Die Android-Spielekonsole Ouya im Test
Mehr zum Thema: GoogleDie neue Spielekonsole Ouya soll eine Alternative zu den etablierten Systemen PS3, Xbox 360 und Wii bieten. Die Videogame-Kiste läuft mit Android und ist angenehm günstig. Wir haben uns die Konsole genauer angesehen.

Spielekonsolen für den Fernseher gibt's schon seit den 70er-Jahren. Den Startschuss gab das legendäre Spiel "Pong" auf einer Magnavox Odyssey, eine Kiste mit zwei dicken Drehreglern an Kabeln für die Steuerung. Das war's.Anfangs besaßen die Konsolen mehr Power für aufwendig...
Spielekonsolen für den Fernseher gibt's schon seit den 70er-Jahren. Den Startschuss gab das legendäre Spiel "Pong" auf einer Magnavox Odyssey, eine Kiste mit zwei dicken Drehreglern an Kabeln für die Steuerung. Das war's.
Anfangs besaßen die Konsolen mehr Power für aufwendige Grafiken als PCs, waren günstiger und konnten am großen Fernseher im Wohnzimmer die volle Spielepracht entfalten. Später überholten die PCs die Spielekonsolen wieder - mit besserer Grafikqualität und Multiplayer-Fähigkeiten. Nach dem Aufrüstwahn - dickere Grafikkarten, Multicore-Prozessoren und mehrere Gigabyte RAM - läuteten Casual Games eine neue Zeitrechnung ein.
Alternative Android-Spielkonsolen: Gamestick und Nvidia Project Shield

Der Anspruch der Casuals ist gebündelter Kurzzeitspaß, epische Storys in High-End-Optik sind nicht gefragt. Nintendos Wii ist der erste Vertreter dieser Wohnzimmer-Ära, doch die eigentlichen Hauptakteure sind Smartphones und Tablets - weil portabel und inzwischen so potent, dass sie auch anspruchsvolle und schnelle Grafik ermöglichen.
Ideal für Casual Gamer
Und die portablen Plattformen bringen noch weitere Vorteile mit, etwa die App-Stores, über die man bequem und überall Spiele laden und ausprobieren kann. Außerdem kosten die Spiele nur einen Bruchteil von Konsolen-Blockbustern. Diesem Trend mussten aktuelle Top-Konsolen wie die Xbox 360 von Microsoft oder Sonys Playstation 3 mit eigenen Stores für Casual- und Independent-Spiele erst folgen.
Neuartiges Konzept
Was macht man nun als Newcomer in diesem Markt? Noch mehr Power in die Kiste packen als Microsoft oder Sony? Nur noch auf mobile Betriebssysteme setzen? Oder einfach mal den Gamern - Casual wie Hardcore - und den Entwicklern zuhören und die Brücke schlagen zwischen den Welten? Genau so haben es die Köpfe hinter der neuen Spielekonsole Ouya gemacht.
Direkt ab Projektstart 2012 wurden die Gamer einbezogen: Erstens durften sie das Projekt finanziell unterstützen - über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Zweitens hörte man bei der Entwicklung der Konsole auf die Nutzer und Software-Macher. Sie durften Einfluss nehmen auf das Design des Controllers, auf das Entwickler-Kit für Spiele, auf grundsätzliche Features. Das motiviert, bindet und schafft eine Community, noch bevor das erste Gerät über den Ladentisch gewandert ist.

Doch was bringt die ausgefeilteste Spielekonsole, wenn es zum Start keine Spiele für sie gibt? Nichts. Die Ouya-Macher sorgten also rechtzeitig dafür, dass ambitionierte Indie-Developer und etablierte Gaming-Studios in die Tasten hauten - schließlich sollten die Ouya-Käufer später nicht nur einen würfelförmigen Briefbeschwerer im Regal stehen haben.

Die Köpfe hinter der Ouya sind in der Tech-Branche keine Unbekannten: Julie Uhrman war vorher Vizepräsidentin von IGN, einer riesigen Videospiele-Plattform im Internet.
Uhrmann holte als Ouya-Gestalter Yves Behar ins Boot, einen renommierten Schweizer Industriedesigner. Er hat den OLPC (One Laptop Per Child) und die stylishen Bluetooth- Headsets von Jawbone gestaltet.
Für Hard- und Software wurde Muffi Ghadiali geholt, der vorher für Amazon am E-Reader Kindle gearbeitet hatte.
Die Hardware
Ouya setzt auf Komponenten, die wir aus Smartphones kennen.

