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Intelligenter Mobilfunken

Mobile Broadband Forum: Künstliche Intelligenz im Mobilfunk

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Kein anderer Hersteller verfügt über mehr 5G-Patente als Huawei. Auf dem Mobile Broadband Forum in Istanbul zeigten die Chinesen gemeinsam mit Partnern aus aller Welt, welche Trends sie im Mobilfunk setzen. Künstliche Intelligenz spielte dabei eine zentrale Rolle.

Autor: Bernd Theiss • 7.11.2024 • ca. 5:30 Min

Mobile Broadband Forum in Istanbul
Auf dem Mobile Broadband Forum in Istanbul ging es um Trends im Mobilfunk, die Weiterentwicklung von 5G und Künstliche Intelligenz.
© connect

Ein Indikator für die Leistungsfähigkeit in der Hochtechnologie ist der Anteil der Patente, die ein Unternehmen in seinem Bereich hält. Nach dieser Kennzahl liegt Huawei laut Statista bei 5G mit 15,4 Prozent auf Platz 1. Qualcomm folgt mit beachtlichen 11,2 Prozent auf Rang 2, gefolgt von ZTE und...

Ein Indikator für die Leistungsfähigkeit in der Hochtechnologie ist der Anteil der Patente, die ein Unternehmen in seinem Bereich hält. Nach dieser Kennzahl liegt Huawei laut Statista bei 5G mit 15,4 Prozent auf Platz 1. Qualcomm folgt mit beachtlichen 11,2 Prozent auf Rang 2, gefolgt von ZTE und Samsung mit hohen einstelligen Anteilen. Erster Europäer ist Nokia auf Platz 5 mit gut 9 Prozent. Wenn es darum geht, sich einen Überblick über den Stand der Technik zu verschaffen, ist natürlich Huawei die erste Adresse.

Der chinesische Hersteller lud Ende Oktober zum Mobile Broadband Forum nach Istanbul. Netzbetreiber, Branchenorganisationen und Lösungsanbieter aus aller Welt folgten der Einladung, die auch connect gerne annahm. In Vorträgen und Showcases zeigte das Forum, wohin sich die fünfte Generation unter dem Namen 5.5 G oder auch 5G Advanced noch entwickeln wird.

Eines der frühen Versprechen von 5G, das erst jetzt richtig Fahrt aufnimmt, ist das Slicing. Darunter versteht man die Aufteilung des Datenkanals in einzelne Teile, die exklusiv einem Dienst zur Verfügung stehen. Nasir Jama, Access Director der Zain Group, dem führenden Netzbetreiber in sieben Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas, nannte als Beispiel einen dedizierten Kanal für die Übertragung von Fußballspielen an viele Smartphones gleichzeitig. Auch für den Upload von Daten mit garantierten 54 Mbit/s könnten in den Zain-Netzen Ressourcen reserviert werden.

Nasir Jama, Access Director der Zain Group
Nasir Jama, Access Director der Zain Group, sprach über die Idee eines intelligenten Mobilfunknetzes.
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Daneben entwickelte Nasir Jama die Vision eines intelligenten Mobilfunknetzes, in dem die Infrastruktur mit Antennen, Mobilfunkzellen, Verbindungen und Knotenelementen, das Management- und Kontroll-System und die Service-Plattform je eine sich autonom optimierende Einheit bilden, die aber auch über ihre Grenzen hinaus zusammenarbeiten, dazu gleich mehr.

Autonomie strebt auch Marco Zangani an, CNO von Vodafone Italia und Head of Group Mobile Access Engineering. Dabei sieht er Künstliche Intelligenz sowohl im Bereich der Endgeräte und Anwendungen als auch in der Netzwerk-Architektur und in deren Betrieb als bedeutend. So sollen AI-basierende Mobilfunkzellen sich fortwährend selbst optimieren. Die schwierige manuelle Einstellung zur optimalen Abdeckung der Bereiche zwischen den Zellen ohne gegenseitige Störung dürfte damit entfallen. Die ganze Netzwerkplanung und Optimierung möchte Marco Zangani mit Hilfe sogenannter Digitaler Zwillinge (Digital Twins) in die virtuelle von KI gesteuerte Welt heben. Auch Fehler im Betrieb sollen die intelligenten Netzwerke selbst erkennen und ihre Behebung auch gleich mit managen. Auch hier gibt es also eine Kollaboration zwischen dem Radio Access Network mit seinen Mobilfunkzellen, der Netzwerk-Steuerung und dem Service.

