Mallik Rao von Telefónica zum 5G-Ausbau von O2
„O2 möchte 5G massenmarktfähig machen“
Telefónicas Technikcheft Mallik Rao erläutert im Interview die Strategie hinter dem 5G-Ausbau von O2 und warum 5G nicht gleich 5G ist.

Was plant Telefónica in 2020 bezüglich Netzausbau?
Unser Team hat die letzten Jahre hart daran gearbeitet, zwei Netze zusammenzuführen. Und ich freue mich, dass wir nun viele positive Resultate sehen. Telefónica/ O2 investiert stark in den Netzausbau. Allein in diesem Jahr haben wir bislang 5.000 4G-Basisstationen in Deutschland errichtet. Wir werden bis Ende 2020 um 15 Prozent verbesserte 4G-Abdeckung erreichen als noch im Vorjahr. Was den 4G-Ausbau betrifft, ist es unser Ziel, bis Ende des Jahres mit dem Wettbewerb gleichzuziehen. Doch die Abdeckung ist natürlich nicht alles, wir müssen auch darauf achten, dass genügend Kapazität in den Netzen verfügbar ist. Um das zu erreichen und unsere Kapazität bei 4G zu erhöhen, nutzen wir ab 2021 das 2.100-MHz-Spektrum von 3G auch verstärkt für unser LTE-Netz. Zudem werden wir unsere Netze weiter vereinfachen und natürlich 5G einführen.
Wann startet O2 mit einem eigenen 5G-Netz, und in welchen Städten wird der Rollout beginnen?
Der kommerzielle Start für unsere 5G-Services in Deutschland ist der 6. Oktober 2020. Bereits am 3. Oktober, wenn sich der Tag der Deutschen Einheit zum 30. Mal jährt, schalten wir 5G mit einem symbolischen Akt live. Zu Beginn wird unser 5G-Netz in den fünf größten deutschen Städten München, Frankfurt, Köln, Hamburg und Berlin verfügbar sein. In den kommenden zwölf Monaten und darüber hinaus werden wir den deutschlandweiten Rollout fortsetzen. Bis Ende 2022 planen wir deshalb, über 30 Großstädte mit 5G zu versorgen und mit deutlich über 16 Millionen Einwohnern eine große Bevölkerungsabdeckung zu erreichen. Außerdem möchten wir das Netz kontinuierlich verdichten, um unseren Kunden die beste Nutzererfahrung zu ermöglichen.
Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile von 5G für den Endverbraucher?
Für den Endverbraucher möchten wir das Nutzererlebnis beim Surfen durch 5G auf die nächste Stufe heben. Unsere O2-Kunden profitieren dabei von besseren Latenzzeiten und einer höheren Geschwindigkeit. Im Alltag sind sehr schnelle Downloads möglich, um etwa von unterwegs Filme in Sekunden herunterzuladen. Indem wir 5G immer mehr in Richtung Echtzeitkommunikation entwickeln, werden für O2-Kunden neue Anwendungen wie Videochats oder Videostreaming in 4K- oder 8K-Auflösung möglich. Auch Augmented und Virtual Reality sowie Mobile Gaming werden mit 5G ihr volles Potenzial entfalten.
Gibt es bereits Tarifstrukturen bei O2?
O2 verfolgt den Grundsatz, Kunden das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten. Das spiegeln auch unsere 5G-Tarife wider, mit denen unsere Kunden ab dem ersten Tag 5G ohne Aufpreis nutzen und im 5G-Netz surfen können. Kein Kunde muss zudem befürchten, dass die 5G-Tarife doppelt so teuer sind wie die LTE-Tarife. Mit unserem 5G-Start wollen wir Hightech eher demokratisieren und der 5G-Technologie zum Durchbruch im Massenmarkt verhelfen. Insgesamt denke ich, dass 5G aktuell aber vor allem im Unternehmensbereich Vorteile bietet und viele neue Nutzungsszenarien zur Folge hat.
Telefónica steigt im Vergleich zur Vergangenheit bei 3G und 4G recht früh in 5G ein. Warum ist das so?
