Kommentar
Vorwürfe gegen Huawei: Auf dünnem Eis
Finanzbetrug, Industriespionage, Behinderung der Justiz: Die Vorwürfe gegen Huawei und gegen die in Kanada festsitzende Meng Wanzhou klingen schwerwiegend. Doch noch schwerwiegender ist, was nicht in der Anklageschrift steht. Ein Kommentar.

Dass einiges an politischer Inszenierung hinter der Anklage gegen Huawei steht, kann man schon an der Art erkennen, wie sie vorgetragen wurde. Mehrere Repräsentanten der amerikanischen Administration, darunter Handelsminister Wilbur Ross und Vertreter beteiligter Ministerien und Behörden, haben si...
Dass einiges an politischer Inszenierung hinter der Anklage gegen Huawei steht, kann man schon an der Art erkennen, wie sie vorgetragen wurde. Mehrere Repräsentanten der amerikanischen Administration, darunter Handelsminister Wilbur Ross und Vertreter beteiligter Ministerien und Behörden, haben sie medienwirksam auf einer großen Pressekonferenz verkündet.
Dabei wurden zwei Anklageschriften präsentiert; die erste thematisiert die Umgehung der Iran-Sanktionen und richtet sich nicht nur gegen Huawei als Unternehmen, sondern auch gegen den in Kanada festgehaltenen Huawei-Finanzvorstand Meng Wanzhou (Link zur offiziellen Erklärung des US-Justizministeriums), die zweite wirft Huawei organisierte Industriespionage vor (offizielle Informationen).
Dass die US-Justiz bei Verstößen gegen Iran-Sanktionen keinen Spaß versteht, ist seit Jahren bekannt. Wenn die Vorwürfe zutreffen, die sich um eine Scheinfirma (Skycom) drehen und über einen langen Zeitraum von 2007 bis 2013 erstrecken, dann drohen dem Unternehmen und Wanzhou schwerwiegende juristische Konsequenzen in den USA.
Die Schwere der Vorwürfe wird allerdings dadurch relativiert, dass sich der chinesische Tech-Konzern ZTE in einem ähnlichen Fall quasi freikaufen konnte, nachdem Donald Trump persönlich einen entsprechenden "Deal" eingefädelt hatte.
Streitpunkt Roboterarm
Die zweite Anklageschrift geht ebenfalls auf Vorfälle zurück, die einige Jahre alt sind. Konkret geht es um den Roboterarm "Tappy", mit dem T-Mobile USA die Reaktionszeiten und die Alltagstauglichkeit von Smartphone-Touchscreens testet.
Huawei-Mitarbeiter hätten 2012 Unterlagen zu dem Roboter entwendet und Einzelheiten des Designs fotografiert. Interessant ist hier, dass dieser Vorfall bereits Bestandteil einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen beiden Unternehmen war, die längst abgeschlossen ist.
Hinzu kommt, dass es sich nicht nicht um hochsensible Informationen handelt, schließlich hat jeder größere Netzbetreiber und Smartphone-Hersteller mindestens einen solchen Roboter in seinen Testlabs herumstehen.
Zur Einordnung: Qualcomm wirft Apple in einer Klage vor, Dokumente zu einem 5G-Modem an Intel weitergereicht zu haben – DAS sind hochsensible Informationen.
Eine Frage der Beweislage
Es stellt sich die Frage, warum die US-Justiz "Tappy" jetzt wieder zum Thema macht.
Die Antwort gibt ein langer Schachtelsatz in der Anklageschrift: "Im Rahmen seiner Ermittlungen erhielt das FBI E-Mails, aus denen hervorgeht, dass Huawei im Juli 2013 Angestellten Boni angeboten hatte, die auf dem Wert der Informationen basieren, die sie von anderen Unternehmen auf der ganzen Welt gestohlen hatten, und die Huawei über eine verschlüsselte E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt wurden."
Das ist in der Tat starker Tobak und hier darf man auf die Beweise gespannt sein, die das FBI vorlegen muss.
Die eigentliche Sensation ist doch aber eine andere: Beide Anklagen enthalten keine Belege, die auf einen schwerwiegenden Technologiediebstahl in einem konkreten Fall hindeuten, es gibt nur allgemeingültige Formulierungen, siehe oben. Es fehlen auch Beweise für den immer wieder durch die USA geäußerten Vorwurf, dass der chinesische Staat (in Form einer Backdoor) exklusiven Zugriff auf Huawei-Technologie hat. Wenn "Tappy" und eine E-Mail-Adresse aus dem Jahr 2013 alles sind, was die USA gegen Huawei in der Hand haben, dann wird es schwer, das Unternehmen vom Ausbau der 5G-Infrastruktur in Deutschland und anderen Ländern auszuschließen.