählt. Stattdessen geht 1&1 in die Offensive: Das Verfehlen der Ausbauauflagen habe die mit dem Aufbau der Antennenstandorte beauftragte „Tower Company“ Vantage Towers zu verantworten.

Sie habe bis Jahresende die Errichtung eines Großteils der geforderten 1000 Mobilfunkstandorte zugesagt – dann aber nur die erwähnte einstellige Zahl geliefert. Gleichzeitig, so klagt Dommermuth etwa im Interview mit dem Handelsblatt, habe Vantage Towers aber rund 1600 Standorte für Vodafone realisiert.

Da dies schon auffällig sei, habe man beim Bundeskartellamt Beschwerde eingelegt und um Prüfung des Vorgangs gebeten. connect bat Vantage Towers um einen Kommentar und erhielt die Antwort: „Wir arbeiten weiterhin intensiv daran, die vereinbarte passive Infrastruktur für 1&1 bereitzustellen. Für den Aufbau des Mobilfunknetzes von 1&1 sind aber auch Leistungen anderer Lieferanten notwendig, die nicht in unserer Hand liegen.“ Weiter könne man die Thematik aufgrund vertraglicher Vertraulichkeitsvereinbarungen nicht kommentieren.

Hinter dem Streit stecken massive finanzielle Interessen. Denn bei Nichterfüllung von Lizenzauflagen kann die Bundesnetzagentur Strafzahlungen verhängen – im Raum stehen 50.000 Euro Bußgeld pro fehlender Antenne. Obwohl 1&1 auf ein deutlich geringeres Bußgeld hofft, gehen Branchenkenner davon aus, dass 1&1 solche Zahlungen wiederum von Vantage Towers zurückfordern würde.

5G-Ausbau bei 1&1: Screenshot 5G-Angebot
Nur der Anfang: Bislang vermarktet 1&1 sein 5G-Netz nur als Festnetzersatzprodukt. Vor der Buchung ermittelt eine Standortprüfung, ob das Netz an der Kundenadresse bereits mit der nötigen Leistung verfügbar ist.
© Hannes Rügheimer

Montabaur blickt nach vorn

An sich will man in Montabaur aber vor allem nach vorne sehen. So erklärt uns Michael Martin, CEO 1&1 Mobilfunk GmbH, der über viel Netzaufbauerfahrung aus Tätigkeiten für die Schweizer Sunrise und die ehemalige Orange Austria verfügt, dass es auf der Arbeitsebene zwischen den beiden Unternehmen nun runder laufe.

Zudem hat 1&1 weitere bestehende Partnerschaften mit Tower Companies nachverhandelt, darunter mit ATC (American Tower Corporation), die auch beim Ausbau des O2-Netzes für Telefónica aktiv ist.

Ohnehin seien die Vorbereitungen für den Aufbau der Netzinfrastruktur weit gediehen. Von vier geplanten Core-Rechenzentren seien zwei bereits in Betrieb, die beiden noch ausstehenden sollen im Sommer folgen. Von 24 vorgesehenen dezentralen Edge-Rechenzentren seien rund 20 fertig.

Und der Aufbau von über 500 regionalen Far-Edge-Rechenzentren liege über Plan. Insgesamt beweise sich hier die Cloud-Kompetenz von 1&1. Das leidige Antennenthema nerve die mit der Netzplanung und Vorbereitung der Netzinfrastuktur befassten Mitarbeiter am meisten – schließlich hätten sie an ihren Baustellen Vollgas gegeben.

Um zu zeigen, wie weit man tatsächlich ist, lud 1&1 connect Anfang Mai in seinen Hauptsitz nach Montabaur ein. Hier konnten wir nicht nur einen der ersten 5G-Antennenstandorte des Anbieters besichtigen und Speedtests mit Notebook und Smartphone durchführen, sondern auch einen Blick ins zugehörige Far-Edge-Rechenzentrum werfen – Letzteres jedoch aus Sicherheitsgründen leider mit striktem Fotografierverbot.

