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Plattenspieler

Clearaudio Ovation + Tracer + Talisman V2 im Test

Clearaudios Kombi aus Ovation, Tracer und Talisman V2 findet heraus, was sich in der Plattenrille verbirgt. Und zwar exakt und vollumfänglich. Glücklicherweise bleibt sie dabei aber hochmusikalisch. Wir haben dem Plattenspieler im Test.

Autor: Roland Kraft • 21.6.2018 • ca. 5:15 Min

Clearaudio-Kombi: Ovation/Tracer/Talisman V2 im Test
Clearaudio-Kombi: Ovation/Tracer/Talisman V2 im Test
© Clearaudio

Als minimalistisch und schnörkellos bezeichnet Clearaudio das Design des Ovation. Und hat damit völlig recht. So wirkt dieses 42 Zentimeter breite Laufwerk optisch zurückhaltend, aber sehr edel. Und gerät genau deswegen zum Hingucker. Die glänzenden Kanten der Alu-Abdeckungen auf dem Chassis au...

Pro

  • technisch ausgefuchste Kombi
  • hervorragende Manuals
  • komplettes Werkzeug im Lieferumfang
  • feinsinnig und höchst spielfreudig

Contra

Fazit

stereoplay-Testurteil: 82 Punkte; Klang: 58 Punkte; Preis/Leistung: überragend

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Als minimalistisch und schnörkellos bezeichnet Clearaudio das Design des Ovation. Und hat damit völlig recht. So wirkt dieses 42 Zentimeter breite Laufwerk optisch zurückhaltend, aber sehr edel. Und gerät genau deswegen zum Hingucker. Die glänzenden Kanten der Alu-Abdeckungen auf dem Chassis aus wahlweise schwarz lackiertem oder holzfarbenem Panzerholz tun ein Übriges, um den Ovation zum Blickfang zu machen. 

Ganz genau hinschauen muss man allerdings, um am Tonabnehmer unserer Testkombi den Nadelträger zu erkennen. Denn der ist hauchzart dünn und gehört zum Talisman V2 Gold. Selbst geübte Justierer empfinden angesichts der filigranen Nadel gehörigen Respekt und warten auf einen Tag mit ganz, ganz ruhigen Händen! Montiert ist das feingliedrige MC-System in Clearaudios Tonarm Tracer, einem ebenfalls optisch recht minimalistischen Design mit Vertrauen erweckend großvolumigem Karbon-Tonarmrohr und nicht minder solide wirkender Aluminum-Headshell. 

Und wer hätte gedacht, dass der Ovation 100.000 Mitstreiter hat? Es sollen nämlich genau so viele Metallkügelchen sein, die ins Panzerholz-Chassis eingearbeitet sind, um klangschädliche Resonanzen zu verhindern. Kein Wunder, wenn sich so das Kampfgewicht des Laufwerks auf 13,5 Kilogramm addiert, an denen der 40 Millimeter dicke Plattenteller aus hochdichtem und verzugsfreiem technischem Kunststoff einen nicht zu vernachlässigenden Anteil hat.

Riemengetriebener Subteller

Wie auch einige andere Hersteller benutzt Clearaudio einen riemengetriebenen Subteller, neben dem unmittelbar schon ein vom Chassis entkoppelter Gleichstrommotor sitzt. Da der Durchmesser des Subtellers ja viel geringer als der des Plattentellers ist, läuft der Motor eine höhere Drehzahl im Vergleich zu Riementrieblern, deren Antriebsgummi rund um den Plattenteller verläuft. Das mündet in einem nützlichen Schwungrad-Effekt, der den Gleichlauf verbessert. Doch das ist den Designern der legendären Analog-Manufaktur noch nicht genug. 

Deshalb packen sie den Motor in einen elektronischen Regelkreis, der von einem Sensor auf der Unterseite des Subtellers mit Drehzahl-Informationen versorgt wird. Obwohl die Nenndrehzahl ab Werk voreingestellt ist, ermöglichen noch drei von der Rückseite her zugängliche Trimmer-Potentiometer eine Feineinstellung. Der Ovation bietet auch die 78er-Drehzahl für Singles an und eignet sich durch seine Wechselaufnahme für handelsübliche 9-Zoll-Tonarme. 