Marco Zangani, CNO von Vodafone Italia
Marco Zangani, CNO von Vodafone Italia und Head of Group Mobile Access Engineering, zeigte die Bedeutung von KI für Mobilfunknetze auf.
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Mit der Edge Cloud sieht Marco Zangani auch die Zeit für ein weiteres frühes Versprechen von 5G für gekommen. Die Verlagerung von zeitkritischen Applikationen von weit entfernten Rechenzentren in kleinste Edge-Computer nah der Mobilfunkzellen soll neue Anwendungsbereiche eröffnen, bei denen es auf geringste Latenzen ankommt. Autonomes Fahren und eine damit verbundene optimale Verkehrssteuerung ist dabei nur das populärste Beispiel.

Neben anderen Erweiterungen sieht er auch den Beitritt von Vodafone zum Network APIs Alliance Joint Venture und zu CAMARA von der Open Source Linux Foundation für bedeutend an. In diesen Vereinigungen wollen Netzbetreiber sichere Standard-Software-Schnittstellen zu ihren Netzen bieten. Über die können andere Firmen einfach Netzwerk-zentrierte Dienste anbieten. Global standardisierte Schnittstellen können hier einen Anreiz bilden, für eine große internationale Kundenbasis komplett neue netzwerk-basierte Dienste zu entwickeln und den Netzbetreibern neue Einkommensquellen erschließen.

Doch auch althergebrachte Dienste können vom technischen Fortschritt profitieren. Auch für Yoon Ho Choi, AI-Präsident vom koreanischen Mobilfunknetzbetreiber LG U+ stand Künstliche Intelligenz im Zentrum seines Vortrages. Allein sein Augenmerk war mehr auf die persönlichen Belange des Kunden gerichtet. Dabei stellte Yoon Ho Choi heraus, dass Telefonanrufe nach Messenger-Diensten die zweithäufigste Telekommunikations-Anwendung im LG-U+-Netz sind.

Yoon Ho Choi, AI-Präsident von LG U+
Yoon Ho Choi, AI-Präsident des koreanischen Mobilfunknetzbetreibers LG U+, erklärte die Möglichkeiten eines AI Call Agent als Assistent bei Anrufen.
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Diese soll ein AI Call Agent auf eine neue Stufe heben. Er soll etwa Anrufe selbst annehmen können, den Grund des Anrufs erfassen und dem Angerufenen wichtige Information über vorhergehende Interaktionen mit dem Anrufer liefern können. Wer je von einem Anruf überrascht wurde und dann während des Telefonats wichtige Informationen in den Tiefen seines Computers suchen musste, wird diesen Service schätzen. Doch auch die Simultanübersetzung von fremdsprachigen Anrufen und die Erkennung potenziell betrügerischer Anrufe soll der Agent beherrschen. Nach dem Gespräch bietet der Agent dann eine Zusammenfassung an oder hilft bei Aufgaben, die sich durch den Anruf ergeben, etwa der Planung eines Meetings.

Die zugrundeliegende Infrastruktur eines solchen intelligenten Helfers ist dabei erstaunlich komplex, was LG U+ nicht davon abhält für die Zukunft größeres zu planen. Zusammen mit einem AI Home Agent soll sich der Call Agent zu einem intelligenten persönlichen Assistenten für alle Arten von Diensten entwickeln.