Was uns 1&1 zeigte, bestätigt aber die Aussagen: Die Core-Infrastruktur ist bereit, das Netz läuft. Ohnehin hatten die Montabaurer aus der Not eine Tugend gemacht und ihre wenigen 5G-Standorte bereits seit Ende 2022 als quasi stationäre Festnetzersatzprodukte vermarktet.

Wer die entsprechenden Angebote unter https://dsl.1und1.de/5g-zu-hause besucht, absolviert vor der Buchung eine Standortabfrage. Derzeit ist das Angebot in Düsseldorf, Frankfurt/Main, Freiburg, Karlsruhe, Leipzig, Mainz, Montabaur, München und Ratingen verfügbar – hier dürften sich demnach die von 1&1 kommunizierten aktuellen 5G-Standorte befinden.

Mobilfunk-CEO Michael Martin betont, dass der Hochlauf nun schnell erfolgen soll. Nach derzeit rund 20 Standorten befinden sich demnach weitere rund 80 kurz vor der Inbetriebnahme. Im Juni soll die Zahl bereits auf 160 steigen. Und für Jahresende sind über 1200 Standorte anvisiert.

Zwar ist in allen Gesprächen eine gewisse Demut aufgrund der bisherigen Erfahrungen zu spüren, zugleich aber auch die Entschlossenheit, dass es diesmal klappen soll – und muss. Auf Basis dieser Planung will 1&1 seinen Mobilfunkdienst im Lauf des dritten Quartals starten.

Das 5G-Netz von 1&1 soll seinen Vorsprung schnell beweisen

Dann werden die rund 11 Millionen 1&1-Mobilfunkkunden, die momentan noch in den Netzen von Telefónica und Vodafone eingebucht sind, eine neue Netzbetreiberkonfiguration auf ihren Endgeräten erhalten. Nutzer wechseln dann automatisch ins 1&1-eigene Mobilfunknetz. Schon seit rund fünf Jahren hat der Anbieter in Vorbereitung darauf bereits SIM-Karten mit zwei Profilen ausgegeben. Bestandskunden mit älterer SIM bekommen eine neue Chipkarte zugeschickt.

Ob man sich dann in einer der 1&1-eigenen Funkzellen aufhält oder per National Roaming online ist, wird schnell daran zu erkennen sein, ob das Endgerät 5G (1&1- Netz) oder LTE (O2 via Roaming) anzeigt. Dies gilt zumindest, solange das National Roaming auf 4G beschränkt bleibt. Auch wenn Ralph Dommermuth es gern auf 5G und möglichst auch noch auf weitere Netzbetreiber ausdehnen möchte, zeigen seine künftigen Mitbewerber daran – wenig überraschend – nur mäßiges Interesse.

So werden die 1&1-Mobilfunkkunden live überprüfen können, ob der Anbieter seine Ausbauziele einhält. Bis Ende 2024 soll das Netz auf über 4000 Antennenstandorte wachsen, bis Ende 2025 auf mehr als 7000. Damit würden dann mehr als 25 Prozent der deutschen Haushalte versorgt werden – eine weitere Auflage aus der Lizenzvergabe.

5G-Ausbau bei 1&1: Screenshot Speedtest
Die Geschwindigkeit stimmt: Speedtests – derzeit noch im 5G-basierten Festnetzersatzangebot von 1&1 – liefern die erwarteten hohen Datenraten.
© Hannes Rügheimer

Die technische Überlegenheit des 1&1-Netzes sollen die eigenen Kunden dabei schnell spüren – etwa in Form besonders kurzer Latenzzeiten bei Anwendungen wie Gaming oder auch Virtual und Augmented Reality. Voraussetzung dafür ist natürlich ein 5G-taugliches Smartphone – aber hier kommt den Montabaurern zugute, dass 5G mittlerweile ein Standard-Feature sogar in der Smartphone-Einstiegsklasse ist.

Das Festnetzersatzangebot, in dem wir auch die Speedtests vor Ort durchgeführt haben (siehe Screenshot), will 1&1 weiterhin parallel betreiben. Es soll dann ebenfalls an mehr und mehr Standorten zur Verfügung stehen.

Ob das alles so klappt, wird spannend zu verfolgen sein – auch connect wird dies natürlich tun. Zu wünschen wäre es dem Anbieter und seinen Kunden allemal.

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