Ein Grund ist das Geräteökosystem. Bis Ende 2020 erwarte ich in Deutschland 500.000 5G-fähige Geräte im Netz. Diese Zahl wird meiner Meinung nach beständig steigen, auf etwa drei bis fünf Millionen 5G-fähige Endgeräte in den nächsten ein bis zwei Jahren. Damit steigt auch entsprechend die Zahl der Kunden, die 5G nutzen können. Unser Launch Anfang Oktober erfolgt deshalb genau zur rechten Zeit, um dieses Wachstum aufzugreifen. Uns ist es zudem wichtig, unser Leistungsversprechen zu halten und nicht zu früh mit unhaltbaren Aussagen in den Markt zu gehen.
Mit welcher Strategie treiben Sie den 5G-Ausbau von O2 voran?
Im Grunde ruht unsere 5G-Strategie auf drei Säulen: 5G-Non-Standalone (NSA), 5G-Standalone (SA) und Dynamic Spectrum Sharing (DSS). Wir starten unseren Ausbau mit 5G-Non-Standalone, da 5G technisch zunächst auf der Infrastruktur von 4G aufgebaut werden muss. Gerade auch, um so viele Kunden wie möglich anzubinden. Nichtsdestotrotz fokussiert sich O2 ebenfalls auf 5G-Standalone. Also das echte 5G, wenn man so will. Hier wird der Endgerätemarkt im ersten und zweiten Quartal 2021 stark wachsen. Für eine größere Flächenabdeckung werden wir Anfang 2021 zudem mit DSS starten.
Was für Vorteile ergeben sich daraus für Unternehmen?
In erster Linie ist 5G-Standalone für den B2B-Bereich interessant, vor allem dann, wenn es um Services geht, die kurzen Latenzzeiten und Network Slicing benötigen. Unsere Leistungsversprechen sind auf diesem Sektor vor allem eine kurze Bereitstellungszeit von wenigen Wochen sowie geringe Latenzen und hohe Flexibilität. Dabei sind wir der erste Anbieter in Deutschland, der sein 5G-Kernnetz in die Cloud bringt, also virtualisiert. Wir realisieren dies zusammen mit Ericsson und Amazon, wobei wir die Software von Ericsson auf die Cloud-Infrastruktur von Amazons Web Services spielen. Die Grundidee dabei ist, das Netz als Plattform zu bauen, auf die Entwickler von 5G-Use-Cases zugreifen können, um ihre eigenen Anwendungen zu kreieren. Bei dieser Entwicklung ist für uns auch hilfreich, was wir bereits mit Daimler in Sindelfingen im Rahmen der „Factory 56“ entwickelt haben: ein 5G-Netz für die digitalisierte Fahrzeugmontage.
Wird DSS bei Telefónica flächendeckend zum Einsatz kommen?
Beim 5G-Ausbau von Telefónica/ O2 sehen wir DSS eher als ergänzendes Element, das wir mit Bedacht einsetzen. Dabei werden wir den Zeitpunkt und Einsatzbereich ganz genau wählen. Ich glaube, Dynamic Spectrum Sharing ist relevant für den frühen Flächenausbau, aber der Technologie wird manchmal etwas zu viel Gewicht beigemessen. Für mich muss sie noch etwas länger reifen, um dann einen wirksamen Zwischenschritt auf dem Weg zum 5G-Standalone-Netz darstellen zu können.
Was ist Ihrer Meinung nach problematisch an DSS?
Für den Anwender macht es aktuell nur einen geringen Unterschied aus, ob er 4G-LTE nutzt oder eine 5G-DSS-Verbindung. Die Geschwindigkeit beim Surfen unterscheidet sich weniger, als es allgemein bei 5G erwartet wird. Der Unterschied ist somit eigentlich nur das 5G-Logo, das der Nutzer eines entsprechenden Endgerätes auf dem Display sieht. Außerdem kann man noch keine Services anbieten, die sehr geringe Latenzen benötigen. Hinzu kommt, dass man durch DSS zwischen 15 und 20 Prozent der Kapazität verliert, die im 4G-Netz zur Verfügung steht. Und wenn wir die deutschen Topstädte betrachten, läuft bereits jetzt 50 Prozent des Datenaufkommens über das O2-Netz von Telefónica. Es liegt also eine gewisse Last auf den Netzen, und wir möchten durch 5G-DSS in der Stadt nicht die Nutzererfahrung unserer Kunden schmälern. Unsere Absicht ist es, 5G überall mit einer guten Qualität in den Markt zu bringen.