Li Peng, Corporate Senior Vice President und President of ICT Sales & Services von Huawei sieht dabei in Mobile AI neue Wachstums-Chancen, die es zu heben gilt und zitiert dabei Nobel-Gedächtnispreisträger Andrew Michael Spence, der der künstlichen Intelligenz einen großen Produktivitätsschub voraussagte. Im Schnelldurchlauf ließ er die Telekommunikations-Geschichte von der Mobiltelefonie über das mobile Internet bis zur mobilen künstlichen Intelligenz Revue passieren. Dabei bildet die Mobile AI den Kulminationspunkt des Forums, Li sieht sie als universellen Service, der für jedermann überall und immer verfügbar ist. Als Grundlage hob er die verlustfreie, grenzüberschreitende, bedarfsorientierte und vielschichtige Vernetzung von Informationen hervor, die bei intelligenten Analysen hilft und zu intelligenten Entscheidungen beiträgt. Statt mit einfachen Antworten werden persönliche Bedürfnisse durch proaktive Bereitstellung von Ressourcen befriedigt.

Als Beispiel für seine Vision nannte er KI-Brillen der nächsten Generation, die in lauter Umgebung in Echtzeit Sprache mit hoher Genauigkeit von den Lippen ablesen können. Um einen solchen Service seien mobile Netzwerke mit 50 Millisekunden Latenz und bis zu 60 Megabit pro Sekunde (Mbps) Uplink-Geschwindigkeit nötig, im Downlink reichten dafür 1 Mbps.

Diese Entwicklung dokumentiert auch einen durch KI initiierten Trend, Uplink und Latenz werden in den Netzen der Zukunft immer wichtiger.

Li Peng, Corporate Senior Vice President von Huawei
Li Peng, Corporate Senior Vice President und President of ICT Sales & Services von Huawei, erläuterte die Wachstumschancen durch Mobile AI.
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Und genau diese Entwicklung sieht Li Peng auf uns zukommen. Von 230 Millionen AI-Phones im Jahr 2024 wird die Zahl der intelligenten Geräte im Netz bis 2030 auf 3 Milliarden ansteigen. Wir werden mit diesen Geräten auf viele neue Arten interagieren, einschließlich Sprache, Gesten und sogar Emotionen. Assistenten für Arbeit, Unterhaltung und Leben seien die treibenden Kräfte hinter diesem Trend.

Auf industrieller Ebene wird die Zahl der intelligenten Roboter, die Gesten, Berührungen und gesprochene Befehle verstehen, von 1 Milliarde im Jahr 2024 auf 50 Milliarden im Jahr 2030 ansteigen. Die zu verarbeitende Datenmenge würde sich verfünffachen, die erbrachte Rechenleistung sogar verzehnfachen. Auch die Kommunikationsstrukturen würden sich stark verändern.

Statt einer linearen Datenübertragung vom Rechenzentrum über das Netz zum Endgerät folgen die Netze der Zukunft einem Mesh-Modell, in dem dezentrale KI-Rechenzentren untereinander, in zeitkritischen Bereichen aber auch mit regionalen Rechenzentren Daten austauschen. So stehen Informationen unabhängig von Latenzanforderungen immer zeitnah vor Ort zur Verfügung. Darüber hinaus könnten auch Endgeräte wie Smartphones untereinander Daten austauschen. Wichtig wäre ein automatisiertes, intelligentes Training zwischen den Kommunikationspartnern, um latenzsensitive Daten näher an den Empfänger zu bringen. Dies wäre wichtig, da Latenzen unter 300 Millisekunden für eine natürliche Interaktion zwischen Menschen und KI erforderlich sind. Bei den üblichen Reaktionszeiten des Rechenzentrums blieben für das Netzwerk maximal 20 Millisekunden.

In Zukunft wird es darum gehen, die Netze für die künstliche Intelligenz und die künstliche Intelligenz für die Netze zu optimieren. Das bedeutet, dass wir die Netzwerkkapazitäten erhöhen müssen, insbesondere Uplink, Latenz und Kapazität.

Und dass Künstliche Intelligenz die Unterstützung für komplexere Netze vorantreibt, um Betrieb und Wartung zu automatisieren, die Netzeffizienz zu optimieren und eine gute Nutzererfahrung zu gewährleisten.

Li kam zu dem Schluss, dass die Chancen groß sind und die Zeit zum Handeln jetzt gekommen ist.

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