Playlist-Tipps
Best Of Klangtipps 2025: Klassik Alben mit dem besten Klang 2025
Autor:
Frederick Heinz •
11.6.2025
• ca. 0:35 Min
Maurice Ravel - Sämtliche Werke mit Klavier...
Maurice Ravel - Sämtliche Werke mit Klavier
François-Xavier Poizat ist ein Besessener. Mit ekstatischem Spieltrieb zwischen Lust und Raserei jagt er seinen Ravel durch die Steilwandkurven. Als Langstreckenparcours genügt ihm nicht das Solo-Klavierwerk inklusive Konzerte. Es müssen auch die Kammermusik und sämtliche Lieder mit Klavierbeteiligung sein. So tanzt, fetzt, flitzt und posiert Poizat über einen langen Catwalk der hochvirtuosen Showeffekte – und der fulminanten Musikalität. Er scheut nicht die Extrovertiertheit, die ihm ohne Widerspruch zur Tiefe der Empfindung und der kompositorischen Strukturen gerät; etwa wenn er mit linker Schöpferhand im gleichnamigen Konzert die Musik aus dem schwarzen Abgrund zieht, in den er sie in „Scarbo“ aus „Gaspard de la nuit“ mit akrobatischer Magie wieder zurückzaubert.
Generell befreit er Ravel von Weichspüler und Parfümzerstäuber. Mit Fauré’scher Klarheit spielt Poizat die Pavane für die verstorbene Prinzessin und verwahrt mit tragischem Forte-Ernst die Trauermusik gegen salonhafte Spinnweben-Nostalgie. Fast brutal sein Einstieg in die „Valses“, äußerst sensitiv indes seine Feinzeichnung von Ravels avantgardistischen Klangkonstrukten. Im Ensemble mit den exzellenten Solisten zeigt er selbst in Momenten bloßer Akkordarbeit gestaltende Partnerschaft. Und wie Dirigentin Simone Menezes in den Konzerten Drive und Jazz-Posen inszeniert, ist so aufregend wie das ganze Box-Set.
Rezension von: Martin Mezger
© Aparté/Harmonia Mundi
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Musik: | 5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Trio Mediæval - Yule
Das norwegische Label 2L ist super-audiophil – 43 (!) Grammy-Nominierungen sprechen eine deutliche Sprache. Neuproduktionen erscheinen meist mit zwei Scheiben in einer Packung: eine Hybrid-SACD und eine Pure Audio Blu-ray, mehrkanalig in DXD 24 Bit/352 kHz, DTS HD Master sowie Dolby Atmos. Das neue Werk des Trio Mediæval macht da keine Ausnahme.
Die gesanglich wundervolle Aufnahme huldigt „Yule“, jener im hohen Norden so einzigartigen Mischung aus Weihnachten und Wintersonnenwende. Die Solistinnen Linn Andrea Fuglseth, Jorunn Lovise Husan und Anna Maria Friman lassen sich zum Teil von einem kleinen Instrumental-Ensemble begleiten. Selbst absolute Weihnachtslied-Muffel können sich dem Zauber spätestens ab Track 2 nicht entziehen. Und Track 4, „Lussinatti Lange“, stellt extreme audiophile Anforderungen ans Equipment.
Rezension von: Lothar Brandt
© 2L/Naxos
Bewertung |
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Musik: | 3,5 bis 5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Johann Adolf Hasse - Serpentes (Ignei in deserto)
Diese unglaubliche Engelsstimme schwingt im Rokoko-Welthall – und es hört sich an, als kreuzten sich Ekstase und wollüstigste Schwindelgefühle. Tja, liebe Gläubige, die Anwendung der biblischen Feuerschlangen-Geschichte auf die Passion Christi ist bei Hasse ein höchstvirtuoses Belcanto-Evangelium.
Und in Thibault Noallys befeuernder Leitung ein Hochamt hoher Herren: Die Crème du Contre-Ténor – allen voran Philippe Jaroussky und Jakub Józef Orlinski – salbt ihr Falsett in Fülle des gelenkigen Wohlklangs. Dazu Bruno de Sá als Männersopran mit nach oben offener Hochtonskala: eine Sensation. Und Julia Lezhneva als Engel:
ein Vokalwunder. Hier fällt man gewiss nicht vom Glauben ab.
Rezension von: Martin Mezger
© Erato/Warner
Bewertung |
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Musik: | 5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Johann Sebastian Bach - The Toccatas
Das Jahrtausend-Genie Bach war auch mal jung: Seine frühen Toccaten (1707–1713) sind noch vom ungestümen Geist Buxtehudes beflügelt, zu dem Bach 1705 zu Fuß gepilgert war, um unerlaubt lange zu bleiben. Nun erweckt der italienisch-australische Pianist Jonathan Ferrucci (31) erneut die Wildheit, die Experimentierlust dieser Cembalostücke.
Klar, Glenn Gould und Angela Hewitt sind hier die Vorbilder. Doch Ferruccis fein ausgeleuchtetes Album zeigt schon einen eigenen Ton – glasklar, virtuos, hoch transparent. Ein Hörtipp? BWV 912, dramatisch inszeniert: das Intro in kühner Fantastik, das Fugato ausgelassen spontan, das Adagio als beseelter Tastengesang. Mehr davon!
