Dauertest

Palm Pre Plus im Dauertest

25.11.2010 von Athanassios Kaliudis

Trotz hochgelobtem Betriebssystem ist Palm der Durchbruch auf dem Smartphone-Markt bisher nicht gelungen. Ob sich das nach der Übernahme durch HP ändern wird, wird die Zeit zeigen. Ob das Flaggschiff Palm Pre Plus der Konkurrenz technisch schon heute Paroli bieten kann, klärt der Dauertest.

ca. 7:35 Min
Testbericht
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  1. Palm Pre Plus im Dauertest
  2. Pro & Contra Palm Pre Plus
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  5. Interview mit Helge Alter von Palm Germany
Palm Pre Plus
Palm Pre Plus
© Palm / HP

Anfangs war es nur ein Gerücht, Ende April gab es schließlich Gewissheit: Der Computerhersteller HP hat den schiffbrüchigen PDA-Spezialisten Palm übernommen, nachdem Letzterem der Durchbruch in der Smartphone-Welt bis dato nicht gelingen wollte. Und das, obwohl das Feedback für das von Palm selbst entwickelte Betriebssystem Web OS mit seinem gut durchdachten und nutzerfreundlichen Bedienkonzept stets positiv ausfiel. Jedoch wurde auch häufig das sich eher zweitklassig anfühlende und dem hohen Anspruch nicht gerecht werdende Gehäuse kritisiert, in welches Palm das Pre und das hier im Dauereinsatz getestete Pre Plus gesteckt hat.

Die Kritik ist berechtigt: Palms Smartphone knarzt nach längerem Gebrauch ziemlich heftig. Das Ausfahren der Tastatur klappt alles andere als geschmeidig, außerdem fügen sich die beiden Gehäuseteile nicht ganz reibungslos ineinander, sodass die Komponenten aufgrund der Spaltmaße etwas Spiel haben und ein wenig wackeln.

Palm Pre Plus
Auch beim Organisieren mehrerer Postfächer gelingt Palm eine übersichtliche Darstellung der verschiedenen Konten.
© Palm

Das liegt zwar sicher auch ein Stück weit in der Natur der Slider-Konstruktion, aber dennoch: Die Marke Palm steht für hochwertige Produkte, und so möchte nicht nur connect-Redakteur Bernd Theiss "schon beim In-die-Hand-Nehmen spüren, dass ich mir ein Premium-Produkt gekauft habe". Dieses gute Gefühl kann das Palm Pre Plus nicht vermitteln: Zu den genannten Verarbeitungsmängeln gesellt sich ein nicht eben angenehm anzufassendes Gehäusematerial; immerhin ist die Rückseite mit matter Softtouch-Oberfläche überzogen, die Halt gibt und immun gegen Fingerfett ist, was dem Palm Pre Plus eine etwas schickere Anmutung verleiht als es beim vollständig in glänzenden Kunststoff gehüllten Vorgänger Palm Pre der Fall ist.

Handliches Pummelchen

In Sachen Handlichkeit und Formfaktor kann das Gehäuse aber durchaus auch Punkte sammeln. Mit seinen abgerundeten Kanten liegt es angenehm in der Hand und lässt sich einhändig problemlos bedienen. Schlank ist das Pre Plus sicherlich nicht, 17 Millimeter Bauhöhe sind in der Hosentasche deutlich zu sehen. Dafür ist mit 137 Gramm Gewicht die Hemdtasche nicht gleich ausgeleiert. Für connect-Redakteur Markus Eckstein, bekennender Fan von mechanischen Schreibtastaturen, hätte das Gerät insgesamt "gerne auch etwas größer sein können, dann wäre auch mehr Platz für eine größere Tastatur da gewesen".

Obwohl die Drücker etwas klein geraten sind, lassen sich Nachrichten mit ein wenig Übung und Geduld dennoch recht gut und flott tippen. Was allerdings nervt: Beim Bedienen der obersten Ziffernreihe stößt man - vor allem, wenn man etwas breitere Finger hat - mit dem Daumen oft an die Oberkante des Displaygehäuses. Verarbeitet ist die Tastatur wiederum sehr vorbildlich: Die einzelnen Tasten sitzen fest und stabil im Gehäuse, sind gummiert, sauber voneinander getrennt und haben einen knackigen Druckpunkt. Wer fleißig Nachrichten schreibt, wird auch die schnelle Eingabemöglichkeit der Umlaute ä, ö und ü zu schätzen wissen. Diese liegen auf den jeweiligen Vokalen und werden - so wie auch der numerische Ziffernblock - über den kurzen Umweg der Funktionstaste links unten erreicht.

So viel zur Betrachtung von außen, also einschalten und loslegen? Gemach, gemach - zunächst muss man ein Palm-Profil anlegen, das im Fall der Fälle zur Fernlöschung des Palm Pre Plus benötigt wird. Auch an die ungewöhnliche Steuerung muss man sich erst einmal herantasten und macht am besten gleich das Tutorial zur Einführung mit.

