Ratgeber
Report: Kabel contra DSL
Telefonieren übers Fernsehkabel? Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte Oma Erna aus dem beschaulichen Baden-Württemberg bei diesem Vorschlag befremdet den Kopf geschüttelt. Heute ist es gerade die Generation 60 plus, die der Telekom nach Jahrzehnten den Rücken kehrt und übers TV-Kabel nicht nur plauscht, sondern auch munter im Internet unterwegs ist - auch im gemeinhin als konservativ verschrieenen Schwabenland.

Kabelbetreiber legen um 80 Prozent zu

Keine Frage: Breitband via Kabelnetz setzt sich immer schneller in der Bevölkerung durch. Der Grund liegt auf der Hand: Die Kabelbetreiber bieten Breitband mit hohen Geschwindigkeiten fast schon zu Schleuderpreisen an. So gibt's bei Kabel Deutschland einen 32 Mbit/s schnellen Internet-Zugang inklusive Surf- und Sprachflat schon ab 23 Euro pro Monat. Da können die meisten DSL-Anbieter schon allein vom Tempo her nicht mithalten. Das Triple-Play-Angebot Internet, Telefon und Digital-TV übers Kabel wird mittlerweile von über zwei Millionen Kunden genutzt. Was sind schon zwei Millionen im Vergleich zu den insgesamt 23 Millionen DSL-Anschlüssen, könnte man denken.
Doch wer hier abwinkt, unterschätzt das Ganze: Beim Start vor vier Jahren betrug der Anteil der Kabelbetreiber im Breitband-Markt gerade mal ein Prozent, in diesem Jahr erwartet man einen Marktanteil von zehn Prozent. Während die DSL-Riege mit Ausnahme der Telekom schon seit letztem Jahr mit Kundenrückgang und Stagnation kämpft, haben die Kabelbetreiber innerhalb nur eines Jahres ihre Kundenzahl nahezu verdoppelt und fast um 80 Prozent zugelegt. Damit nicht genug: Neben Kunden, die sich erstmals für einen Breitbandanschluss entscheiden, gewinnen die Kabelnetzbetreiber auch zunehmend DSL-Wechsler für sich. Das tut weh.
Telekom: Das falsche Kabel verkauft
So sind in vielen Regionen mittlerweile nicht die DSL-Anbieter, sondern die Kabelbetreiber wie Kabel Deutschland, Unitymedia oder Kabel BW die größten Wettbewerber der Telekom. Der Verdrängungswettbewerb hat erst begonnen: "Der deutsche Markt hat ein enormes Aufholpotenzial für Kabelnetzbetreiber", ist sich der Präsident der Bundesnetzagentur Matthias Kurth sicher. Das hört der Platzhirsch Telekom mit aktuell 13,6 Millionen DSL-Kunden nicht gerne, zumal der Ex-Monopolist noch vor zehn Jahren über beide Netze - DSL und Kabel - verfügte, bevor er aus regulatorischen Gründen eins abgeben musste. Die Entscheidung fiel bekanntermaßen Pro-DSL aus, was man mittlerweile an mancher Stelle bereut. "Da haben wir wohl das falsche Netz verkauft", bekannte unlängst ein hochrangiger Telekom-Manager, der am Verkauf beteiligt war.
Kabelbetreiber tätigen immense Investitionen

