Testlabor
So testet connect: Smartphone-Kameras
Immer mehr Menschen fotografieren mit dem Smartphone. connect beurteilt die Qualität der Smartphone-Kameras im Testlabor.

Gehörte der Fotoapparat in verschiedenen Qualitätsstufen früher zur Standardausstattung im Reisegepäck, so sind die meisten Menschen heute auch in der schönsten Zeit des Jahres nur mit dem Smartphone unterwegs. Das ist immer bei der Hand und ermöglicht es zudem, die Bilder gleich ansehen zu können. Doch wie wirken Smartphone-Bilder bei der Präsentation im gehobenen Rahmen? Können sie auf einem hochauflösenden Notebook oder einem 4K-Fernseher mit gewaltiger Bilddiagonale überzeugen? Oder als großformatiges Poster an der Wand? Hier ist Qualität gefragt: Von den von Herstellern propagierten Megapixeln muss ein substanzieller Teil wirklich im Bild vorhanden sein. Dass das nicht immer der Fall ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen.
Deshalb ist ein unabhängiger Test Gold wert. Wie gut eine Smartphone-Kamera ist, erfasst das für connect tätige, verlagseigene Messlabor Testlab in einem aufwendigen Test- und Analyse-Verfahren, das in enger Zusammenarbeit mit unserer Schwesterzeitschrift Colorfoto entstanden ist und die Qualität der Kamera unter sehr unterschiedlichen Aspekten beurteilt. Dabei gibt es eine Differenz in der Herangehensweise zwischen Colorfoto und connect.
So setzen die Kollegen, die vornehmlich hochwertige System- und Spiegelreflexkameras testen, zur Beurteilung auf das RAW-Format. Dabei ändert die Software Bilder aus dem Sensor nur geringfügig, bevor sie ohne Komprimierung abgespeichert werden. Das RAW-Format verlangt jedoch eine intensive Nachbearbeitung, die beim beliebten JPEG-Format von der Kamera-Software automatisiert vorweggenommen wird. Zudem werden hier die Bilder gleich noch um den Faktor 12 bis 35 komprimiert, was enorm viel Speicher spart. Für das RAW-Format, das von Hersteller zu Hersteller und oft von Kamera zu Kamera unterschiedlich ausfällt, ist zudem ein Konverter nötig. Sehr universell ist Adobe Lightroom, das zusammen mit Photoshop für die Nachbearbeitung im Abonnement 11,89 Euro pro Monat kostet – etwa so viel zahlen viele Prepaid-Kunden für Daten und Telefonie.
connect setzt deshalb auf das praktischere
JPEG-Format, bei dem die Kamera-Software selbst die Nachbearbeitung
übernimmt, um das nach Herstellersicht Beste aus den Bildern
herauszuholen. Doch dafür können einmal von der Software vorgenommene
Bildoptimierungen kaum wieder rückgängig gemacht werden, selbst wenn sie
im Einzelfall eher negativ wirken. Viele Fachleute sind nebenbei
bemerkt der Meinung, dass die zur Optimierung eingesetzte Software
oftmals einen größeren Einfluss auf die Bildqualität hat als Bildsensor
und Optik. Das ist auch ein Grund dafür, dass unterschiedliche Kameras
mit gleichem Sensor oft verschiedene Bildqualitäten liefern, zumal wenn
sie unterschiedliche Software-Stände nutzen. Ein Teil des Messverfahrens
kümmert sich daher darum, Fehlern der Software auf die Schliche zu
kommen.

Auflösung und Artefakte
Die Auflösung einer Kamera wird üblicherweise in Megapixeln angegeben und ist eine Eigenschaft des Bildsensors. 4032 horizontale Bildspalten und 3042 vertikale Bildzeilen entsprechen als Beispiel einer Auflösung von 12 Megapixeln. Idealerweise sollte ein solcher Sensor ein Schachbrettmuster aus je sechs Millionen weißen und schwarzen Feldern darstellen können. Doch durch eine physikalisch ungeeignete oder qualitativ minderwertige Optik geht schon vor dem Sensor Qualität verloren, sodass die reale Auflösung oft geringer ist.
Einblick ins Testlab
Gemessen wird die Auflösung mit sogenannten „Siemenssternen“, die nach innen immer feiner werdende Strahlen darstellen. Je höher die Auflösung einer Kamera ist, umso näher am Mittelpunkt kann sie noch Strahlen auflösen. Kommt sie an ihre Grenze, macht sich das entweder durch Detailverlust oder Moiré-Muster bemerkbar. Gemessen wird mit Siemenssternen in der Mitte des Bildes und mit halben Sternen in den Bildecken, wo die Auflösung in der Regel geringer ist. Als Einheit dienen Linienpaare pro Bildhöhe (LP/PH: Line pairs per picture height) statt Pixel. Idealerweise sollte eine Kamera mit 3042 Bildzeilen 1521 Linienpaare unterscheiden können. An den Wert kommen einige Smartphones in der Bildmitte nah heran, zum Rand hin fallen sie ab.