Lernprozesse und Aha-Effekte

Bedient wird das Pre Plus nämlich nicht nur über den kapazitiven Bildschirm, sondern vor allem über die Gestensteuerung auf dem darunter liegenden und für das Auge unsichtbaren Touchfeld. Dazu wischt der Nutzer einfach mit dem Finger über die beinahe fingerbreite Sensorfläche; ein dezentes LED-Lauflicht stellt die erkannte Eingabe optisch dar. Mit einer Bewegung von rechts nach links kommt man wieder zur übergeordneten Menüebene beziehungsweise einen Schritt zurück. In umgekehrter Richtung gelangt man etwa im Webbrowser einen Schritt nach vorne. Das klingt logisch und geht schon nach kurzer Zeit intuitiv und locker von der Hand. Sehr konsequent setzt Palm das Bedienkonzept in allen Ebenen fort, weshalb die elegante Kombi aus Touchscreen und Touchfeld schnell richtig Spaß macht.

Palm Pre Plus
Das dreiteilige Hauptmenü gefällt mit hübsch aufbereiteten Symbolen, die sich nach Belieben sortieren lassen.
© Palm

Dazu trägt auch der sehr präzise reagierende Bildschirm bei, der auf 44 x 66 Millimetern (3,1 Zoll) 320 x 480 Pixel verteilt und so eine ausreichend übersichtliche Darstellung der Inhalte ermöglicht. Anders als etwa bei Android-Smartphones kann der Startbildschirm bei Web OS nicht mit Shortcuts oder Widgets frei gestaltet werden - Palm verfolgt hierbei eine andere Philosophie. Im Hintergrund weiterarbeitende Anwendungen werden im Miniaturformat auf dem Startbildschirm verteilt, das ist quasi die Multitasking-Ansicht. Im unteren Bildschirmbereich findet sich die Schnellstartleiste mit vier Direktverknüpfungen zu vom Nutzer frei wählbaren Anwendungen. Das rechts außen platzierte Icon für das Hauptmenü ist fix und unverrückbar und öffnet ein dreiteiliges Fenster mit sämtlichen Anwendungen und Optionen.

Software-Update nur Kosmetik

Innerhalb des Hauptmenüs wird per Links-Rechts-Wischen zwischen den Ansichten gewechselt; die Anordnung der Programme kann individuell angepasst werden, indem man die Symbole durch kurzes Verweilen mit dem Finger aus dem Raster löst und auf die gewünschte Stelle verschiebt. Soll eine aktive Anwendung in den Hintergrund verschoben, aber nicht beendet werden, genügt ein kurzes Antippen des Touchfeldes, auf dem die Gestensteuerung stattfindet. Um ein Programm zu schließen wird die Miniaturdarstellung einfach per Fingerwisch nach oben aus dem Bildschirm hinaus geworfen. Auch das ist anfangs ungewohnt, aber sehr effektiv, und unterstreicht das einzigartige Bedienkonzept von Web OS.

Insgesamt klappt das Navigieren durch die Menüs flüssig, Prozessor und Userinterface sind gut aufeinander abgestimmt. Nur das Öffnen von Programmen dauert gefühlt einen Moment zu lange; bei zwei bis drei Sekunden Startdauer fühlt man sich etwas ausgebremst. Die aktuelle Betriebssystem-Version 1.4.5 kam Ende Juli over the air, hat von Palm nicht genau benannte Sicherheitslücken geschlossen und brachte im Vergleich zu Web OS 1.4.1 nur marginale Verbesserungen beim Webbrowser mit sich.

Dabei hätten es gerne auch ein paar funktionale Erweiterungen sein dürfen. Beispielsweise eine Ordner-Funktion, um Anwendungen in solchen zu organisieren. Denn wer sein Smartphone mit Zusatzsoftware nachrüstet, verliert schnell den Überblick. Gerne hätten wir auch einen Wecker gesehen, der bei ausgeschaltetem Telefon funktioniert, oder die Möglichkeit, das Pre Plus von Haus aus lokal mit Outlook zu synchronisieren - wobei es auch in der Palm-Welt möglich ist, Features über den Webshop nachzurüsten.

Palm Pre Plus
Der App Catalog fürs Softtuning ist gut strukturiert, das Angebot im Vergleich zur Konkurrenz jedoch mager.
© Palm

Palms App Catalog bietet mittlerweile rund 3000 Anwendungen aus den unterschiedlichsten Kategorien. Viele kann man kostenlos laden, wobei es sich meist um Spielereien handelt. Die nützlichen Tools kosten in der Regel mehrere Euro - da sind die Shops von Apple und Google nicht nur besser bestückt, sondern im Schnitt auch deutlich günstiger.

Organisationstalent

Andersherum macht Palm mit seinen ordentlichen PIM-Funktionalitäten Schule und überzeugt im täglichen Einsatz mit Mehrwert. Kontakt- und Kalenderdaten aus mehreren Quellen - Googlemail, Facebook, Yahoo und auch Microsoft Exchange - lassen sich leicht zusammenfassen und mit dem Telefonbuch respektive Kalender des Palm Pre Plus synchronisieren, Palm nennt das "Synergy".