Als Taktgeber werkelt ein Nvidia-Tegra-3-Prozessor (ARM Cortex- A9) mit vier Kernen, von denen jeder mit 1,6 GHz taktet (1,7 GHz im Single-Kern-Modus). Der System-RAM fasst 1 GB. Der Flash-Speicher für das Betriebssystem, die Spiele- und Anwendungsdaten kann mit 8 GB vollgepackt werden.
Wer mehr braucht, kann eine externe Festplatte am USB-2.0-Slot anstöpseln. Ein Speicherkartenschacht fehlt leider. Dafür haben die Ouyaner Bluetooth 4.0 in die Kiste gepackt. Gleich daneben ein WLAN-Modul nach b-, g- und dem schnellen n-Standard. Alternativ kann man die Ouya über ein LAN-Kabel ans Netz bringen. An den Fernseher respektive die Hi-Fi-Anlage geht's per HDMI. Full-HD in 1080p schafft die Ouya locker. Zudem findet sich an der Rückseite noch ein Micro-USB-Anschluss, über den sich die Ouya mit einem PC verbinden lässt.
Für Entwickler gemacht
Ouya macht es den Entwicklern leicht: Man setzt auf das offene Android (Version Jelly Bean) als Betriebssystembasis und auf etablierte Rechnerkomponenten. Wer schon eine App für ein Android-Smartphone oder -Tablet entwickelt hat, kann praktisch sofort auch für die Ouya loslegen.
Jede normale Konsole kann auch als Entwicklergerät verwendet werden, das SDK (Software Development Kit) gibt's kostenlos als Download. Die Spieleentwickler honorieren das und haben schon 100 Spiele fertig. Die Games kommen teils von weniger bekannten Häusern ("Legend of Dungeon" von RobotLoves- Kitty und "The Ball" von Tripwire Interactive), teils aber auch von Mainstream-Schmieden ("Final Fantasy III" von Square Enix).
Für Hacker gemacht
Ouya sagt klar und deutlich "Hackers welcome". Das Android-Betriebssystem auf der Ouya darf explizit "gerootet" werden: Volle Zugriffsrechte aufs Betriebssystem, und zwar ohne Garantieverlust wie bei Smartphones.

Zudem geht man von vornherein davon aus, dass findige Bastler und natürlich auch Hardwarehersteller in kurzer Zeit alle möglichen Peripheriegeräte zur Ouya erfinden und auf den Markt bringen werden. Controller, Webcams, ausgefallene Eingabegeräte - das macht die Ouya vielfältig und attraktiv.
Ans Innere gelangt man über vier ganz normale Schrauben. Das ist Offenheit!
Für Spieler gemacht
Auch als Spieler lässt sich mit der Ouya gut umgehen: Es gibt einen eigenen App-Store für die Konsole, den Ouya Store. Der Google Play Store ist leider nicht nutzbar. Bezahlt wird per Kreditkarte oder Gutscheincode.
Doch man kann den virtuellen Geldbeutel erst einmal getrost stecken lassen, denn Ouya verfolgt die Philosophie "Free-to-play". Das kann bedeuten, dass ein Spiel grundsätzlich kostenlos ist, man sich aber coolere Ausrüstung, Waffen und so weiter hinzukaufen kann. Bei manchen Spielen werden nur einige Levels enthalten sein - für die restlichen bis zum Ende des Spiels muss man zahlen.
Ein weiteres gängiges Modell sind Episodenspiele, die man über ein Abo kauft. Und schließlich können die Spieleentwickler auch einfach die Zeit begrenzen, in der man kostenlos zocken kann. Wichtig ist: Jeder kann sich einen Eindruck vom Spiel verschaffen, ohne gleich zahlen zu müssen. Gute Sache!

Wer sich nicht mit den Games aus dem Ouya-Store zufriedengeben will, kann sich - leider bisher nur in den USA - beim Spiele-Streamingdienst OnLive einklinken: Hier werden grafisch aufwendige Games auf einem kräftigen Server im Internet ausgeführt, nur das bewegte Bild wird auf die Ouya gestreamt.
Auch Retro-Gamer werden ihre Freude mit der Ouya haben. Abgesehen von vielen portierten Klassikern, die es über den Ouya Store geben wird, sollen auch Emulatoren für Super Nintendo, NES, Nintendo 64, C64, Game Boy, Atari 2600 und Sega Megadrive kommen.
Für Medien gemacht
Moderne Spielekonsolen sind schon lange nicht mehr nur Zockmaschinen, sondern auch Player für Musik, Bild und Film. Die Ouya macht da keine Ausnahme, Partnerschaften mit Softwareherstellern und Diensteanbietern sind beschlossen. So wird die Medienoberfläche XBMC in Kürze zu haben sein, über Vevo kann man sich Musikvideos ansehen ansehen, mit TuneIn Radio und iHeartRadio kommen zwei Radio-Stream-Apps. Eine Besonderheit ist Twitch.tv, über das man sich E-Sports-Matches ansehen kann.
Mit Touchscreen
Die Ouya-Macher setzen bei den Innereien auf Komponenten, die man aus dem Smartphone-Bau kennt. Die Leistungswerte sind in Anbetracht des Gerätepreises von nur 99 Euro beachtlich.
Das Ouya-Kästchen misst an jeder Kante etwa 75 Millimeter. Der Controller wurde in enger Zusammenarbeit mit der Community und Gaming-Spezialisten entwickelt, zeigt nun aber beinahe das gleiche Layout wie die Controller der etablierten Konsolen: Es gibt zwei Analogsticks, ein Digital-Pad-Steuerkreuz, vier Schultertasten, vier Buttons und einen Power-Knopf.

