MP3
Report: Die Kaputmacher...
Sie reduzieren Musikdaten auf einen Bruchteil ihrer Informationen und erschufen mit MP3 das berühmteste Audio-Format aller Zeiten. Das Fraunhofer Institut in Erlangen wird deswegen geliebt und gehasst.
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- Die Geburt der MP3 - der Tod der Musik?

Mitte der Achtziger. Draußen in der Welt sind große politische Umwälzungen im Gange: Joschka Fischer trägt Turnschuhe bei der Vereidigung als Minister, Michail Gorbatschow wird Parteichef der KPdSU. Drinnen, in den langen Fluren eines Industrie-Bungalows am Ortsrand von Erlangen, findet eine technische Revolution statt: Musikdaten werden so komprimiert, dass sie über eine gewöhnliche Telefonleitung übertragen werden können. Damals fast so undenkbar wie eine Frau als Kanzler.
Heute ist beides selbstverständlich - wobei die Kanzlerin noch erheblich mehr Stirnrunzeln erntet als eingedampfte -Musikstücke. Täglich werden Millionen von komprimierten Tondateien durch kleine Kupferleitungen blitz-schnell von einem Ende der Welt zum anderen geschickt und Tausende von Alben auf den superwinzigen Festplatten winziger Player -gespeichert. Was damals in -Erlangen begann, am Fraunhofer -Institut für Integrierte -Schaltungen, ist heute alltäglich - und hat die Musikwelt einschneidend verändert. Wie gewaltig die Revolution werden würde, war selbst den Forschern nicht klar: "Wir wussten, wir haben etwas Großes geschaffen. Wir konnten Musik um den Faktor zehn verkleinern und dennoch HiFi-Qualität erreichen. Aber wir dachten nur an die Anwendung im Radio."

Das sagt Harald Popp, neben Dr. Karlheinz Brandenburg und Bernhard Grill Mitentwickler und heutiger Leiter der -Abteilung Multimedia Echtzeitsysteme. Popp berichtet von den Gründungsjahren, als MP3 noch nicht MP3 hieß. 1987 schuf das Forscherteam aus Erlangen für einen digitalen Radiosender einen Decoder, der Stereomaterial in Echtzeit in kleine Musik-häppchen verwandelte, um diese durch enge ISDN-Leitungen zu schicken.
Daten zu verkleinern, das war vorher schon nötig, meistens mit schrecklichen Folgen für den Klang. Das Fraunhofer -Institut schaffte es zum ersten Mal, Musik mit erstaunlich wenig Klangverlust zu reduzieren (siehe Kasten auf Seite 44). Noch erstaunlicher: Der einzige Konkurrent in diesem Bereich stammte nicht aus Japan oder den USA, sondern ebenfalls aus Süddeutschland - das Institut für Rundfunktechnik in München. Es ist kein Geheimnis, wer das Rennen gewann.
Der erste Echtzeit-Decoder für MP3 funktioniert heute noch. Aufbewahrt wie eine Reliquie im MP3-Geburtshaus, dem alten Industrie-Bungalow mit den endlos langen Fluren. Dort tüfteln heute noch rund 100 Mitarbeiter, destillieren Musik so lange, bis sie die Essenz extrahieren, blitzschnell durch jeden Äther jagen und auf den winzigsten Festplatten speichern können. MP3 war nur der Anfang.