Clearaudios inzwischen weithin bekanntes, reibungsfreies Magnetlager rundet dieses Laufwerksmenü ab, nicht zu vergessen natürlich das invertierte Axiallager mit polierter Keramikachse und einer Laufbuchse aus Sinterbronze. Beim Zusammenbau ist hier Vorsicht geboten, die Lagerbüchse muss achtsam über die Keramikachse geschoben werden. Das vorzüglich gestaltete Manual lässt diesbezüglich aber keine Fragen offen.

Clearaudio-Kombi: Tracer
Die Masse des Gegengewichts ist unter die Horizontallagerung abgesenkt. Wie bei Clearaudio üblich, arbeitet die Antiskating-Vorrichtung magnetisch direkt auf die Drehachse. Ein Vorteil des Tracer ist seine solide, „einschnappende“ Halterung für das Armrohr, ein häufig vernachlässigtes Thema.
© Clearaudio

Tonarm Tracer

Auf den ersten Blick wirkt der Tonarm Tracer nicht so beeindruckend wie einige zerklüftete, mit Einstellmöglichkeiten förmlich übersäte Tech-Monster seiner Zunft. Doch dieser Eindruck täuscht. Tatsächlich handelt es sich um einen höchst durchdachten, grundsoliden und deshalb recht simpel justierbaren 9-Zöller, in dem sich Tonabnehmer zwischen drei und 17 Gramm Gewicht ausbalancieren lassen. Im Komplettpaket liefert Clearaudio ohnehin vormontiert, doch Angst vor eigenen Einbauaktionen brauchen hier nicht einmal Newcomer zu haben, sofern sie über einen „rechten Daumen“ verfügen. 

Der mit einem Schräglager mit Wolframachse, horizontaler Saphirlagerung und vertikaler Kugellagerung ausgestattete Tonarm ermöglicht prinzipiell auch eine Azimut-Einstellung über eine drehbare Headshell. Doch nach unserer Meinung sollte man die Werkseinstellung akzeptieren und darauf vertrauen, dass der Tonabnehmer-Hersteller seine Nadeln präzise auf die Nadelträger montiert. Einige Super-Justierer werden Ihnen etwas anderes erzählen. Doch es gibt überzeugende Argumente, die Headshell exakt in der Horizontalen zu belassen. 

Durch das simpel via Drehrädchen am Ende des Armrohrs verstellbare Gegengewicht ist die Auflagekraft schnell justiert. Eine genaue Tonarmwaage ist freilich unerlässlich, um die 28 Millinewton für das Talisman V2 Gold präzise einzustellen. Ob man bei diesem schon in höheren Regionen angesiedelten Druck auf die Plattenrille noch die Antiskating-Vorrichtung benutzt, ist eine Frage, zu der es derzeit zwei Denkmodelle gibt. Und letztlich existieren hier auch Zusammenhänge mit dem jeweiligen Nadelschliff. Probieren Sie es aus: einmal Antiskating voll „auf“ (wie im Manual angegeben), einmal Antiskating auf null. Wir empfanden es als besser, das Antiskating wegzulassen. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass Antiskating bis zu 20 Millinewton Auflagekraft durchaus benutzt werden sollte.

Clearaudio-Kombi: Subteller & Spike
(links) Damit die Spikes nicht die Oberfläche zerkratzen, sind „Unterleger“ beigefügt. Die Füße sind höhenverstellbar und dienen dazu, das Laufwerk möglichst exakt „ins Wasser“ zu stellen. Dabei hilft die mitgelieferte Dosenlibelle. (rechts) Der Aluminium-Subteller ist nicht nur das Schwungrad für den Riemenantrieb, sondern stellt auch das Oberteil von Clearaudios Magnetlagerung dar. Außerdem enthält er das Sensorband für die Drehzahlregelung.
© Clearaudio

Tonabnehmer Talisman V2 Gold

An dieser Stelle ist ein dickes Lob für den Lieferumfang des Komplettpakets fällig. Notwendiges Werkzeug liegt ebenso bei wie die unerlässliche Dosenlibelle. Wer einen Tonabnehmer in Arme wie den Tracer einbauen möchte, also in Tonarme ohne abnehmbare Headshell, der sollte einem Profitrick folgen und dazu einfach den ganzen Tonarm ausbauen. Also die Halteschrauben am Schaft lösen, den Tonarm komplett herausziehen und auf den Tisch legen. Das macht die Sache viel einfacher. 