Ebenfalls schick: Wer seine Termine etwa mit Googlemail organisiert, dem stehen auch die persönlichen Google-Kalender zur besseren Trennung von privaten und beruflichen Veranstaltungen direkt vom Smartphone aus zur Verfügung. Das Adressbuch sortiert die Kontakte nicht nur nach Vor- oder Nachnamen, sondern auf Wunsch auch nach Firma. Neben den klassischen Einträgen für Post- und E-Mail-Adressen bietet die Kontaktverwaltung weitere Felder etwa für Notizen, Spitznamen oder Name der Partner und Kinder.

Abgerundet wird das Informations-Management mit einer schicken Notizfunktion und einer übersichtlichen Aufgabenverwaltung. Eine Anregung für künftige Updates wäre noch die Möglichkeit, Kontakte in unterschiedlichen Gruppen zu verwalten oder auch jährliche Termine in den Palm-Kalender einzutragen, um beispielsweise rechtzeitig an fällige Rechnungen zu erinnern.

Woran man sich im Alltag schnell gewöhnt und was man nicht mehr missen möchte, ist die universelle Suchfunktion: Wer Anwendungen oder Kontakte auf seinem Smartphone schneller finden will, der kann einfach aus dem Stand heraus auf der Tastatur die Anfangsbuchstaben tippen, während der Palm Pre Plus unmittelbar Treffer anzeigt. Wird nur ein Buchstabe eingetippt, folgt eine Auflistung sämtlicher mit dem entsprechenden Anfangsbuchstaben installierten Anwendungen, ab dem zweiten Buchstaben wird auch das Telefonbuch durchstöbert. Bleibt die Suche auf dem Gerätespeicher ohne Erfolg, schlägt das Smartphone eine Websuche in Google, Google Maps, Wikipedia oder Twitter vor.

Im World Wide Web zu Hause

Palm Pre Plus
Beim mobilen surfen fühlt sich das Pre Plus richtig wohl, Flash-Inhalte kann es aber nicht darstellen.
© Palm

Richtig Spaß hat man auch beim Abrufen mobiler Daten, seien es Webseiten oder E-Mails. Surfen im Internet geht in Hotspot-Nähe dank Wireless LAN schön flott vonstaten, unter freiem Himmel sorgt bei idealer Abdeckung im 3G-Betrieb HSDPA mit 3,6 Mbit/s brutto für ordentliche Downloadgeschwindigkeiten. Wird die Verbindung über die GSM-Netze aufgebaut, leidet das Surfvergnügen trotz Datenbeschleuniger EDGE doch merklich. Mit Multitouch- und Doppel-Tippgesten kann man sich sicher auf den Webseiten bewegen und bleibt stets Herr der Lage - allein die Nichtunterstützung von Flash reißt gelegentlich Löcher in die Darstellung.

Dass der E-Mail-Client neben den meist privat genutzten IMAP- und POP3-Postfächern auch die für den geschäftlichen Mailverkehr benötigte Exchange-Verbindung unterstützt, ist mittlerweile Standard. Palm weiß hier mit einer sehr ordentlichen und schnell zu überblickenden Aufbereitung der einzelnen Mailkonten zu gefallen. Auch das Einrichten ebensolcher Postfächer gelingt dank Schritt-für-Schritt-Anleitung intuitiv.

Palm Pre Plus
Ein Youtube-Client ist bereits installiert und bietet schnellen Zugriff auf das beliebte Videoportal.
© Palm

Problematisch ist allerdings das Energiemanagement des Pre Plus - auch Palm hat noch keinen Königsweg gefunden, um die Vorzüge von Touchscreens mit einer langen Akkulaufzeit zu kombinieren. Vor allem im WLAN-Betrieb verbrät das Smartphone ordentlich Energie: Regelmäßiges Abrufen von E-Mails, gelegentliches Surfen auf Youtube und ein knappes Dutzend Telefonate am Tag zwingen den Akku schnell in die Knie - am Ende des Tages ist die Steckdose Pflicht.

Die Klangqualität beim Telefonieren hingegen ist insgesamt sehr zufriedenstellend, vor allem beim Gesprächspartner - also in Senderichtung. Auch bei Gesprächen während Bahnfahrten im unterirdischen Stuttgarter Schienennetz hat sich alles im grünen Bereich bewegt. Surfen per UMTS war im Untergrund der Schwabenmetropole in aller Regel ebenfalls kein Problem.

Das Potenzial ist da

Am Ende der Testphase bleiben gemischte Gefühle. Das Palm Pre Plus lebt in erster Linie vom Flair seiner innovativen Bedienoberfläche und kann im Dauereinsatz insgesamt überzeugen, mit seinem zweitklassigen Gehäuse den großen Playern, die da etwa Apple iPhone, Motorola Milestone oder HTC Desire heißen, allerdings nicht auf Augenhöhe begegnen. Damit sich das talentierte und potente Web OS erfolgreich auf dem ohnehin schon hart umkämpften Smartphonemarkt etablieren und überleben kann, müssen HP und Palm dringend in die Hardware-Entwicklung investieren und im gleichen Atemzug den Webshop aufpeppen - der braucht nicht unbedingt zig Tausend Anwendungen, dafür aber welche mit echtem Mehrwert zu fairen Preisen. 

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