Dazu muss man wissen, dass die Software vieler Smartphone-Kameras die Bilder schönrechnet – sie entfernt Bildrauschen, begradigt Linienstrukturen und erhöht Kanten im Kontrast. Deshalb gelten mit Siemenssternen gemessene Auflösungen nicht für alle Bilddetails. Um die Software zu überlisten, kommen Dead-Leaves-Felder zum Einsatz. Die bestehen aus einer Vielzahl an Kreisen, die sich in Größe, Helligkeit und Farbe unterscheiden. Da bei den Dead-Leaves-Feldern Farbe im Spiel ist und andere Voraussetzungen für Kontrast und Schärfe gelten, ist die mit ihnen gemessene Auflösung meist deutlich geringer als die mit Siemenssternen ermittelte.
Versucht die Kamera dennoch, den Detailgrad oder den Kontrast in den Feldern zu erhöhen, bilden sich dunkle oder helle Ränder um die Kreise, die im Original nicht vorhanden waren. Das ist besonders gut an dem Dead-Leaves-Feld mit hohem Kontrast zu sehen. Das Feld mit niedrigem Kontrast zeigt deutlich, wenn die auf monotonen Flächen übliche Entrauschung allzu aggressiv eingesetzt wird.
Die Kontrasterhöhung einer Kamera kann auch am Schwarz-Weiß-Keil im Testchart nachvollzogen werden. Für Fehler bei der Farbwiedergabe (Delta E) stehen 96 Farbfelder zur Verfügung. Wir beurteilen dabei sowohl die mittlere als auch die maximale Abweichung Delta E (dE). Eine moderate Erhöhung des Kontrasts und eine höhere Farbsättigung als im Originalobjekt tragen nebenbei bemerkt oft dazu bei, dass man diese Bilder beeindruckender wahrnimmt als solche, die sich der Neutralität verpflichtet fühlen. Da eine Nachbesserung in jedem Falle einfacher ist als eine Neutralisierung starker Bildeingriffe, führen diese im connect-Test trotzdem zur Abwertung.
Durchgehend negativ wirkt sich Bildrauschen auf die Qualität aus. In der connect-Bewertung wird das subjektiv wahrgenommene Rauschen bei der sogenannten 100%-Darstellung auf dem Monitor bewertet, bei der ein Pixel des Bildes einem Pixel des Monitors entspricht. Die für diese Messart gängige Bezeichnung ist Visual Noise 1 oder kurz VN1, daneben gibt es VN2 und VN3 für kleinere Darstellungsformate.
Selbst bei großen Objektiven professioneller Kameras nicht vermeidbar ist das sogenannte Shading, das die Gleichmäßigkeit der Helligkeitsverteilung auf dem Bild beurteilt, die in Blenden gemessen wird.

Licht und Schatten
Alle Messungen erfolgen soweit möglich in den Standard-Einstellungen der Kamera. Fotografiert wird das Chart unter drei Bedingungen. Ihr ganzes Potenzial kann eine Kamera bei voller Beleuchtung (Full light) durch zwei 2500-Watt-Fotolampen beweisen. Die über die ganze Fläche des Charts an vielen Punkten kontrollierte Helligkeit beträgt dabei 2400 Lux. Zur Messung der Farbtreue dient ein Filter, der das Farbspektrum der Lampen an Tageslicht anpasst (Daylight), die Helligkeit geht auf 750 Lux zurück. Last but not least wird das Licht durch Helligkeitsfilter und die Reduktion der Lampenleistung auf zwei mal 1250 Watt und damit 190 Lux reduziert – so kann man beurteilen, wie sich die Kamera bei schlechten Lichtverhältnissen schlägt. Die Auswertung erfolgt über die Software iQ Analyzer V6 vom Spezialisten Image Engineering aus Frechen, die nach dem Hochladen der Bilder alle Messfelder automatisch erkennt und die relevanten Messwerte extrahiert.
Doch auch dem geübten Auge gelingt es, durch das Betrachten der Messfelder viele Stärken und Schwächen einer Kamera zu erkennen. Bei Kieselstein-Fläche, Rasen und den drei Frauen bleibt kein Bildfehler unerkannt. Wobei sich die Qualität – und das ist die gute Nachricht – bei den besten Smartphones durchaus mit Kompakt- oder Bridge-Kameras messen kann, nur der Zoom fehlt.