Der Verkauf erfolgte wie gesagt nicht freiwillig, dazu ein kurzer Schwenk in die Historie: Das Breitbandkabelnetz wurde Anfang der 80er Jahre von der Deutschen Post aufgebaut. Insbesondere Postminister Schwarz-Schilling forcierte den Ausbau. Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes 1996 läutete das Ende der Monopolstellung der Deutschen Telekom ein. Zwei Jahre später ging die EU-Komission den Telekom-Riesen an und forderte, die Telekommunikations- und Kabelfernsehnetze komplett zu trennen. Daraufhin hat die Telekom ihre Kabelnetze verkauft. 2001 und 2002 wurden die Kabelnetze in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg an den amerikanischen Investor Callahan veräußert, das Kabelnetz in Hessen übernahm der irische Investor Gary Klesch. So entstanden die regionalen Kabelbetreiber Ish und Easy, die 2007 zu Unitymedia fusionierten, sowie Kabel BW in Baden Württemberg. Eine Investorengruppe aus Apax Partners, Goldman Sachs Capital Partners und Providence Equity Partners erwarb 2003 die restlichen sechs regionalen Kabelnetzbetreiber und bündelte sie in der Kabel Deutschland Gruppe.
Zunächst standen - und stehen immer noch - Investitionen auf der Agenda: Seit der Privatisierung hat allein Kabel Deutschland über eine Milliarde Euro in die Modernisierung und Aufrüstung seines Netzes investiert. Der Rest der Kabelbetreiber steckt ebenfalls jede Menge Kapital in ihre Netze. Dieses Jahr sollen laut dem Verband der Kabelbetreiber ANGA erneut 700 Millionen Euro fließen. Damit ist das Geldausgeben noch lange nicht vorbei: Die Netze sind noch nicht komplett für das schnelle Internet aufgerüstet. Auch haben längst nicht alle Bürger einen Kabelzugang im Haus. So sind 60 Prozent der Haushalte mit Kabel ausgestattet, doch 40 Prozent schauen immer noch über Satellit fern. Dazu kommt: Viele Wohnungsgesellschaften haben Verträge mit kleineren Kabelbetreibern abgeschlossen, die Mieter können von den großen Kabelbetreibern nicht direkt angesprochen werden. Der späte Start in den Wettbewerb um Breitband und Telefon fordert einen weiteren Tribut: Die hohen Investitionen sollen sich erst nach zehn Jahren amortisieren. Das ist die Kehrseite der Medaille.
Kabel BW mit 100 Mbit/s
Doch immerhin: Beim Netzausbau kommen sich die Kabelbetreiber nicht ins Gehege, das Terrain ist sauber aufgeteilt. Der größte Anbieter Kabel Deutschland ist mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg in 13 Bundesländern vertreten und erreicht insgesamt 9,1 Millionen Haushalte. Das Unternehmen mit Hauptsitz in München hat etwa 80 Prozent seiner Netzinfrastruktur fürs schnelle Internet aufgerüstet und zählt insgesamt über 805000 Breitbandkunden. Unity-media, der zweitgrößte Kabelbetreiber, hat in Nordrhein-Westfalen und Hessen insgesamt 4,6 Millionen Kunden unter Vertrag, davon 803000 Internetnutzer. Bis Jahresende wollen die Kölner 90 Prozent ihres Kabelnetzes für Breitband mit bis zu 32 Mbit/s aufrüsten.
Der drittgrößte Netzbetreiber Kabel BW zählt 2,3 Millionen Kunden in Baden-Württemberg, davon gehen 450.000 übers Breitband ins Netz. Die Schwaben wollen hoch hinaus und geben richtig Gas: Im Sommer sind die Heilbronner mit 100 Mbit/s gestartet, bis Mitte 2010 will Kabel BW das ganze Ländle mit dem Turbospeed versorgen. Tele Columbus, der vierte im Bunde, entstand aus einem Zusammenschluss mehrerer regionaler Kabelbetreiber und versorgt mit 2,34 Millionen Haushalten nahezu den kompletten Osten Deutschlands sowie einige westdeutsche Schwerpunktregionen mit seinem Kabelnetz; 86000 Kunden konnte der größte Anbieter der Netzebene 4 für seine Breitband-produkte gewinnen.
1&1 startet mit VDSL
Auch die übrigen Kabelanbieter folgen dem Beispiel von Kabel BW und wollen den Ausbau ihres Netzes per DOCSIS 3.0 auf über 100 Mbit/s vorantreiben. Das bringt die DSL-Betreiber in Zugzwang, ebenfalls zu investieren: Neben der Telekom und Vodafone bietet seit dem 1. September auch 1&1 VDSL-Zugänge mit bis zu 50 Mbit/s in 50 Städten an. Die Maintaler nutzen dazu das VDSL-Netz der Telekom und wollen künftig beim Ausbau als Co-Investor einsteigen (siehe Interview auf Seite 58). Klar ist auch, warum: Beim Wettbewerb ums schnelle Internet gerät der DSL-Anbieter ohne eigene Netzinfrastruktur schnell ins Hintertreffen. Mit Glasfasernetzen mit hohen Bandbreiten von über 50 Mbit/s können derzeit nur die Telekom und die Kabelbetreiber dienen. Dieses "Doppelmonopol" hat 1&1 unlängst angeprangert und eine Regulierung der Kabelnetze gefordert. Dass die Bundesnetzagentur darauf eingeht, ist allerdings eher unwahrscheinlich.
Die Vorgaben der Bundesregierung an die TK-Anbieter und Kabelbetreiber in puncto Breitbandausbau sind dagegen klar: Bis 2014 sollen 75 Prozent der Haushalte, bis 2018 alle Haushalte mit Internetanschlüssen mit bis zu 50 Mbit/s versorgt werden. Da sehen sich die Kabelbetreiber mit ihren schnellen Netzen bestens aufgestellt. Auch fürchten sie die Konkurrenz in puncto Fernsehen nicht: Laut Kabel Deutschland drängen die DSL-Anbieter mit IPTV auf einen gesättigten TV-Markt, der keine hohen Margen ermöglicht. Dietmar Schickel, Marketing-Chef von Tele Columbus: "Während die Kabelnetzbetreiber zunehmend den TK-Markt erschließen, versuchen die traditionellen Telefonunternehmen in den Fernsehmarkt einzudringen. Dabei liegen jedoch die Vorteile bei den Kabelanbietern: Wir kennen unsere Kunden, sind mit unserem Anschluss im Wohnzimmer und verfügen über die wesentlich leistungsstärkere Infrastruktur".