Das Tonarmkabel sollte man dazu sanft mit herausziehen oder von unten abstecken. Clearaudio stattet den Tracer serienmäßig mit einer untadeligen Edelstrippe aus. Auch beim Talisman V2 Gold kommt natürlich Clearaudios patentierte Anordnung aus acht Magneten zum Einsatz. Sie erhöht die Dichte der Feldlinien, in denen sich die Goldspulen bewegen, und verbessert damit die erzielbare Dynamik. Mit angegebenen 15 Mikrometern pro Millinewton liegt die Nadelnachgiebigkeit des Talisman im Mittelfeld; mit dem Tonarm Tracer zusammen ergab sich eine Vertikalresonanz von fünf Hertz, also etwas unterhalb des optimalen Bereichs zwischen acht und zwölf Hertz. 

Das handpolierte Ebenholz-Gehäuse des MC-Abtasters hat nicht nur optische Gründe. Vielmehr soll der Systemkörper Resonanzen bedämpfen und natürlich selber nicht mitschwingen. Wer schon einmal sein Ohr dicht über einen Abtaster gehalten hat, der weiß, dass Bedämpfungsmaßnahmen nötig sind, spielen manche Tonabnehmer doch sozusagen ihr eigenes Lied. Auch „üppiger“ ausgeführte Headshells mit höherer Materialstärke sind gegen diese Effekte hilfreich, erhöhen aber andererseits die effektive Masse eines Tonarmes. 

Clearaudio-Kombi: Talisman V2
Ebenholzgehäuse, Bor-Nadelträger und Micro-HD-Nadelschliff zeichnen das nur gut zehn Gramm leichte Talisman V2 aus. Gewinde im Systemkörper erleichtern die Montage.
© Clearaudio

Hörtest

Klanglich schafft es das Clearaudio-Ensemble, eine bemerkenswerte Gratwanderung zu absolvieren: Einerseits spielt die Kombi recht präzise, ja fast schon analytisch und übergenau, andererseits aber doch noch freundlich, emotional, verbindlich und nie nervig. Das ist eine Leistung, die nur selten gelingt. Und die auch nur dann klappt, wenn eine hochkarätige Phonostufe mit von der Partie ist.

Die Investition in einen klanglich völlig unparteiischen, neutralen und wirklich guten Phonoverstärker ist in diesem Fall Pflicht. Zum einen, um den ausgewogenen, dennoch höchst informativen Klang der Kombi nicht in eine Richtung zu kippen. Und zum anderen, um die Fähigkeiten des Ensembles auch tatsächlich vollständig auszuloten, um zu hören, was heutzutage noch in guten Schallplatten steckt. Hier war das übrigens ein Referenz-Oldie aus den 80er-Jahren, den Insider noch kennen werden und den aufzuspüren sich lohnt: Dario Domingues, „Exodus South of Rio Grande“, Trikont US-08-112. 

Intensität, üppige Klangfarben und Dynamik auf höchstem Niveau – was Ovation, Tracer und Talisman aus der betagten Hörtestscheibe herausholen, ist sehr wohl dazu geeignet, im Vergleich zu aktuellen digitalen Tonkonserven tiefe Nachdenklichkeit auszulösen. Top-Analog-Komponenten sind deshalb alles andere als ein abgeschlossenes Kapitel der Musikwiedergabe. Und wer nach einem intensiven Hör-Date mit dieser Kombi nicht aufsteht und Schallplatten kauft, der ist – sorry – taub. Ein privates Wort zum Schluss: In München gibt es einen jährlich stattfindenden Riesen-Flohmarkt. Und raten Sie mal, wie viele Mitglieder der Redaktion mit dem ersten Licht losziehen, um sich einzudecken...

Fazit

Ganz hervorragende, technisch ausgefuchste, wunderbar gebaute, aber dennoch unkomplizierte Kombi, die auch von Nicht-Spezialisten aufgestellt und sicher betrieben werden kann. Hervorragende Manuals und komplettes Werkzeug im Lieferumfang. Klanglich eher etwas auf der analytisch-präzisen Seite, dennoch feinsinnig, nie nervig, höchst spielfreudig, superdynamisch und eingängig. Ein Traum-Plattenspieler, zudem mit gediegener, stilvoller Optik.

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