Rezension von: Otto Paul Burkhardt
© Audite
Bewertung |
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Musik: | 4,5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Joseph Haydn - Haydn 2032, Vol. 16 - The Surprise
Tempo, Drive, Dynamik und Dynamit: Sie gelten zurecht als die Haydn-Spoiler von Antoninis toller Serie, die mit ihrer jüngsten Folge und der Giardino-Kammerorchester-Fusion zu den großen Londoner Zwölf vorstößt.
Gleichwohl brettert der Haydn-2032-Ferrari nicht einfach mit Karacho auf den Sinfonien-Olymp. Antonini fokussiert – wie bisher – stets die charakteristischen Pointen und kontrapunktischen Kniffe der Musik. Und die erkennt er, gegen ein allzu klassizistisches Haydn-Missverständnis, als Musik des dramatischen Ausdrucks. Er vermeidet eine rein mechanische Rasanz, streicht die „sprechende“ Artikulation heraus, dynamisiert die formale Architektur zu wahren sinfonischen Dramen.
Rezension von: Martin Mezger
© Alpha/Naxos
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Musik: | 5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Joannis de Lublin - Tabulatura
Der polnische Organist Joannis de Lublin sammelte im frühen 16. Jahrhundert eine „Tabulatura“ von 234 Kompositionen. Aus diesem Schatz an nordostdeutsch-polnisch-baltischer Renaissancemusik wählte Andrzej Szadejko Orgelwerke nach zeitgenössischen liturgischen Vorgaben und kombinierte sie mit gregorianischen und mehrstimmigen Chorsätzen. Die liefert Professoren-Kollegin Agnieszka Budzinska-Bennett mit ihrem fantastischen Kammerchor in makelloser Stimmführung. Zum Verstehen braucht man ein musikhistorisches Studium, doch um sich auf das Klangabenteuer jenseits klassisch-romantischer Standards einzulassen, reicht Neugier.
Die Renaissanceorgel klingt wundervoll. Diese Musik wurde schon damals „immersiv“ konzipiert. Was in Stereo völlig fasziniert, wird in Dabringhaus+Grimms „2+2+2“-Aufnahmetechnik zum Erlebnis.
Rezension von: Lothar Brandt
© MDG/Naxos
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Musik: | 4,5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Jean-Baptiste Lully - Alceste
Es kentert fast der Kahn, wenn Herkules reinjumpt. Sonst schippert Fährmann Charon ja nur Schatten ins Jenseits. Die Rückholaktion der verstorbenen Alceste durch den Superhelden beginnt in Lullys Oper brüllend komisch. In Stéphane Fugets glorioser Neuaufnahme prägt Komödiantik im Tragischen das ganze Stück: als plastisch-drastische Lebendigkeit. Die Musik zentriert sich aufs Rhythmische, ohne die melodische Schönheit zu schmälern.
Ein kraftvoll-charakteristisches Fundament trägt das Klangbild. Gesungen wird mit hinreißender Natürlichkeit der (Sprach-)Melodik. Christophe Roussets Aufnahme hat „Alceste“ auf Lullys späteren Klassizismus geeicht. Fuget trifft das Original.
Rezension von: Martin Mezger
© Château de Versailles Spectacles/Naxos
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Musik: | 5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Luciano Berio - Sämtliche Werke für Streichquartett
Anders als der „Sequenza“-Zyklus oder die Vokalstücke gelten die Streichquartette nicht als Signaturwerke Berios. Gleichwohl sind „Sincronie“ (1964) und „Notturno“ (1993) Meilensteine – nach der frühen, epigonal-expressionistischen „Studie“ und einem Quartett im Nach-Webern-Stil. Hochdynamisch lädt das Quatuor Molinari zwischen prägnanter Haptik und ins Sirrende entschwebenden Klängen die Berio’sche Wiederkehr des Expressiven auf: Expression als musikalische Sprechakte, die nicht mehr in Dialoge münden, sondern in einen Klangraum gleichzeitiger Monologe. Was in und unter Berios instrumentalen Texturen emotional bebt, lassen die Molinaris mit seismographischer Empfindsamkeit hören.
Rezension von: Martin Mezger
© Atma/Note 1
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Musik: | 5 von 5 |
Klang: | 5 von 5 |
Jean-Philippe Rameau - Platée
Von wegen Body Shaming. Sie hält sich für Miss Universum und Chefgott Jupiter für ihren Lover. Ein böser Streich. Am Ende wird sie übel gedisst. Eine Mobbing-Oper? Ja, aber sie kostümiert ästhetische Debatten. Nicht ohne Grund lässt Rameau die hässliche, hochnäsige Sumpfnymphe Platée im italienischen Stil trällern, stellt sie also als Parodie und Allegorie der italienischen Oper hin, auf die der Spott zielt. Valentin Tournet und seine Chapelle haben das eingespielt mit brillantem Temperament, feinem Esprit in den Tänzen und Glissando-Clownerie in Platées Froschkönigreich. Gesungen wird sensationell, von Mathias Vidal in der Titelrolle mit einer Art Würde der unfreiwilligen Komik.
Rezension von: Martin Mezger
© Château de Versailles/Naxos