Die Köpfe der Analogsticks sind konvex geformt - Playstation-3-Spieler sind das gewohnt, Xbox-Gamer bevorzugen die konkave Form. Als Besonderheit bringt der Controller eine berührungsempfindliche Fläche mit, damit der User auch Spiele, die aus der Touchscreen-Welt kommen, bedienen kann.
Wo andere Konsolen wie etwa die Playstation 3 eine Leistung von 80 oder sogar 190 Watt (Slim-Version/erste Generation) in Rechenpower und Wärme umwandeln, spart die Ouya enorm: Der Leistungswert soll gerade einmal rund 5 Watt im Spielbetrieb und 1 Watt im Standby betragen. Der Standby-Wert liegt vergleichsweise "hoch", weil man das pausierte Spiel sofort nach dem Aufwecken der Konsole fortsetzen kann.
Übrigens: Die Ouya-Macher planen, im Jahresturnus eine neue Hardware-Version der Ouya zu veröffentlichen - ähnlich wie man es von Smartphones kennt.
Erster Check: Fühlt sich gut an!
Die Ouyaner legen der Verpackung alles Notwendige bei: Die winzige Ouya, den Controller, Kabel und Batterien. Pluspunkt!
Bei der ersten Inbetriebnahme muss man sich bei Ouya anmelden oder registrieren. Darauf folgt das für digitale Geräte inzwischen schon obligatorische Firmware-Update.
Das Hauptmenü der Ouya ist überschaubar: Play, Discover, Make und Manage - hinter diesen Buttons verbergen sich die Zugänge zu den bereits installierten Spielen, zum App-Store, zum Entwicklerbereich und zu den Einstellungen. Rund 100 Spiele und fünf Apps tummeln sich im Store. Alle Games kann man wie versprochen kostenlos anzocken - für weitere Levels, Spielzeit oder Gegenstände muss man dann jedoch Geld herausrücken.

Preislich liegt man hier allerdings wesentlich günstiger als bei High-End-Konsolen - die Kosten sind vergleichbar mit denen für Smartphone-Spiele. Dafür ist die Grafik auch nicht so aufwendig wie im High-End-Bereich. Die Ouya-Games glänzen vielmehr mit Ideen und Spielwitz, denn meist stammen sie wie gesagt von Indie-Labels.
Das Durchprobieren und Testen macht enorm Spaß und bei dem einen oder anderen Spiel bleibt man auch mal mehrere Stunden hängen. Die Bedienoberfläche der Ouya ist schön übersichtlich und leicht zu handeln. Dass die Konsole noch einige Firmware-Updates hinter sich bringen wird, sieht man etwa an den immer wieder durchschimmernden Android-Standard-Elementen. Auch müssen die Entwickler Gas geben, um mehr interessante Apps zu bringen. Eine Media-App (XBMC) zum Beispiel war angekündigt, glänzt aber durch Abwesenheit.
Controller liegt gut in der Hand
Der Controller der Ouya liegt gut in der Hand, die Anordnung der Analog-Sticks, des D-Pads, der Schulter- und Eingabetasten ist für Zocker gewohnt, vorallem für Xbox-User. Neu ist hingegen die Fläche oben in der Mitte des Controllers. Es handelt sich dabei um ein Touchpad, mit dem man diverse Spiele oder einen Mauszeiger über den Bildschirm dirigieren kann.

Leider bleibt jedoch der Knüppel der Ouya hinter der Anfassqualität eines Xbox- oder Playstation-Controllers zurück. Vor allem die Schultertasten wirken geradezu billig. Die Analogsticks hingegen sind präzise und gutgängig. Angeblich kann man auch Xbox- und PS3-Controller mit der Ouya via Bluetooth verbinden; im Test hat dies jedoch noch nicht funktioniert.
Cooles Gadget mit Potenzial
Für alle Gelegenheitszocker, die Indie-Spiele mögen und Smartphone-Game-Klassiker auch mal auf dem großen Fernseher spielen wollen, ist die Ouya genau richtig. Mit der Zeit werden sicher mehr und auch bekanntere Titel dazukommen; zusätzliche Apps können den kleinen Würfel schließlich auch in eine Medienzentrale für das Wohnzimmer verwandeln. Ein cooles Android-Gadget mit viel Potenzial.